Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: "Fossiles Embargo schwächt Putin und stärkt Demokratien"

Climate Change Activists Extinction Rebellion (XR) 'planet doctors' stage a fake CPR procedure and fake electro shock the earth as they host an Outreach Day, hosting workshops and speakers o ...
"Planet Doctors" führen am Earth Day eine vorgetäuschte Herz-Lungen-Wiederbelebung am Planeten Erde durch.Bild: picture alliance / Photoshot
Gastbeitrag

Fridays for Future: Fossiles Embargo schwächt Putin und stärkt Demokratien

22.04.2022, 12:5425.04.2022, 16:31
Annika Rittmann, gastautorin
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Noch nie passte unsere Realität so wenig zu der Erzählung einer heilen Welt. Einer Welt, in der angeblich alles eine Frage der eigenen Einstellung ist, wir die Dinge einfach positiv sehen sollen. Wir sehen, fühlen, wie immer mehr Krisen auf uns zurollen, über uns zusammenbrechen und durch unsere fehlenden Antworten immer weiter eskalieren. Krieg, Klimakrise und Pandemie treffen dadurch jetzt auf eine Welt, die schon lange mit globaler Ungerechtigkeit, Sexismus, Rassismus, sozialer Spaltung und vielen weiteren Missständen zu kämpfen hat.

Und dennoch wird nach wie vor erzählt, die Regierung habe alles im Griff. Es wird so getan, als würden Krisen unabhängig voneinander überraschend aus dem Nichts auftauchen. Es wird der Eindruck vermittelt, mit ein oder vielleicht auch zwei kleinen Veränderungen in unserem Zusammenleben würden wir das schon alles wieder in den Griff bekommen. Und von uns wird erwartet, all dies mit einer Gleichgültigkeit hinzunehmen, die schon lange nicht mehr tragbar ist, es noch nie war.

"Noch nie war offensichtlicher, warum jeder Moment unseres 'weiter so' uns tiefer in die Krise treibt."

Wie kann man von uns Gleichgültigkeit erwarten, während jeden Tag Kriegsverbrechen begangen werden? Wie kann man von uns Gleichgültigkeit erwarten, während Menschen in unserem Alter auf der ganzen Welt unter diesen eskalierenden Krisen leiden, ihr Zuhause, ihr Leben verlieren? Wie kann man von uns erwarten, es gleichgültig hinzunehmen, dass Deutschland jeden Tag diese eskalierenden Krisen weiter befeuert? Wir können nicht zuschauen.

Mehr als 38.000.000.000 Euro hat die EU an Russland seit Beginn des völkerrechtswidrigen Einmarsches in die Ukraine überweisen (Stand 21.4.2022). Seit Jahren finanzieren wir alle Tag für Tag diesen Krieg. Noch nie war offensichtlicher, warum jeder Moment unseres "weiter so" uns tiefer in die Krise treibt. Nie war offensichtlicher, wie groß die Veränderungen sein müssen, die es jetzt braucht.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Dabei ist die Aufgabe klar: Wir müssen weg von den fossilen Energien. Wir müssen aufhören, weiter russische Kohle, russisches Öl und russisches Gas zu verbrennen. Ein sofortiges fossiles Embargo schwächt nicht nur Putin, es stärkt Demokratien und ist Teil der Antwort auf eine eskalierende Klimakrise. Die Lösung heißt "Energieembargo" – ein Wort das innerhalb der letzten Wochen immer mehr zum ausgehöhlten Trendwort verkommen ist. Ein Wort, das selbst die Union nebenbei in ihren Wortschatz aufgenommen hat, ohne die Konsequenzen verstanden haben. Die Partei, die die vergangenen 16 Jahre unsere massive Abhängigkeit zu Russland aufgebaut hat und jetzt überrascht und scheinheilig tut.

"Wir stehen vor einer riesigen Systemfrage, auf die es nur eine Antwort geben kann: eine komplette Abkehr vom fossilen System."

