Nachdem die Wiederholung der WDR-Sendung "Die letzte Instanz" kürzlich für einen immensen Backlash gesorgt hatte und immer noch sorgt, hat Enissa Amani nun mit ihrer eigenen Sendung "Die beste Instanz" eine Antwort geliefert.
Zur Erinnerung: In der WDR-Show kamen unter anderem Janine Kunze und Thomas Gottschalk zu Wort. Gemeinsam diskutierte das aus weißen Menschen bestehende Panel über rassistische Begriffe mit dem Ergebnis, dass sie sie für nicht rassistisch oder verletzend halten. Den Gästen wurde im Nachgang vorgeworfen, mit dem Thema Alltagsrassismus unkritisch, naiv und empathielos umgegangen zu sein.
Auch Amani hatte sich bereits auf Social Media zu "Die letzte Instanz" zu Wort gemeldet, befand jedoch, dass es damit nicht getan sei. Sie lud fünf Expertinnen und Experten ein, die ihrerseits über Aspekte von Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus sprachen, von persönlichen Erlebnissen berichteten und diskriminierende Sprache wissenschaftlich einordneten.
"Wir sind nicht hier, um darüber zu sprechen, ob es Rassismus gibt. Sondern in diesem Talk wird klar am Anfang gesagt: Rassismus gibt es, das muss klar benannt werden und wir möchten verschiedene Aspekte davon beleuchten", eröffnet Amani den Talk und fragt den Autor und Lyriker Max Czollek gleich zu Beginn, warum hierzulande an rassistischen Schimpfwörtern beharrlich festgehalten wird.
Und der begründet das mit einer weißen Dominanzkultur, die eine gewisse Arroganz besitzt: Was man sieht, das ist wahr, was man nicht sieht, das existiert auch nicht. In diesem Fall eben Verletzbarkeit durch rassistische Sprache.
Nach dieser Einführung wird Bezug auf die WDR-Sendung genommen, in der es um eine rassistische Fremdbezeichnung gegenüber Sinti und Roma ging. Amanis Gast Gianni Jovanovic, der Roma-Aktivist ist, erklärt: "Dieses Wort ist eine Sammelbezeichnung, die viel damit zu tun hat, dass Menschen eine Art von Projektionsfläche brauchen, um ihr eigenes Verhalten zu rechtfertigen und in der Machtposition zu bleiben, in der sie stehen." Das Z-Wort steht für Gewalt, Stereotypisierung und den Genozid an Sinti und Roma und ist damit ein re-traumatisierendes Wort.
Der freie Journalist Mohamed Amjahid pflichtet bei und nimmt Bezug auf die Macht von Sprache und Fremdbezeichnung in der deutschen Geschichte:
Enissa Amani räumt ihren Gästen in "Die beste Instanz" viele Redeminuten ein, unterbricht sie jedoch auch immer mit anekdotischen Passagen. So gebe es die Diskussion um sogenannte "Racial Slurs" nicht nur in Deutschland, auch in den USA und im Iran diskutiere man über die jeweiligen Worte, denn "in zigtausend Ländern werden zigtausend Sachen falsch gemacht." Amani verdeutlicht weiterhin:
Weitere Punkte aus der WDR-Sendung wurden indirekt in die Diskussion aufgenommen. So geht es später um die Bezeichnung "Alman", das arabische Wort für "Deutsch". Amani lässt sozusagen wie in "Die letzte Instanz" abstimmen: Darf man Alman sagen?
Die Schwarze Feministin, Kuratorin und Autorin Natasha A. Kelly findet hierzu besonders deutliche Worte: "Menschen sind nicht gestorben, weil sie Alman genannt wurden." Anders sei das beim N-Wort und dem damit zusammenhängenden Machtgefälle gewesen, insgesamt müsse man die Herkunft von verschiedenen rassistischen Fremdbezeichnungen unterscheiden. Auch Mohamed nennt ein eindrückliches Beispiel:
Es ist die jeweilige Entmenschlichung des Begriffs, die hinter den Fremdbezeichnungen steckt. Hinter dem Begriff Alman stecke allerdings keine Entmenschlichung oder Diskriminierung, es sei eine Art und Weise, Unmut über Machtkomponenten in der Gesellschaft zu reflektieren.
Auch, dass in der WDR-Sendung belächelt wurde, dass die M-Straße in Berlin umbenannt wurde, ist Kelly besonders negativ in Erinnerung geblieben. Denn den Kampf um die Sichtbarmachung von strukturellem Rassismus kämpfen People of Color in Deutschland schon seit Jahrzehnten.
Nun solle der WDR aber nicht durch "Die beste Instanz" lernen, wie man am besten zumindest einen Angehörigen einer Minderheit in Diskussions-Panels einlädt, stellt der Lyriker Max Czollek heraus, denn die werden dazu gebracht, immer wieder auf die gleichen Fragen zu Antworten und um rassistische Geschichten zu reproduzieren. "Das ist auf einer Basis, auf die ich mich nicht einlasse, weil ich damit nicht weiterkomme."
Stattdessen befinde sich die Gesellschaft schon auf einem anderen Level, nämlich auf dem, dass sich zu Sendungen wie der im WDR Gegenwehr bilde: "Wir kommen jetzt, wir übernehmen den Laden. Und wenn die Öffentlich-Rechtlichen sich darauf nicht einstellen, dann spielen die keine Rolle mehr", sagt Czollek.
Das nimmt wiederum auch Amjahid auf und stellt fest, dass eine solche Talkrunde, wie sie im WDR stattfand, in den 60ern keine Kritik erfahren hätte: "Man kann keine Worte verbieten, aber heute gibt es eben Gegenwehr. Meine Eltern hatten nicht die Möglichkeit zu sagen, wir gehen zu Enissa und reden darüber. Jetzt hat es sich geändert."
Mit der Bildungsreferentin Nava Zarabian redet Amani schließlich auch über rassistischen Sexismus, darüber, dass Schwarze Frauen gerne als zu laut und emotional wahrgenommen werden: "Es ist eine lobende Kritik zu hören, als Person of Color zu Rassismus gesprochen zu haben und ruhig und sachlich geblieben zu sein. Aber warum soll ich das sein? ich habe diese Wut." In dem Zusammenhang kommt Nava auf die rassistisch motivierten Anschläge in Hanau zu sprechen und bemängelt, dass die Trauerzeit der Community nicht wahrgenommen, sondern wenige Tage später Karneval gefeiert wurde.
Schließlich gehe es Enissa Amanis Gästen nicht um Integration, sondern um Partizipation an einer diversen Gesellschaft. Integration, so erklärt Mohamed, sei nicht umsetzbar: "Integration bedeutet, dass junge Menschen sich an ein Ideal halten müssen. Das Ideal ist aber nicht ideal, es gibt hier menschenfeindliche Parteien und es herrscht diskriminierende Sprache." Stattdessen fügt er hinzu:
Schließlich kommt die gesamte Runde darin überein, dass Diskussionen wie in "Die letzte Instanz" keine Einzelfälle sind. Strukturellen Rassismus gebe es auch nach dem Kriegsende noch, deshalb sei Amanis Talkrunde auch essenziell gewesen.
Zu Beginn der Youtube-Premiere von "Die beste Instanz" sahen 2100 User zu, am Ende waren es über 4700, Enissa Amani war zeitgleich im Chat und bedankte sich bei ihrer begeisterten Community: "Vielleicht mache ich das jetzt regelmäßig", lautete ihr abschließendes Statement in ihrer Talkshow – das fast schon wie eine Drohung in Richtung WDR gedeutet werden konnte.