Erstmals liegt die bundesweite Corona-Inzidenz wieder unter 100 und damit wachsen die Hoffnungen auf Lockerungen und Öffnungen. Sollten Hotel- und Gastgewerbe in Deutschland vielleicht zu Pfingsten schon wieder öffnen? "Inzidenz wieder unter 100 – beginnt jetzt die große Leichtigkeit oder der große Leichtsinn?", fragt Anne Will ihre Gäste:
Anne Will nennt ihn "neuer Vorsitzender Team Vorsicht". In Hamburg gab es schon vor der Bundesregelung eine Ausgangssperre. Nun steht die Hansestadt mit den Zahlen gut da, der R-Faktor liegt unter 0,8, die Inzidenz je nach Quelle sogar unter 50. "Das Geschehen ist sehr, sehr gebremst", sagt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Und trotzdem ist er bei Lockerungen eher zögerlich. "Leichtigkeit und Leichtsinn – es ist ein sehr schmaler Grat", sagt Tschentscher. Er wünscht sich einen Sommer "zumindest wie letztes Jahr" und will darum nichts riskieren, die Inzidenz niedrig halten. Die Außengastronomie habe er im Blick, was Öffnungen angeht, er will es am Dienstag dem Senat vorschlagen. Mehr aber nicht. "Wenn wir die Innengastronomie öffnen, müssen wir aus Gleichbehandlungsgründen viele andere Branchen auch öffnen." Man dürfe trotz Tests nicht übermütig werden.
Das sieht auch Carola Holzner so. "Die Antigentests vermitteln eine vermeintliche Sicherheit, die es so nicht gibt", sie seien gut, um Positive herauszuziehen. Aber einer von fünf Infizierten würde nicht erkannt werden. Sie findet auch, dass Lockerungen gut seien, "um den Menschen ein bisschen Hoffnung zu machen".
Zum einen sei die Lage regional durchaus noch angespannt und die indische Virus-Variante sei "viel, viel ansteckender" und vermutlich erweise sich bei ihr auch die Impfung nicht ganz so wirksam. "Für mich fällt der Urlaub aus, ihre fahre nicht, ich bleibe mit meinem Hintern zu Hause", sagt sie. Und Innenraumfeiern meide sie auch weiterhin.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hingegen ist für Lockerungen. "Unter einer Inzident von 50 dürfen schon eine ganze Reihe von Maßnahmen nicht mehr ergriffen werden." Er erinnert an einige Regelungen, die von Gerichten kassiert wurden. "Zu lange zu warten, halte ich für rechtswidrig. Das, was sie in Hamburg machen, halte ich für rechtswidrig", wendet er sich direkt an Peter Tschentscher.
Von Dietmar Bartsch (Die Linke) bekommt er Rückendeckung, wenn auch mit einem spöttischen Seitenhieb. "Niemand glaube ich, ist in diesem Land für Leichtsinn – nicht einmal Herr Kubicki.“ Man müsse aber auch schon mal in die Zukunft denken: "Was ist denn nach dem Sommer?" Das Fahren auf Sicht müsse aufhören. Er plädiert für bundeseinheitlichen Rahmen, bei dem Wissenschaftler unterschiedlicher Gebiete die Bundesregierung beratet, Virologen und Erziehungswissenschaftler etwa. Dann übt er noch ein bisschen Regierungsschelte wegen des langsamen Impfbeginns. "Das bringt ja jetzt nichts", ermahnt ihn Anne Will. Aber Bartsch legt nach und sagt, dass es nicht angehen könne, das Impfdosen vernichtet werden, weil Ärzte für angebrochene Impf-Fläschchen niemanden in der Priorisierungsgruppe finden. Er ist für eine sofortige Aussetzung der Priorisierung, wie es sie fünf Bundesländer ohnehin schon haben. Der Spiegel hatte nämlich berichtet, dass darum in Hamburg 40000 Dosen vernichtet werden mussten. Hamburgs Bürgermeister Tschentscher widerspricht energisch. "Keine einzige Dosis wurde vernichtet, da verfällt gar nichts." Anne Will kündigt den Faktencheck für Montag an. Aber was für Bartsch wirklich wichtig ist: "Alles, was im Moment dazu führt, das mehr und schneller geimpft wird, werde ich unterstützen."
Alles, was Lockerungen verspricht, ist Wasser auf die Mühlen von Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. Ihre Branche war während der Pandemie insgesamt 9 Monate geschlossen.
Hotels und Restaurants hätten "lange ein Sonderopfer gebracht" und die Einlassbeschränkung auf Geimpfte, Genesene und Getestete bringe ja auch "schon mal sehr viel Sicherheit", dazu käme ja auch noch weiter die üblichen Abstands- und Hygieneregeln. "Es gibt irgendwann einen Punkt, wo die Balance verloren geht" zwischen Sicherheit und den Interessen der Wirtschaft. "Die Gäste wollen Planungssicherheit. Die Leute können ins Ausland fliegen, aber in Deutschland können sie keinen Urlaub machen. Das ist doch irre." Und da sei es sei doch besser jetzt zu starten und sich schon mal einzufinden, als in der Hauptsaison loszulegen.
Als Hartges am Ende anhebt und sich die Impfpriorisierung für Hotel und Restaurant-Mitarbeiter wünscht, will sie Anne Will unterbrechen. Und dann passiert es: Hartges will sich nicht unterbrechen lassen. "Liebe Frau Illner, ich bin heute zum ersten Mal da …" Anne Will stutzt kurz, grätscht dann rein: "Will ist mein Name." Hartges: "Oh, um Gottes Willen." Anne Will witzelt: "Ich sehe so ähnlich aus." Sie übergibt an die Tagesthemen, wo sich Moderator Ingo Zamperoni auch ein breites Grinsen nicht verkneifen kann. Und bei Twitter überbieten sich die User mit Gags.