Wenn wir es ernst meinen mit Frieden, haben wir keine andere Wahl als ein fossiles Embargo mit den dazugehörenden Konsequenzen. Wir stehen vor einer riesigen Systemfrage, auf die es nur eine Antwort geben kann: eine komplette Abkehr vom fossilen System. Das bedeutet mehr zu tun, als ein paar Windräder aufzustellen, wo es einem gerade passt. Es bedeutet ein Tempolimit und einen Einbaustopp weiterer Öl- und Gasheizungen einzuführen, genauso, wie den Ausbau von erneuerbaren Energien zu verdreifachen. Das kann nicht das Öko-Hobby-Projekt von morgen sein, sondern muss jetzt endlich mit der nötigen Schnelligkeit und Ernsthaftigkeit angegangen werden.

"Woran es tatsächlich mangelt, sind Regierungspolitiker und Parteien, die bereit sind ihren Job zu machen, anstatt weiter Pseudoargumente vorzuschieben."

Zukunftsfähige Lösungen liegen weder in der Kohle unter Lützerath, noch werden wir sie finden, wenn wir uns durch den Bau von LNG-Terminals und das Eingehen zweifelhafter Energiepartnerschaften in weitere Abhängigkeiten stürzen.

Stattdessen müssen wir ehrliche Debatten führen und beispielsweise mit Menschen aus dem Handwerk, die die Energie- und Bauwende praktisch umsetzen, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und mit Energieverbänden gemeinsam Wege finden, den Wandel zu gestalten.

Unsere gesamte Energieversorgung muss innerhalb der kommenden Jahre komplett unabhängig von fossilen Energieträgern sein. Und dazu gehört zum Unmut der SPD auch das von ihr so geliebte Gas. Und ja, liebe SPD, dazu gehört auch LNG. Da hilft auch kein Fake Nachhaltigkeitssiegel in der EU-Taxonomie mehr.

Annika Rittmann, Pressesprecherin der Hamburger Ortsgruppe bei Fridays for Future
Annika Rittmann, 19, wohnt in Hamburg und ist seit 2019 bei Fridays for Future als Pressesprecherin der Hamburger Ortsgruppe und bundesweit aktiv.Bild: fridays for future

Selbstverständlich wird das nicht einfach und stellt uns vor neue Herausforderungen. Es braucht Ausgleiche für soziale Ungerechtigkeiten, die aus diesen Maßnahmen zwangsläufig entstehen. Die Ideen und Lösungsvorschläge dafür sind schon lange da. Sich in dieser Zeit noch länger als sozialdemokratische Partei zu bezeichnen und gleichzeitig weiterhin sozial gerechte Lösungen für die Klimakrise zu blockieren, könnte man beinahe als lächerlich bezeichnen, wenn es nicht so traurig und gefährlich wäre.

Denn woran es tatsächlich mangelt, sind Regierungspolitiker und Parteien, die bereit sind ihren Job zu machen, anstatt weiter Pseudoargumente vorzuschieben oder "fake" Klimastiftungen für Ihre Gaspipelines zu gründen.

Die Frage ist schon lange nicht mehr: "Können wir uns diesen Wandel leisten?" oder "Ist die Bevölkerung bereit für Klimaschutz, Gas-Embargo und Tempolimit?". Sondern stattdessen "Wie lange können die Regierungen es noch verantworten, die Krisen unserer Zeit immer weiter zu befeuern?"

Unsere Regierung, die während eines fossile Krieges weitere Gasterminals baut, wird offensichtlich von selbst kein Embargo verabschieden. Deswegen sind wir alle gefragt, eine Politik einzufordern, die den Krisen unserer Zeit gerecht wird. Gemeinsam mit Aktivist*innen aus der Ukraine, aus Russland, von der ganzen Welt fordern wir ein sofortiges Embargo von russischen fossilen Ressourcen. Nicht weil es einfach ist, sondern, weil es richtig ist.

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