Den einen geht es mit den Öffnungen zu schnell, anderen wiederum nicht schnell genug – der am Mittwoch verabschiedete Corona-Stufenplan von Bund und Ländern erzeugte weder in der Gesellschaft noch bei "Maybrit Illner" eine einseitige Reaktion.
Besonders zwei der Gäste standen sich in der ZDF-Talkshow mit ihren Meinungen gegenüber: Grünen-Chef Robert Habeck hält Öffnungen ohne geeignete Teststrategie für unverantwortbar. FDP-Parteichef Christian Lindner dagegen begrüßte weitere Pläne für Lockerungen. Das Urteil von Journalistin Melanie Amann fiel besonders vernichtend aus.
Das waren die Gäste bei "Maybrit Illner" am 4. März 2021:
Selten waren die verschiedenen politischen Lager derart vielseitig in einer Diskussion um die Corona-Politik vertreten. Insgesamt sieben Gäste – vor Ort oder zugeschaltet – begrüßte Moderatorin Maybrit Illner in dieser Woche in ihrem Studio. Das Hauptthema der Sendung war der am Vorabend präsentierte Corona-Stufenplan von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten.
Robert Habeck sieht in der Strategie zur Bekämpfung der Pandemie eine echte Kehrwende. Der Richtungswechsel in der Pandemie von Kanzlerin und den Länderchefs sei offensichtlich politisch begründet.
Weniger eine wissenschaftliche und mehr eine politische Motivation sah auch Melanie Amann, Leiterin des "Spiegel"-Hauptstadtbüros in den Plänen.
Aus pandemischer Sicht gebe es eigentlich keinen Grund für diesen Plan. "Dieser Plan ist im Prinzip von der Minute seiner Geburt eine Todgeburt gewesen. Er ist für die Tonne", urteilte Amann harsch über den neuesten Beschluss. Sowohl Ministerpräsidentin Manuela Schwesig als auch Ministerpräsident Markus Söder wiesen eine politische Motivation allerdings zurück.
Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Christian Lindner stand den vielschichtigen Plänen der Regierung grundsätzlich positiv gegenüber – allerdings gingen diese seiner Meinung nach nicht weit genug. "Nach meiner Einschätzung ist die Risiko-Abwägung innerhalb der Bund-Länder-Gruppe zu einseitig", ließ Lindner verlauten. Durch die Einbeziehung von Parametern abseits der Inzidenzzahlen seien weitere Öffnungen möglich und notwendig.
Als Christian Lindner erklärte, auch die Impfung eines Großteils der besonders Schützenswerten, erlaubten mehr ökonomische und gesellschaftliche Freiheiten, widersprach Robert Habeck vehement. Der Grünen-Chef erklärte: "Ich glaube, viele Leute warten seit Wochen und Monaten auf die Impfung. Und wenn die hören, wir haben die besonders zu Schützenden geimpft, dann beißen die in die Tischkante.“
Zwar seien bereits einige Menschen über 80 Jahre und auch Risikogruppen geimpft, jedoch längst nicht alle vulnerablen Gruppen. Außerdem fehlten noch immer eine Teststrategie und genügend Impfstoff.
Robert Habeck zeichnete ebenso wie Journalistin Melanie Amann ein skeptisches Zukunftsbild. Der Parteivorsitzende der Grünen erklärte: "Das kann gut gehen, aber aller Wahrscheinlichkeit nach spricht es dafür, dass wir damit die Ausbreitung des Virus beschleunigen." Damit hätten die politisch Verantwortlichen nicht nach dem Prinzip der Vorsicht, sondern der Unvorsicht gehandelt.
Habeck kritisierte, dass die Verantwortlichkeit für steigende Corona-Infektionszahlen trotz fehlender Teststrategie der Bundesregierung und einem Mangel an Impfung durch den neuen Stufenplan auf die Gesellschaft abgeschoben werde.
Kommt es zu Schließungen, sind also die Bürger Schuld? "Das klingt so ein bisschen durch bei Herrn Söder", war sich auch "Spiegel"-Journalistin Melanie Amann sicher.
Der Parteichef der CSU versuchte über die Sendung hinweg die Politik von Bund und Ländern in der Corona-Pandemie zu verteidigen und für die neuesten Pläne zu werben. Moderatorin Maybrit Illner versuchte Söder immer wieder auch Antworten abseits des politischen Marketing-Sprechs zu entlocken, mit mäßigem Erfolg. Die Kritikpunkte der anderen Gäste zusammengenommen zeigen: Ganz für die Tonne wie Melanie Amann urteilte, ist der neue Stufenplan vielleicht nicht – ein Erfolgsrezept jedoch wohl auch nicht.