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Premiere von "RTL direkt": Jan Hofer vergisst Baerbocks Namen – RTL reagiert

Ohne Krawatte, offenes Sakko und als Studiogast Annalena Baerbock: So startet Jan Hofer in seine erste Sendung
Ohne Krawatte, offenes Sakko und als Studiogast Annalena Baerbock: So startet Jan Hofer in seine erste Sendungbild: screenshot rtl
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Premiere von "RTL direkt": Jan Hofer vergisst Baerbocks Namen, Baerbock gratuliert Hofer zu "Let's Dance" – RTL reagiert

20.08.2021, 20:21
dirk krampitz
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Es war einer der Tage, die sich wohl ins kollektive Gedächtnis einschreiben werden. Erst über Social Media und dann auch im TV sah man verzweifelte Menschen auf dem Flughafen in Kabul, die außen auf einem startenden Flugzeug versuchen vor den Taliban zu fliehen. Es wird berichtet, dass einige von Ihnen in den Tod gestürzt sind. Später räumten der deutsche Außenminister und die Kanzlerin ein, die Entwicklung der Lage in Afghanistan völlig falsch eingeschätzt zu haben.

Der Montag war ein Tag, an dem man mit einer neuen Nachrichtensendung brillieren kann. Die Premieren-Ausgabe von "RTL Direkt" hat es hingegen bestenfalls geschafft zu irritieren.

Jan Hofer feiert Premiere mit "RTL Direkt"

Um 22.15 Uhr begrüßt der ehemalige Chefsprecher der ARD-"Tagesschau" Jan Hofer die Zuschauer.

"Guten Abend, hier ist die erste Augabe von 'RTL Direkt', dem neuen Nachrichtenformat bei RTL. Mit dem Wichtigsten des Tages, kompakt in 20 Minuten direkt aus Berlin. Wir freuen uns sehr, dass Annalena Baerbock, die Kanzlerkandidatin der Grünen, unser Premierengast ist."
Jan Hofer
Jan Hofers Haare wirken anders. Liegt es am Licht?
Jan Hofers Haare wirken anders. Liegt es am Licht?bild: screenshot rtl

Hofer steht ohne Krawatte mit offenem Sakko vor einem weiß-orangefarbenen Pult, Baerbock etwas linkisch und perspektivisch ungewohnt klein dahinter. Hofers Haare wirken rötlich-blonder als sonst, aber vielleicht ist das auch ein Problem mit der Lichttemperatur im Studio. Auch der Rest der Farben knallt ziemlich.

RTL hat vorab mit dem Interview mit Annalena Baerbock für die erste Ausgabe geworben. Da war die schnelle Eskalation in Afghanistan so noch nicht absehbar. Hofer verrät in seiner Anmoderation von Baerbock, vermutlich eher unabsichtlich, was das Problem ist: "Wir müssen zunächst über Afghanistan sprechen, bevor wir auf das Thema unseres heutigen Tages kommen." Als Nachrichtenzuschauer fragt man sich unweigerlich, wie genau der Tag von Jan Hofer und seiner Redaktion aussah, wenn sie sich gerade heute gefragt haben: "Wie Grün wird Deutschland und was kostet das?" Denn so lautet das Thema.

Aber erstmal geht es um die lebensbedrohliche Situation vieler Menschen in Afghanistan. Auch viele sogenannte Ortskräfte, also zum Beispiel einheimische Übersetzer für die Nato, fürchten nun unter den Taliban um ihr Leben. "Das lässt niemanden kalt, mich lässt es nicht kalt", sagt Baerbock und erinnert an den Antrag zur großzügigen Aufnahme afghanischer Ortskräfte, den die Grünen weitsichtig bereits vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht haben. Die Regierung hat ihn abgelehnt. Nun spricht sie sich dafür aus, schnellstmöglich "alles dafür zu tun, um die Leute auszufliegen", Visa könne man auch im Nachhinein erteilen, wenn sie in Sicherheit sind.

Ob sie eine neue Flüchtlingskrise befürchte? "Wir müssen uns besser vorbereiten als in der Vergangenheit." Insbesondere müsse man sich mit Amerika und Kanada um Kontingente für die Aufnahme von Geflüchteten absprechen. Jan Hofer will Baerbock noch zu einer Rücktrittsforderung in Richtung von Außenminister Heiko Maas (SPD) verleiten. Aber dieser Versuchung widersteht sie souverän.

