Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future kritisiert Ampel-Regierung für unzureichende Klimapolitik

Aktivisten gehen beim sechsten globalen Klimastreik von Fridays for Future (FFF) über die Kölner Ringe und halten ein Banner mit der Aufschrift "Solidarität mit allen Waldbesetzerinnen" und  ...
Wie schon für den Dannenröder Forst geht Fridays for Future an diesem Freitag auch für die Rettung des Sterkrader Waldes in Oberhausen auf die Straße.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
Gastbeitrag

Fridays for Future: "In der Klimapolitik ist viel mehr möglich, als die Ampel uns glauben lässt"

11.02.2022, 15:2812.02.2022, 08:50
Jason michalek, gastautor
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Ein Ast knackt. Unser Weg führt uns über noch taufrisches Grün, ein Tier raschelt im Dickicht. Wir genießen die Ruhe, die sich langsam um uns herum breit macht, atmen die klare Waldluft tief ein. Doch schon wenige Meter weiter werden die Bäume schmächtiger, die Stille ist auf einem Mal voller Lärm. Mitten zwischen den Bäumen taucht plötzlich eine große geteerte Straße auf. Die Autobahn ist hier völlig fehl am Platz. Sie teilt den Wald entzwei, durchbricht die eben noch so wohltuende Waldidylle.

Das ist leider kein dystopisches Szenario, sondern pure Realität: Der Sterkrader Wald in Oberhausen (NRW) wird zerstörerisch durchbrochen von dem Autobahnkreuz Oberhausen. Und ebenso wenig vereinbar wie ein Wald und eine Autobahn sind auch das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens und die tatsächliche deutsche Klimapolitik.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt ...
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt handeln.

In der Klimapolitik ist mehr drin, "als die Ampel uns glauben lässt"

Zwar erkennt die neue Regierung die Notwendigkeit zu handeln, doch der Koalitionsvertrag lässt viele Forderungen offen. Die Regierung fällt stattdessen Entscheidungen, mit denen sie die Klimakrise befeuert.

Während die Ampel die Gesellschaft glauben lässt, sie würde alles in ihrer Möglichkeit stehende gegen die Klimakrise tun, trifft sie weiterhin aktiv die Krise befeuernde Entscheidungen und lässt sinnlose Zerstörung sehenden Auges zu. Dabei ist in der Klimapolitik viel mehr möglich, als die Ampel uns glauben lässt.

Die versprochene Verkehrswende steht noch immer aus

Erkennen lässt sich das an zwei Beispielen. Erstens: Die neue Regierung wirkt der vielfach versprochenen Verkehrswende aktiv entgegen. In Deutschland hat das massive Bauen von Autobahnen Tradition. So musste im vergangenen Jahr der Dannröder Forst als Vorzeige-Ökosystem und stark umkämpfter Freiraum ausgerechnet für eine Autobahn weichen. Nun soll auch in Oberhausen der Sterkrader Wald für den Ausbau eines Autobahnkreuzes fallen. Hier soll ein schon bestehendes Autobahnkreuz erweitert werden. Der Grund dafür: Weil montags und freitags zu den Hauptverkehrszeiten Stau entsteht.

"An Waldarmut in Deutschland übertroffen wird Oberhausen nur noch von München. Der bedrohte Wald ist das letzte Waldstück im ganzen Ort."

Anstatt also Mobilität effizienter und sozial gerechter zu denken, entschied man sich kurzerhand für eine Straßenerweiterung um zwei Spuren von teilweise sechs auf acht Fahrspuren. Das geht mit einer Rodung von nicht weniger als 5000 Bäumen und 22 Hektar Böschungsfläche einher. Dabei ist die Notwendigkeit des Erhalts jeglicher Grünflächen mitten im Ruhrgebiet offenkundig. An Waldarmut in Deutschland übertroffen wird Oberhausen nur noch von München. Der bedrohte Wald ist das letzte Waldstück im ganzen Ort. Noch dazu stützt sich der Ausbau des Autobahnkreuzes auf den längst veralteten Verkehrswegeplan von 2002. Hinzu kommt: Ein aktuelles Rechtsgutachten des BUND weist nach, dass der Ausbauplan auch rechts- und verfassungswidrig ist.

