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"Hart aber fair"-Gast mit Rat für Diktatoren

Marina Weisband sieht viel Zerrissenheit unter russisch sprechenden Menschen.
Marina Weisband sieht viel Zerrissenheit unter russisch sprechenden Menschen.bild: screenshot ard
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"Hart aber fair": Weisbands Warnung an Diktatoren und Plasbergs seltsame Weihnachtsfrage

03.05.2022, 10:4203.05.2022, 10:43
dirk krampitz
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Neulich kehrte der durchgehende Tresen für die Talk-Gäste aus der Corona-Quarantäne ins Studio zurück. Nun sind auch die Zuschauer wieder da. "Wir haben wieder Publikum seit langer Zeit zum ersten Mal", freut sich Moderator Frank Plasberg. Thema von "Hart aber fair" ist diesmal "Putins Krieg oder Krieg der Russen: Wie weiterleben mit diesen Nachbarn?" Es diskutieren folgende Gäste:

  • Marina Weisband, deutsch-ukrainische Publizistin
  • Michel Friedman, Jurist, Publizist und Fernsehmoderator
  • Gerhart Baum, Rechtsanwalt, ehem. FDP-Bundesinnenminister (1978-1982)
  • Narina Karitzky, in Moskau aufgewachsen, leitet seit 2011 in Bonn eine Schule für russische Sprache und Kultur für Kinder und Jugendliche
  • Stefan Creuzberger, Historiker; Professor für Zeitgeschichte an der Universität Rostock; Buchautor "Das deutsch-russische Jahrhundert"
  • Im Einzelinterview: Fritz Pleitgen, ehem. ARD-Korrespondent in Moskau und Washington

Die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband stellt erst einmal klar, dass das Thema der Sendung für die russisch sprechende Diaspora, die ja aus Bürgern diverser ehemaliger Sowjetstaaten besteht, keine wirklich neue Frage ist. "Es ist ja nun nicht der erste Angriffskrieg, den Putin führt." Spätestens seit 2014 gebe es einen riesigen Riss. Da würden Brüder nicht mehr mit Schwestern sprechen und Eltern nicht mehr mit Kindern, "weil die Realität so krass auseinander driftet, je nachdem ob man russischen Fernsehen schaut oder nicht."

Die Menschen seien anfällig für Propaganda und wohl auch für das, was sie glauben wollen. Und sie lässt durchblicken, dass sie Realitätsverdrängung auch beim Westen beobachtet. "Mit was für einer Naivität muss man 2022 herangehen, um zu sagen: Das habe ich nicht kommen sehen.“

Für die aktuell zögerliche Haltung von Deutschland, was Waffenlieferungen angeht, bringt sie aber durchaus "ein Stück weit" Verständnis auf. Das liege in der deutschen Geschichte begründet. Aber heute gelte eben: "Es gibt keine Neutralität. Wenn Du ein Verbrechen ansieht und du kannst etwas tun, tust aber nichts, bist Du auf der Seite des Aggressors." Das müssten die Deutschen trotz allem Pazifismus reflektieren als demokratische Gesellschaft.

"Wenn ich Frieden will, kann ich diesen Frieden nicht immer dadurch erreichen, dass von mir keine Gewalt ausgeht."
Marina Weisband

Wenn ein Erwachsener ein Kind verprügele, müsse man ja auch eingreifen und zur Not die Hand gegen den Erwachsenen erheben, um das Kind zu schützen, sagt Weisband. Im übertragenen Sinne gelte das auch für die Ukraine. "Der Weg zum Frieden führt an der Stelle über Entschlossenheit und die Unterstützung der Ukraine bei ihrer legitimen Selbstverteidigung." Es gelte jetzt, ein Zeichen zu setzen in Richtung von Putin und allen möglichen Nachahmern: "'Wenn Du ein Diktator bist, der sich gerne ein schwächeres, kleines Land annektieren will, vergiss es! Es wird teurer als Du es dir leisten kannst, lass es lieber gleich bleiben.' So sorgt man für Frieden in der Welt."

Michel Friedman sieht Kriege als Zeichen von Schwäche.
Michel Friedman sieht Kriege als Zeichen von Schwäche.bild: screenshot ard

Für den Publizisten und TV-Moderator Michel Friedman ist Krieg eine Taktik für "Diktaturen, die schwach sind", um sich zu stärken. Und eine eingeblendete Grafik zeigt, dass Putins Popularitätswerte beim Angriff auf Georgien oder der Annexion der Krim in der Tat gestiegen sind. Aktuell hat er 82 Prozent Rückendeckung.

"Es ist unzweifelhaft, dass Kriege Diktatoren helfen", bilanziert Friedmann. Der Beginn des jetzigen Krieges sei schon 2014 mit der Annexion der Krim passiert. "Wir wollten nur nichts damit zu tun haben.“ Direkt danach wurde die Umsetzung von Nord Stream 2 beschlossen. "Diese Doppelzüngigkeit der Politik rächt sich jetzt."

