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Comedian Aurel Mertz: "Innenminister haben mich als staatszersetzend bezeichnet"

Comedian Aurel Mertz hat einen neuen Podcast gestartet: In "Das Aurel Update" lässt er die Woche Revue passieren.
Comedian Aurel Mertz hat einen neuen Podcast gestartet: In "Das Aurel Update" lässt er die Woche Revue passieren.bild: spotify
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Comedian Aurel Mertz: "Wenn Schwarze gegen Rassismus kämpfen, dann müssen sich auch Weiße beteiligen. Es kann nicht sein, dass die Opfer den Kampf allein führen müssen"

05.03.2021, 19:3810.03.2021, 10:47
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"Typisch Deutschland, entdeckt locker machen ausgerechnet in ner Pandemie", schreibt Aurel Mertz in seinem neuesten Tweet. Typisch Mertz, der sich auf Twitter immer wieder mit schmerzhaft treffenden Kommentaren zum aktuellen Geschehen äußert und mit unterhaltsamen Videos auf Instagram gesellschaftliche und politische Probleme kritisiert. Mit seinem Satire-Video über Polizeigewalt löste der Berliner Comedian, Moderator und Schauspieler, im vergangenen Jahr jedoch einen kleinen Eklat aus.

Nun gibt es seinen Podcast "Das Aurel Update", in dem er die Woche Revue passieren lässt. Watson hat mit ihm über das Rassismus-Problem in Deutschland, sein Satire-Video zu Polizeigewalt und Kritik in sozialen Netzwerken gesprochen.

Über Aurel Mertz
Aurel Mertz startete im August 2019 für das öffentlich-rechtliche Medienangebot "Funk" seine Comedy-Serie "Aurel". In seinen Videos spielt er einen jungen Mann, der von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen stolpert. Darin thematisiert er immer auch aktuelle, gesellschaftliche Themen. Inzwischen folgen ihm auf Instagram auf seinen beiden Accounts "aureloriginal" und "aurelmertz" insgesamt rund 160.000 Menschen.
"Wenn man etwas verändern will, dann braucht man die Mehrheitsgesellschaft hinter sich."

watson: Sie haben im Sommer mit einem Video für kontroverse Reaktionen gesorgt, in dem Sie rassistische Strukturen anprangern. Kürzlich gab es Aufregung rund um die WDR-Sendung "Die letzte Instanz", in der rassistische Ausdrücke verteidigt wurden – und in der niemand widersprach. Fühlen Sie sich in Ihrem Blick auf die Gesellschaft bestätigt?

Aurel Mertz: Bei der Sendung habe ich mich entsetzt gefragt: Wie kann das denn sein? Das hat mich richtig erschlagen. Es ist klar, dass vielen Leuten bei bestimmten Begrifflichkeiten das Verständnis fehlt. So ein Sender wie der WDR sollte das historische Verständnis aber schon haben. Wenn da zum Beispiel in einem Satz fällt, dass Begriffe wie das Z-Wort oder das N-Wort in keinem negativen Kontext entstanden sind, dann verharmlost das sowohl den Massenmord an Sinti und Roma als auch das Kolonialerbe.

Wie stehen Sie zur Debatte, die seitdem in Deutschland entstanden ist?

Das war ein starkes Twitter-Thema und ich kann nicht beurteilen, wie weit es das rausgeschafft hat aus dieser Blase. Wenn man etwas verändern will, dann braucht man die Mehrheitsgesellschaft hinter sich. Thomas Gottschalk wäre jemand, der sie erreichen könnte. Schade, dass gerade er, der auch eine andere Generation erreichen könnte, seine Reichweite nicht genutzt hat.

"Wenn man jung ist, ist man häufiger noch eher bereit, zuzuhören, eher bereit, Dinge zu verändern."

Mittlerweile hat Gottschalk ja immerhin gesagt, dass er das Z-Wort nicht wieder nutzen will – aber eine Entschuldigung kam ihm nicht über die Lippen. Ist Rassismus denn ein Thema, das von unterschiedlichen Generationen verschieden wahrgenommen wird?