Jason Michalek ist 17 Jahre alt und engagiert sich bei Fridays for Future vor allem für die Rettung des Sterkrader Waldes in Oberhausen. Neben der Organisation von Demonstrationen macht er viel Musik  ...
Jason Michalek ist 17 Jahre alt und engagiert sich bei Fridays for Future vor allem für die Rettung des Sterkrader Waldes in Oberhausen. Neben der Organisation von Demonstrationen macht er viel Musik und sein Abitur.fridays for future

Was also wird aus der versprochenen Verkehrswende, die für echte Klimapolitik unvermeidlich ist? Sie scheint auch mit der neuen Regierung bis hin zu gerichtlichen Anordnung von Aktivistinnen und Aktivsten eingefordert werden zu müssen.

Das zweite Beispiel: Die neue EU-Taxonomie, deren oberstes Ziel es war, Greenwashing zu verhindern, bewirkt nun das genaue Gegenteil. Nicht nur Atomkraft, gegen die schon seit Jahrzehnten protestiert wird, und deren Ausstieg von Deutschland schon längst eingeleitet wurde, wird nun als nachhaltig deklariert. Sondern auch Gas, das gerne als "Brückentechnologie" bezeichnet wird, aber klimaschädliches Methan ausstößt. Der Protest war von allen Seiten ist groß. Doch der selbsternannte Klimakanzler schaffte es, einen klimapolitischen Rückschritt in Brüssel voranzubringen und Greenwashing für Konzerne noch einfacher zu gestalten.

Deutschland als großer Treiber der Klimakrise muss endlich handeln

Dank dem Zutun der deutschen Bundesregierung, der alten wie der neuen, ist es für Staaten und Konzerne plötzlich deutlich einfacher, auf dem Papier Klimaneutralität zu erreichen, aber im gleichen Atemzug durch Investitionen die Klimakrise zu befeuern.

Bereits an diesen beiden Beispielen zeigt sich unverkennbar eine unzureichende Klimapolitik, die in Schemata der alten Regierung agiert. Wichtig ist jetzt, den sich stetig verkürzenden Zeitraum zu nutzen, um die Klimakrise weitestgehend einzudämmen. Insbesondere Deutschland als einer der Treiber der Klimakrise muss handeln und darf nicht mit dem Finger auf die "Entwicklungsländer" zeigen.

"Es ist an der Zeit, die Verantwortung für unser Tun zu übernehmen. Nicht um als Helden aufzutreten, die die Welt retten und den 'schwächeren' Ländern großzügig ungebetene Hilfe leisten, sondern um die Klimakrise an zahlreichen Orten in Deutschland selbst anzugehen."

Es gibt etliche Schauplätze innerhalb Deutschlands, die einen Scheideweg für oder gegen eine ernsthafte Klimapolitik darstellen. An Orten wie dem Dannröder Forst war die getroffene Entscheidung enttäuschend eindeutig und tödlich. An anderen, aktuell umkämpften Stellen, wie Lützerath oder eben dem Sterkrader Wald, bedarf es nun einer Handlung von konsequenter Klimapolitik. Es ist an der Zeit, die Verantwortung für unser Tun zu übernehmen. Nicht um als Helden aufzutreten, die die Welt retten und den "schwächeren" Ländern großzügig ungebetene Hilfe leisten, sondern um die Klimakrise an zahlreichen Orten in Deutschland selbst anzugehen und nicht weiterhin samt Auswirkungen zu externalisieren.

Doch das braucht selbst unter einer selbsternannten Klimaregierung weiterhin unermüdliche Proteste, die diese Missstände aufzeigen und unnachgiebig eine konsequente Bekämpfung der Klimakrise einfordern. Abzubaggernde Dörfer werden von Aktivisten mit neuem Leben gefüllt, Wälder werden an unzähligen Stellen besetzt, Beschlüsse der EU-Kommission werden als Greenwashing enttarnt.

5000 Bäume sollen für die Erweiterung des Autobahnkreuzes gerodet werden.
5000 Bäume sollen für die Erweiterung des Autobahnkreuzes gerodet werden. fridays for future

Und am 25. März wird zum bedauerlicherweise zehnten Mal auf der gesamten Welt demonstriert. Fridays For Future wird erneut weltweit auf die Straße gehen und Klimagerechtigkeit einfordern. Denn obwohl es auf den ersten Blick so scheinen mag: Der Koalitionsvertrag und bislang angekündigte Maßnahmen der Ampelregierung sind alles andere als ausreichend und können so nicht hingenommen werden.

Um den Sterkrader Wald zu retten, gehen wir an diesem Freitag in Oberhausen auf die Straße und fordern die klimagerechte Verkehrswende ein, die schon lange versprochen, jedoch bei Weitem nicht umgesetzt wurde.

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