"Putin hat sich kaum verändert, verändert hat sich aus vielerlei Gründen unsere Betroffenheit."
Michel Friedman
Historiker Stefan Creuzberger sieht bei vielen Russen "ein Trauma".
Historiker Stefan Creuzberger sieht bei vielen Russen "ein Trauma".bild: screenshot ard

Historiker Stefan Creuzberger gibt Friedman leicht kontra und verweist darauf, dass es durchaus nach der Krim-Krise politische Reaktionen gegeben habe. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätte versucht "eine Sanktionsfront zu schmieden", das sei aber in der EU schwierig gewesen. Was die hohen Zustimmungswerte für Putin angehe, macht er auch die repressive Politik verantwortlich. "Was erwarten wir denn?" Für kritische Äußerungen könne man bis zu 15 Jahre in Haft kommen. Andererseits gibt er auch zu, dass der Zerfall der Sowjetunion für viele Russen "ein Trauma" gewesen sei und Putin ihnen nun eine Rückkehr in bessere Zeiten verspreche.

Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kritisiert Olaf Scholz (SPD).
Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kritisiert Olaf Scholz (SPD).bild: screenshot ard

Auch der ehemalige FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum glaubt, dass Putin seine Bürger mit Versprechungen von einem Großrussland erfolgreich umgarnt. "Er verführt das Volk mit einem Mythos und sagt: 'Ich rette Euch', das ist ganz perfide – was würden die Russen sagen, wenn sie die Wahrheit wüssten?“

Er habe so etwas in seinem langen Leben noch nicht erlebt, dass ein Land mit Veto-Recht im Weltsicherheitsrat die ganze Weltordnung angreife. Putin sei getrieben von der strategisch angelegten Expansionspolitik. "Er wird weitergehen. Mit ihm ist kein Frieden möglich. Ich empfinde das als tiefe Zäsur auch in meinem Leben.“ Und dieser Zäsur erwartet er auch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Umgang mit einigen seiner Parteigenossen. "Wir müssen erwarten, dass die sogenannten Russlandversteher, die uns jahrelang genervt haben, jetzt zur Wahrheit finden. Ich habe das Gefühl, Scholz nimmt darauf Rücksicht, das darf nicht sein."

Narina Karitzky bringt Kindern in Bonn russische Sprache und Kultur bei.
Narina Karitzky bringt Kindern in Bonn russische Sprache und Kultur bei.bild: screenshot ard

Auf Distanz zu ihrem Heimatland geht die gebürtige Moskauerin Narina Karitzky. Und das, obwohl sie seit 2011 in Bonn eine Schule für russische Sprache und Kultur leitet. "Natürlich ist das nicht mehr der Krieg von Putin, es ist Russlands Krieg. Leider." Es sei ein "Großteil der Bevölkerung, der dahinter steht". Sie selbst spricht im Moment ungern russisch in der Öffentlichkeit, weil sie "als Russin im Moment ein sehr schlechtes Gefühl habe und ich schäme mich".

In einem vorher aufgezeichneten Interview spricht Frank Plasberg mit dem ehemaligen ARD-Moskau-Korrespondenten Fritz Pleitgen.
In einem vorher aufgezeichneten Interview spricht Frank Plasberg mit dem ehemaligen ARD-Moskau-Korrespondenten Fritz Pleitgen. bild: screenshot ard

Ungetrübter ist da das Verhältnis von Fritz Pleitgen zu Russland. Ganz ungewöhnlich für "Hart aber fair" hat Plasberg das Interview mit dem ehemaligen ARD-Korrespondenten in Moskau vorher aufgezeichnet. Auch wenn er die aktuellen Entwicklungen mit großer Sorge betrachtet, steht für ihn fest: "Die Liebe zu Russland hat darunter nicht gelitten. Es ist Putins Krieg."

Allerdings erscheint Pleitgens Bild von Putin durchaus widersprüchlich. Zum einen erinnert er sich an ein Treffen mit Putin, bei dem ihm dessen "Maß an Bildung" gefallen habe, aber kurz danach sagt er:

"Ich habe immer gedacht, die Russen hätten einen besseren und zivilisierten Führer verdient gehabt."
Fitz Pleitgen

Überrascht hat ihn der Krieg aber auch sehr. "Seit über 80 Jahren kenne ich nur eine Umwelt in Frieden, was anderes habe ich mir gar nicht vorstellen wollen."

Ziemlich überraschend kommt Frank Plasberg dann in dieser Sendung Anfang Mai auf seinen Weihnachtsurlaub zu sprechen. Den verbringt er immer im selben Hotel. Dort logiert ebenfalls immer eine russische Familie. Plasberg fragt Pleitgen, wie er denn dieses Mal damit umgehen solle. "Hingehen und sprechen! Ist doch interessant, mal ihre Meinung zu hören. Ein besonders interessanter Weihnachtsurlaub. Es gibt viel zu besprechen", lautet die naheliegende Empfehlung des TV-Urgesteins. Und eigentlich hätte Plasberg da ja auch selbst drauf kommen können. Schließlich ist ja genau das sein Beruf. Und auch die Zuschauer wundern und ärgern sich über den Moderator.

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