
Vor wenigen Tagen hat Doechii noch auf dem Glastonbury-Festival gespielt.Bild: www.imago-images.de / IMAGO/Justin Ng
Meinung
Doechii zählt zu den spannendsten Stimmen der Gegenwart – und wird beim Splash zum musikalischen Höhepunkt. Damit tritt sie in die Fußstapfen von Weltstars wie Kendrick Lamar und Nicki Minaj.
04.07.2025, 15:0604.07.2025, 15:06
Von der Bühne mit Moos-Optik steigt Rauch empor, Flammen züngeln daneben in den Himmel, der Bass wummert – und doch bleibt es seltsam still.
Nicht auf der Bühne, dort entfaltet sich eine der qualitativ hochwertigsten Performances des Splash Festivals. Bemerkenswert still ist es davor, im Publikum. Als sei man sich uneins, was man da gerade eigentlich erlebt.
Highlight auf dem Splash-Festival: Konzert der Rapperin Doechii
Doechii, 26, Grammy-Gewinnerin, wird international als der große nächste Hiphop-Star gefeiert. Stilistisch irgendwo zwischen klassischem Rap, Performancekunst und Post-Genre Pop, ist gekommen, um das Splash-Festival zu übernehmen. Doch ihre Show prallt auf ein Publikum, das sie offenbar nicht begreift – und vielleicht auch nicht begreifen will.
Doechii rappt live – wirklich live! – überwiegend ohne Playback, ohne leere Hype-Gesten, mit einer Stimmkontrolle, die auf dem bisherigen Festival vergebens ihresgleichen sucht. Ihre Texte handeln von Drogenerfahrungen, ihrer sexuellen Identität, von Depressionen, vom Unbehagen in einer unsicheren Welt.

Grammy-Gewinnerin Doechii bei ihrer Performance auf dem Splash-Festival.
In "Denial Is a River" spielt sie sich selbst und zugleich ihre eigene Therapeutin, springt zwischen Verletzlichkeit, Witz und glasklarer Selbstbeobachtung. Sie performt und zieht gleichzeitig seelisch blank.
Doch die Reaktion bleibt verhalten. Als sie das Publikum in akzentfreiem Deutsch auffordert, "Lärm zu machen", geschieht: wenig bis gar nichts. Nicht aus Ablehnung, sondern aus einer merkwürdigen Ratlosigkeit.
Die Menschenmenge, größtenteils männlich, größtenteils auf stumpfe Party-Beats programmiert, wartet auf Hooks, die sie von Tiktok kennen. "Anxiety" wird gefordert – ihr größter, bekanntester Hit. Bei allen anderen Songs wird maximal mitgewippt.
Dabei macht Doechii alles, was große Shows ausmacht: Sie erzählt Geschichten, nimmt das Publikum emotional mit in ihr Innerstes. Und performed, was das Zeug hält. Doch es wirkt, als hätten viele in der Menge den Subtext ihrer Performance nie verstanden.
Genrebrüche überfordern. Ihre provozierende Zeile – "Now I'm making Tiktok music, what thee fuck?" – bleibt ungehört. Die Ironie: Genau auf diese Tiktok-Hits wartet das Publikum.
Doechii liefert ab – doch das Splash-Festival enttäuscht
Verständlich also, dass die kümmerlich spärlichen Rufe nach Zugabe von Doechii ignoriert werden. Man kann nicht anders, als sich zu fragen, ob sie Deutschland nach diesem Publik als ganzes abgeschrieben hat.
Doechiis Sprache ist eine des Jetzt, ihre Ästhetik die eines neuen Rap-Verständnisses, das sich nicht über Männlichkeitsklischees oder Straßenromantik definiert, sondern über Innenleben, Identitätsbrüche und Ambivalenzen.
Dass ein Festival, wie das Splash – das sich einst als Plattform für visionären Hiphop verstand – damit nichts anzufangen weiß, liegt wohl auch daran, dass es versucht, etwas zu sein, was das Publikum nicht (mehr) ist.
Formate wie "Love Island" bedeuten für die Kandidat:innen vielleicht nicht langfristige Beziehungen im romantischen Sinne, dafür im beruflichen. Die Personen rücken in die Öffentlichkeit. Das birgt aber auch Gefahren.
Beim Reality-TV gibt es eine Krux: Wenngleich das Format eine Echtheit verspricht, sind die Darsteller:innen darin in aller Regel Medienprofis. Sie wissen sich zu inszenieren, Kamerazeit zu sichern und im Anschluss ganze Karrieren aufzubauen, etwa über weitere Fernsehauftritte und Social Media.