"In diesem Moment geht es darum, Menschenleben zu retten – danach muss man analysieren. Wie es sein kann, dass ein Außenministerium nicht handelt, wenn es Warnungen von der eigenen Botschaft bekommt. Aber jetzt ist kein Wahlkampf."
Annalena Baerbock

Da hat die Kanzlerkandidatin mehr verstanden als die Redaktion.

Dann gibt es bei RTL Direkt vier Kurznachrichten

  • Die Stiko empfiehlt Impfungen für Kinder ab 12
  • Die nach einer Flutwelle vermissten Wanderer in der Höllentalklamm
  • Demonstrationen von Umweltschutzgruppen in Berlin
  • Start der Briefwahl

Mit Ausnahme der Stiko-Meldung hat es an diesem Tag keine der anderen Meldungen in die Hauptnachrichtenformate geschafft. Im Vergleich zu "Tagesschau", "Heute Journal" und "Tagesthemen" wirkt "RTL Direkt" noch wie das News-Magazin eines regionalen TV-Fensters.

Abschließend geht es um die Grünen und ganz vorsichtig fängt Hofer an, dass ja nicht alles gut gelaufen sei für sie im Wahlkampf. "Alles ist drin, diese Wahl ist so spannend wie noch nie. Ich trete an, um zu erneuern und werbe dafür um Vertrauen", spult Baerbock Optimismus ab. Und dann sagt die Kandidatin, die mit dem als großspurig aufgefassten Zitat "Ich komme ja aus dem Völkerrecht" für Spott gesorgt hat: "Ich komme ja aus dem Sport." Als ehemalige Trampolinspringerin, die auch Fußball gespielt hat, lasse man sich ja auch nicht von einer schlechten ersten Halbzeit entmutigen, sondern hoffe auf die zweite.

"Da geht man raus, um nochmal alles zu geben. Genauso möchte ich das Spiel drehen."
Annalena Baerbock
Annalena Baerbock wartet auf den Beitrag über eine Familie beim Einkauf im Bioladen.
Annalena Baerbock wartet auf den Beitrag über eine Familie beim Einkauf im Bioladen.bild: screenshot rtl

Dann folgt ein Filmbeitrag über die Familie Dlugosch, die mit einer RTL-Reporterin einmal im Supermarkt einkauft und einmal im Bioladen. Das Kilo Bio-Birnen kostet 4,99 Euro, die normalen nur 2,79 Euro. Auch das Bio-Hack (400 Gramm) ist mit 3,99 Euro zu 2,03 Euro fast doppelt so teuer. Insgesamt geben sie im Bioladen 244,20 Euro aus, im Supermarkt nur 159,12 Euro.

Ein solider aber auch typischer Beitrag, den man gefühlt schon diverse Male in den RTL-Sendungen "Stern TV" oder "Extra" gesehen hat. Baerbock will u.a. durch Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro und eine starke Sozialpolitik es "so regeln, dass das für alle bezahlbar ist".

Hofers kleiner Blackout

Jan Hofer hat immer mal wieder versucht Baerbocks Redefluss zu unterbrechen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Insgesamt wirkt er bei seiner Premiere auch eher wie ein freundlicher Moderator, dem jemand die Fragen aufgeschrieben hat. Und dann zeigt er auch Nerven "also Frau ..." sagt er und hat wohl einen kurzen Namensblackout bei der Grünen-Kandidatin, weil er fortfährt "... halten wir fest: Das Leben wird für die Familie Dlogusch nicht teurer?" Wenn es nach Baerbock geht, will sie dafür "einige Weichen in der Politik ändern".

Zuschauer schicken Video-Fragen

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Dann kommt eine Rubrik "Direkt gefragt". Vier Zuschauer haben über Social Media Videofragen gepostet. Zwei davon werden angehört: Erik fragt zur Massentierhaltung, (Barbock will Geld vor allem für Bauern mit guter Tierhaltung). Daniela will wissen, was die Grünen zur Stärkung von mittelständischen Betrieben planen? (Sie will vor allem für gute Bildung und Qualifizierung sorgen.)

