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Gastbeitrag: Deshalb sind die Klimacamps für Fridays for Future so wichtig

Eine Demo von Fridays for Future in Bonn.
Eine Demo von Fridays for Future in Bonn. Bild: www.imago-images.de / Dominik Bund
Gastbeitrag

"Wir lassen nicht locker, lassen uns nicht vertreiben": Warum Klimacamps für Fridays for Future so wichtig sind

02.07.2021, 14:2902.07.2021, 14:37
marcel b., gastautor
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Vor einem Jahr, am 1. Juli 2020, kam es zur Anmeldung einer Versammlung mit offenem Ende – direkt am Rathausplatz in Augsburg. Aus der Demonstration mit Übernachtung und der Ratshausblockade mit anschließendem Polizeikessel sollte sich bald eine Art befestigtes Dorf mit Sitzflächen, Grünanlagen, Holzhäuschen, Küche und Solaranlage entwickeln: das Klimacamp.

Ursprünglicher Auslöser war das zu dieser Zeit diskutierte Kohleausstiegsgesetz, laut dem mit einem Ende des Klimakillers Kohle nicht vor dem Jahr 2038 zu rechnen wäre.

Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich herausstellte, dass es beim Projekt Klimacamp um mehr geht als ein simples "dagegen".

Die Aktivisten und Aktivistinnen begannen schnell, das Campen im öffentlichen Raum zu nutzen, um diesen zu einem Ort der demokratischen politischen Praxis umzugestalten.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt ...
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt handelnnull / watson

So nutzte die Bewegung die Camps:

Menschen können dort nicht nur individuelle Ideen und Visionen in Plena austauschen, sondern auch ein breites Programm an Workshops und Wissensvermittlung erleben, von wissenschaftlichen Vorträgen über Kletter-Skillshares und räumlicher Gestaltung mit zum Beispiel Platzparks bis hin zum Zusammenhang von Klimapolitik und Kolonialismus, Antifaschismus und Feminismus.

Immer wieder erwies sich das Camp dabei als wichtige Plattform der Vernetzung und Mobilisierung für Aktionen, etwa den regelmäßigen Aktionstrainings für "Ende Gelände", oder der gemeinsamen Anreise zum und dem Erfahrungsaustausch über die Waldbesetzung im Dannenröder Forst. Hier beweist sich die Bedeutung eines öffentlichen Raumes mitten in der Stadt.

Wir sehen das großartige Potenzial, welches ein Ort für Vernetzung und Koordination von Aktivistinnen und Aktivisten birgt. Außerdem haben wir die Möglichkeit, unsere Inhalte und Belange öffentlichkeitswirksam zu vermitteln, zu reflektieren und sichtbar zu machen.

Es entstehen weiterhin neue Camps

Gemeinsam mit Besucherinnen und Besuchern aus allen Ecken Deutschlands gelang und gelingt es dem Klimacamp so, nicht nur als Knotenpunkt der politischen Meinungsbildung zu wirken, sondern auch als Ausgangspunkt für die Erprobung neuer, kreativer Protestformen, egal ob Kunstaktionen, Musik oder die innerstädtische Besetzung von Bäumen durch den Bau von Baumhäusern in Ravensburg und die Errichtung weiterer Klimacamps in Städten wie Nürnberg oder Hamburg. Und immer noch kommen regelmäßig neue Camps dazu!

"Wir lassen nicht locker, lassen uns hier nicht so schnell vertreiben."

Das einjährige Bestehen beweist aber vor allem eines: Hartnäckigkeit. Es ist uns gelungen, sowohl den Herausforderungen durch die Coronakrise, als auch denen eines Winters mit Temperaturen bis zu –17 Grad Stand zu halten. Wir lassen nicht locker, lassen uns hier nicht so schnell vertreiben, denn: Die Klimakrise bleibt bestehen.

Sie bleibt bestehen als globales Problem, das eng verwoben mit einer Vielzahl weiterer gesellschaftlicher Konflikte wie Rassismus und Sexismus nichts weniger darstellt, als die dringlichste Krise unserer Zeit.

Ein Jahr schon halten wir nun den Zeigefinger auf diese Krise gerichtet. Alles bisher in diesem Text gesagte legt nahe: Wir tun das mit Erfolg. Zu behaupten, es sei in diesem Jahr – seit Errichtung des ersten Klimacamps – nichts passiert, wäre falsch.

Dennoch: Aller Energie zum Trotz, die in den letzten Monaten in unseren Aktivismus floss und fließt – realpolitisch hat sich kaum etwas bewegt. Keiner Partei ist es bisher gelungen, ein Programm zu entwickeln, das der Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze gerecht werden würde. Stattdessen geben sich Parteien wie die CDU/CSU alle Mühe, andere zu diffamieren oder ihre leeren Worte im Bezug auf Klimaschutz hoch zu loben.

"Momentan erleben wir aber eine Politik gestaltet von Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen, die ihre Verantwortung abschieben, statt effizient und klimagerecht zu handeln."

Wir können zum Beispiel die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Unzulänglichkeit des Klimapakets der Bundesregierung als Erfolg betrachten. Momentan erleben wir aber eine Politik gestaltet von Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen, die ihre Verantwortung abschieben, statt effizient und klimagerecht zu handeln. Doch Politik ist so viel mehr als die Institutionen, die wir kennen und die uns prägen. Politik ist das Zusammenkommen von Menschen und Meinungen – wie hier im Klimacamp.

Die Erfahrung lehrt uns: Der Kampf für Klimagerechtigkeit, und alles, was diese letztendlich mit sich bringt, bleibt Handarbeit. Nicht zuletzt mit dem Altdorfer Wald und den Räumungsaktionen im Forst Kasten bei München beweisen Regierungskoalitionen welcher Farbe auch immer, dass sie lieber weiter leere Versprechen machen, statt wirklich zu handeln. Sie stellen weiter die Interessen von Konzernen und einigen wenigen über die Gegenwart und Zukunft so vieler Menschen.

Deshalb gehen wir auf die Straßen und campen auch solange, bis gehandelt wird. Die Bundestagswahl im September wird über die Klimapolitik der nächsten Jahre und damit unsere Zukunft entscheiden. "Business as usual" können wir uns nicht mehr leisten. In diesem Sinne rufen auch wir zum nächsten globalen Klimastreik am 24. September, zwei Tage vor der Bundestagswahl, auf, um den Kampf überall auf die Straßen zu bringen.

Über den Autor
Marcel ist 25 Jahre alt und Klimaaktivist in Augsburg. Er engagiert sich vor allem im dortigen Klimacamp. Nebenbei studiert er und ist freier Künstler.
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Das Jahr 2015 war ein historisches für den Klimaschutz: Auf der Pariser Klimakonferenz einigten sich die Vereinten Nationen verbindlich darauf, die Erderwärmung deutlich zu begrenzen. Alle Staaten sollten sich bemühen, den Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius zu halten, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen.

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