Absolut. Das hängt auch mit Lernwilligkeit zusammen. Wenn man jung ist, ist man häufig noch eher bereit, zuzuhören, eher bereit, Dinge zu verändern. Aber es ist nicht nur ein Generationen-Problem, sondern auch ein Bubble-Problem.

Was meinen Sie damit?

Es ist nicht gut, dass wir immer in geschlossenen Räumen sitzen und mit denselben Leuten diskutieren. Um solche Themen auch anderen Generationen nahezubringen, braucht es auch viele Gespräche im Bekannten- und Familienkreis, die oft einfach nur ätzend sind. Das ist viel Arbeit.

"Wenn Schwarze gegen Rassismus kämpfen, dann müssen sich auch Weiße beteiligen. Es kann nicht sein, dass die Opfer den Kampf allein führen müssen."

Haben Sie das Gefühl, dass sich die Arbeit auch lohnt und die Gesellschaft beim Thema Rassismus vorankommt?

Um etwas zu verändern, braucht man die Mehrheitsgesellschaft. Wenn man gegen Sexismus kämpft, dann müssen sich auch Männer dagegen einsetzen. Wenn Schwarze gegen Rassismus kämpfen, dann müssen sich auch Weiße beteiligen. Es kann nicht sein, dass die Opfer den Kampf allein führen müssen. So funktioniert das nicht.

Aber ist das denn noch so?

Speziell im letzten Sommer habe ich gemerkt, dass es wirklich eine Veränderung des Verständnisses der Menschen insgesamt gibt. Oft sind die Leute, die sich intensiv damit auseinandersetzen immer noch die Leute, die sich schon lange damit beschäftigen.

"Wenn man versucht, etwas fair zu machen, bekommen die Menschen Angst, dass sie zu kurz kommen."

Wieso läuft das bisher so?

Ich glaube, wir haben manchmal ein Problem mit unserer Auffassung von Gleichberechtigung. Ich fand es interessant, als da im letzten Jahr ein Liberaler getwittert hatte, dass er kostenlose Einwegrasierer und Rasierschaum fordert, wenn Frauen kostenlose Tampons fordern. Das ist eine komische menschliche Eigenschaft: Wenn man versucht, etwas fair zu machen, bekommen die Menschen Angst, dass sie zu kurz kommen.

Ist diese Angst denn nicht auch irgendwie menschlich?

Die Wahrheit ist doch: Wir sind so weit davon entfernt, dass die Mehrheitsgesellschaft in irgendeiner Form zu kurz kommt. Gleichberechtigung bedeutet, dass erstmal alle die gleichen Möglichkeiten haben. Dass Frauen nicht benachteiligt werden, dass schwarze Menschen genauso Wohnungen bekommen wie andere. Wir versuchen gerade erstmal, das Spielfeld auszugleichen.

Auf Instagram und Twitter sind Sie für Ihre Comedy bekannt, mit der Sie immer auch aktuelle Themen ansprechen. Ähnlich ist Ihr neuer Podcast "Das Aurel Update" aufgebaut. Erreichen Sie dadurch auch diejenigen unter den jungen Menschen, die sich sonst nicht mit Politik und gesellschaftlichen Debatten auseinandersetzen?

Auf meine Posts antworten mir viele Leute, dass das ihr Erstkontakt mit einer Nachricht war. Ich glaube, dass das eine schöne Art und Weise ist, Leute über Themen zu informieren, die sie sonst vielleicht nicht mitbekommen würden. Man konnte es sich lange erlauben, sich nicht mit Nachrichten auseinanderzusetzen und politikverdrossen zu sein. Inzwischen sind gesellschaftliche Themen dafür aber zu relevant.

Ein Thema, das im vergangenen Jahr das Leben vieler auch junger Menschen auf unschöne Art verändert hat, ist die Corona-Pandemie.

Das stimmt. Aber je größer der gesellschaftliche Diskurs ist, umso einfacher ist es für mich, das zu verarbeiten. Mich motiviert die Aufgabe, aus einem Thema, das tragisch ist oder das man nicht mehr hören kann, etwas rauszuholen, über das man schmunzeln kann. Die Pandemie ist ein totaler Ausnahmezustand. Probleme, die wir gesellschaftlich haben, werden nochmal verschärft. Die Menschen haben gerade ein besseres Grundverständnis für die Themen, weil sie sich insgesamt mehr informieren. Dadurch wird es für mich leichter. Ich ziehe meine Kreativität als Comedian gerne aus gesellschaftlichen Themen.