Und Jan Hofer will noch wissen, ob Baerbock mit der Linkspartei koalieren würde. Ihr "ja" formuliert sie so: "Ich werbe dafür, dass wir möglichst stark werden und die nächste Bundesregierung anführen. Ich finde wichtig, dass demokratische Parteien vorher Gespräche nicht ausschließen."

Ein Comedian zum Schluss

Comedian Abdelkarim nimmt die Kanzler-Kandidaten aufs Korn.
Comedian Abdelkarim nimmt die Kanzler-Kandidaten aufs Korn.bild: screenshot rtl

Die Sendung wolle die Zuschauer mit einem Lächeln verabschieden, verkündet Hofer. Darum darf der Comedian Abdelkarim 1,40 Minuten über den den Wahlkampf als Boxkampf sprechen. Der Abschied von Angela Merkel ("Der ungeschlagene Weltmeister beendet seine Karriere") und die möglichen Nachfolger ("Auch ohne Merkel im Ring haben alle drei keine Chance"). Danach gibt Annalena Baerbock zu, dass ihr an manchen Tagen im Wahlkampf schon das Lachen vergangen sei. "Aber das Wichtige ist, dass das Lachen wieder zurückkommt."

Das Schlimmste kommt zum Schluss: eine Gratulation zu einem überstandenen TV-Event

Und dann sagt sie noch einen Satz, von dem man nicht weiß, wie sie ihn genau meint. Sie richtet ihn an Jan Hofer – bezogen auf sein vorheriges TV-Engagement:

"Wenn Sie sich trauen, zu 'Let's Dance' zu gehen, dann glaube ich auch, dass wir diesem Land alles zutrauen können, sich in Zukunft zu erneuern."
Annalena Baerbock

Jan Hofer hatte einige Schwierigkeiten mit dem Tanzen gehabt und schied schließlich in der siebten Sendung des TV-Tanz-Wettbewerbs aus. Eine Interpretation ihrer Aussage: Sie findet es richtig mutig, dass sich Hofer in seinem Alter noch das sportliche Tanzen vor Millionenpublikum zutraut. Und das auch noch als seriöser "Tagesschau"-Sprecher bei dem konkurrierenden Privatsender. Mal abgesehen von dem schiefen Vergleich, dass Deutschland es denn dann auch schaffen könnte, ein anderes, neues Deutschland zu werden. Puh, diese Aussage war mindestens unglücklich - und fehl am Platz. Für die Zuschauer, für Jan Hofer. Und irgendwie auch für Deutschland.

Jan Hofer selbst reagiert nun nicht weiter auf Baerbocks Anmerkung und verabschiedet sich von den Zuschauern mit einem Satz, der so klingt, als habe er lange nach seiner eigenen Abschieds-Formel als News-Anchor gesucht:

"Ihnen einen schönen Abend. Bis morgen und machen wir alle das Beste draus."
Jan Hofer

Gerhard Kohlenbach, Chefredakteur Nachrichten bei RTL News, zog nach der Premieren-Sendung gegenüber watson folgendes Fazit: "Wir sind stolz auf das Team, Jan Hofer und die großartige Arbeit, die alle Beteiligten im Vorfeld und gestern Abend geleistet haben. Wir haben das Thema des Tages, Afghanistan, mit unserem Gast Annalena Baerbock diskutiert und zusätzlich ein eigenes Thema im Gespräch mit der Kanzlerkandidatin gesetzt."

Und weiter: "Unser Ziel ist, mit 'RTL Direkt' bewusst eine Nachrichtensendung wie keine andere zu etablieren und nicht bestehende Nachrichtenformate lediglich zu kopieren. Dieses Ziel gehen wir langfristig an, als Marathon, nicht als Sprint. In der Zielgruppe der 14-49-Jährigen lagen wir am Montagabend auf Anhieb gleichauf mit den 'Tagesthemen'. Auf diesem Erfolg bauen wir auf und werden die Sendung weiterentwickeln."

Hoffen wir vor allem, dass RTL nochmal nachbessert am Verhältnis von Vorplanung und Aktualität. Dann könnte aus dieser Sendung vielleicht eine interessante Ergänzung zu den bisherigen Nachrichtensendungen werden.

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