Die Weihnachtszeit ist ein gern genommener Anlass für Sondersendungen. Das dachte sich auch Berufssatiriker Jan Böhmermann und liefert uns einen satirischen Politkrimi, ein fiktionales Special. Dabei geht es um einen Mord bei einer Innenministerkonferenz in einem verlassenen Haus in Oberbayern.
Im Mittelpunkt des Films "Die Innenministerkonferenz" steht "ein mysteriöser Mordfall in höchsten politischen Kreisen", wie das ZDF mitteilt. Handlung: Die neue Bundesinnenministerin und die Innenminister der 16 Bundesländer treffen sich in einem abgelegenen Haus in der bayrischen Provinz, wo es weder Empfang noch irgendeinen anderen Kontakt zur Außenwelt gibt. Nach einer exzessiven Partynacht wird eine Ministerin tot aufgefunden. Die Ministerinnen und Minister der Länder sind bei der Aufklärung des Verbrechens keine große Hilfe. Ist die Bundesinnenministerin die Einzige, die wissen will, was vorgefallen ist?
Die frisch gebackene Bundesinnenministerin, gespielt von Lena Dörrie, wird zu ihrer ersten Innenministerkonferenz gefahren. Von einer mysteriösen und düsteren Fahrerin. Die Szenen könnten aus einem Horrorfilm sein: verlassener Waldweg, Dunkelheit, Nebel, heruntergekommenes Haus, kritischer Blick in den Rückspiegel, ängstliche Passagierin.
Alle Innenminister der 16 Bundesländer sind bereits eingetroffen und sitzen gesellig in einem Raum mit braunen Ledersesseln auf altem knirschenden Parkettboden. Die motivierende Bundesinnenministerin möchte direkt wichtige Punkte ansprechen und widmet sich den Kollegen. Über eine Studie zu Rechtsextremismus in deutschen Behörden müsse man sprechen. Die Aufklärung des NSU-Komplexes sei ebenfalls überfällig. Die Innenminister der Länder sind von den Themen gelangweilt, reagieren mit Gähnen oder hämischem Lachen. Sie möchten lieber schlafen und gehen den Themen der Bundesinnenministerin aus dem Weg. Aber es wird nicht geschlafen, es wird heimlich gefeiert.
Mittendrin gibt es immer wieder Flashbacks zu den Partyszenen. Man sieht feiernde und betrunkene Berufspolitiker, die zu Songs aus den 70ern fremdbeschämend das Tanzbein schwingen und sich gegenseitig umgarnen. Am nächsten Tag betritt die Bundesinnenministerin den Frühstückssaal und wird von allen ignoriert. Als die männlichen Kollegen doch auf sie aufmerksam werden, wird sie unangemessen angefasst und in männlicher Form "Frau Bundesinnenminister" angesprochen. Im arroganten und süffisanten Ton.
Wieder versucht sie politische Themen anzustoßen und scheitert dabei. Sie möchte die Zuständigkeiten der inneren Sicherheit überarbeiten und strebt eine stärkere bundesweite Vereinheitlichung an. Dinge, an denen die restlichen Innenminister kein Interesse haben. Sie möchten die Kontrolle über Sicherheit und Polizei in den Ländern behalten. Die Innenministerin aus Schleswig-Holstein sträubt sich dagegen, sie möchte als einzige Ministerin die Kompetenzen an den Bund abgeben. Damit wird sie zur Zielscheibe der restlichen 15 Innenminister.
Diese Ministerin wird nach der Partynacht tot aufgefunden. Ein Coup für die Innenminister? Die Aufklärung erweist sich als schwierig. Irgendwie möchte keiner herausfinden, was passiert ist. "Eine tote Ministerin auf der Innenministerkonferenz, die nichts anderes ist als ein hängengebliebenes Ballermann-Event für Berufspolitiker:INNEN", schreit die Bundesinnenministerin die Innenminister an und betont die gegenderte Form. Die Kollegen wirken recht unbeeindruckt und gehen zur Teambuilding-Schulung, anstatt sich weiter mit dem Mord zu beschäftigen.
So macht sich die Bundesinnenministerin auf Sherlock Holmes' Art und Weise auf Spurensuche. Michael Gloistein, Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen, gespielt von Jan Böhmermann höchstpersönlich, möchte ihr dabei helfen. Zwischendurch wird er selbst beschuldigt, weil die Soße seiner Kohlroulade in der Nähe der Leiche gefunden wird. Er wird in einem Schrank unter der Treppe eingesperrt, so wie wir es aus Harry Potter kennen.
Die Bundesinnenministerin, die übrigens kein einziges Mal beim Namen genannt wird, sondern die ganze Zeit im ironischen und süffisanten Ton "Frau Bundesinnenministerin", findet heraus, dass alle anderen Kollegen gemeinsam für den Tod der Ministerin verantwortlich sind. Sie konfrontiert die ganze Truppe und wird dabei zur Täterin gemacht. Ihr wurde von der mysteriösen Fahrerin Gift untergejubelt. Zeugen der Tat gäbe es angeblich auch: Michael Gloistein, also Jan Böhmermann, der ihr die Hilfe nur vorgespielt hatte. Alles war perfekt geplant. Die Bundesinnenministerin wird von der Polizei abgeholt. Die "nervigen Frauen" sind somit eliminiert.
Im Netz sieht man das alles als gar nicht so unrealistisch an...
Die Handlung des Specials ist fiktiv, es lassen sich jedoch fest verortete Strukturen in der politischen Kultur Deutschlands finden. Soll die Specialsendung das amateurhafte Krisenmanagement und die Phrasendrescherei von Politikern spiegeln?
Dass es selbst in Todesfällen schnell zur Tagesordnung zurückgeht und Floskeln kommen wie: "Die 237. Innenministerkonferenz stand unter dem Leitsatz 'Stärken, Kompetenzen optimieren und Erfolge sichtbarer' machen. Dass unsere fruchtbare Arbeit dann so überschattet wird, hat eine besondere Tragik." "Aber bei aller Tragik vergessen wir nicht den Terror von links. Den dürfen wir nicht vergessen, trotz allem, was passiert ist", heißt es von einem anderen Minister. Alle nicken zustimmend. Das erinnert an die klassischen Aussagen über linke Gruppierungen, die von Ex-Bundesinnenminister Horst Seehofer kamen, wenn es eigentlich um Rechtsextremismus ging.
Bayern als verlassener Ort ohne Kontakt zur Außenwelt. Wenn man Böhmermann ein wenig kennt, weiß man, wie gerne er sich über Bayern lustig macht und dass diese Inszenierung in sein Bild passt. Auch das beabsichtigte falsche Gendern der männlichen Innenminister, die die Bundesinnenministerin "Frau Bundesinnenminister" nennen oder bei der Pressekonferenz von "Bürger und Bürger" sprechen, beleuchten eine gewisse Realität, die echten Pressekonferenzen entstammt.
Insbesondere die durchgehend arroganten Verhaltensweise gegenüber einer weiblichen Bundesinnenministerin soll deutlich machen, wie schwer Frauen es in höheren Ämtern haben. Der "heilige" Föderalismus spielt ebenfalls eine tiefgründige Rolle. Dieser soll so stark und bitterlich gewahrt werden, dass sogar über Leichen gegangen wird.