Satire-Video zum Racial Profiling
In dem Satire-Video, das im vergangenen Jahr für Aufregung sorgte, sieht man, wie Aurel Mertz versucht, ein Fahrradschloss zu öffnen. Zwei Polizisten beobachten ihn und diskutieren darüber, ob es sich um ein Verbrechen handeln könnte. Aurel Mertz beteuert, dass es sein Fahrrad ist. Doch die Polizisten kommen zu dem Schluss: Seine Hautfarbe ist schwarz, also muss er kriminell sein. Daraufhin wird Aurel Mertz erschossen. Am Ende des Videos merken die Polizisten, dass er Socken in Sandalen trug und schließen daraus, dass er doch Deutscher war. Jetzt trauern sie um den Toten.

Hintergrund des Videos war die Forderung nach einer Racial Profiling Studie. Denn: Racial Profiling gilt als großes Problem. Der Polizei wird vorgeworfen, Menschen nach Merkmalen wie Hautfarbe, Religion oder Herkunft zu beurteilen. Innenminister Horst Seehofer hatte sich kurz vor der Veröffentlichung des Videos gegen eine Studie zum Racial Profiling innerhalb der Polizei ausgesprochen. Das Video wurde nach Veröffentlichung kontrovers diskutiert.

Um nochmal auf Ihr Video zu rassistischer Polizeigewalt zu sprechen zu kommen, für das Sie damals extrem viel Aufmerksamkeit bekommen haben. Wie war es für Sie, so einen heftigen Shitstorm wegen des Videos abzukriegen?

In dem Moment, in dem sich die ersten Journalisten darauf gestürzt haben, wusste ich, es geht bergab. Ich wusste aber auch, dass wir uns aus satirischer Sicht nichts vorzuwerfen haben. Wir hatten ein Problem in Bezug auf die von Seehofer abgesagte Racial-Profiling-Studie aufgegriffen, es war gesellschaftlich relevant und offensichtlich satirisch überspitzt.

Kritiker fanden Ihre Darstellung von Polizistinnen und Polizisten allerdings menschenverachtend, weil diese pauschal rassistisch dargestellt würden…

Wir schauen sehr genau darauf, dass wir nicht nach unten treten und keine Minderheiten diskriminieren, sondern dass wir nach oben treten. Und wenn ein einzelner Comedian wie ich ein staatliches Organ kritisiert, dann ist das klar nach oben treten.

"Innenminister haben mich als staatszersetzend bezeichnet – das war komplett absurd, aber auch ein bisschen cool."

Heftige Kritik auch in sozialen Netzwerken – das kennen viele junge Menschen. Was hat es mit Ihnen gemacht, als Ihr Video immer mehr negative Aufmerksamkeit bekam?

Da kommen erstmal Menschen, die dich beleidigen und dir Morddrohungen schicken, aber du bekommst auch schnell Solidaritätsbekundungen. In dem Fall saß ich dann nur noch da und habe mir angeschaut, welche absurden Züge alles annimmt. Innenminister haben mich als staatszersetzend bezeichnet – das war komplett absurd, aber auch ein bisschen cool. In dem Fall haben wir dazu noch ein gesellschaftliches Problem in der Beziehung zwischen Politik und Medien aufgedeckt.

Welches denn?

Dass Politiker denken, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht dazu da ist, gegen den Staat Satire zu machen. Obwohl das beim unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk genau das Ding ist, dass er eben auch ein staatliches Organ kritisieren kann.

Zum Abschluss ein Blick nach vorne: Haben Sie aus dem ganzen Wirbel etwas für Ihre Zukunft gelernt?

Ich habe gemerkt, dass ich zum Glück stabil genug bin, um so einen Diskurs auf meinem Rücken auszuhalten, wenn er dann zum Guten führt. Es war offenbarend dafür, wie alle noch in alten Denkmustern agieren.

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