Leben
Interview

"Dear Evan Hansen": Thema Depression im Film – Psychiater erklärt die Krankheit

Ben Platt as Evan Hansen in Dear Evan Hansen, directed by Stephen Chbosky.
Filmfigur Evan Hansen ist suizidgefährdet und verzweifelt. null / Erika Doss/Universal
Interview

"Lässt sich ebenso wenig durch Liebe heilen wie eine Blinddarmentzündung": Hollywood macht in "Dear Evan Hansen" Depression zum Thema – ein Psychiater erklärt die Krankheit

25.10.2021, 16:5025.10.2021, 20:19
Mehr «Leben»

Als Musical ist "Dear Evan Hansen" schon seit 2015 ein Erfolg, nun bringt Hollywood die Verwechslungs-Geschichte rund um einen psychisch kranken Teenager in die Kinos. Endlich ein Film, der das Thema "Mental Health" in den Fokus rückt, feiern viele Betroffene den Kinostart. Doch gleichzeitig wurde in den USA, wo der Film bereits läuft, auch Kritik laut: Die Erkrankungen würden inkorrekt dargestellt.

Ist das so? Wir haben uns den Film, der ab 28. Oktober in Deutschland läuft, vorab angeschaut. In der Geschichte geht es um den Jungen Evan Hansen, der unter Angststörung leidet und Antidepressiva benötigt. Als Teil seiner Therapie muss er Motivationsbriefe an sich selbst schreiben. Als einer dieser Briefe nach dem Suizid eines Mitschülers zufällig bei dessen Leiche aufgefunden wird, gehen alle fälschlicherweise von einer Freundschaft zwischen den beiden seltsamen Jungs aus. Und weil Evan Hansen das Missverständnis nicht aufklärt, steigt er plötzlich zur allseits geliebten Gallionsfigur im Kampf gegen Depressionen auf...

Der Film startet am 28. Oktober in deutschen Kinos. Video: YouTube/Universal Pictures

Die Musical-Verfilmung unterhält mit rührenden Familienszenen, großen Schauspielern (unter anderem Amy Adams, Julianne Moore) und Musik der Songwriter von "La La Land", bedient allerdings auch einige problematische Hollywood-Klischees: Depressive Menschen tragen schwarz und sind sehr wütend, wer mutig zu sich selbst steht, ist schon halb geheilt und Antidepressiva abzusetzen ist keine große Sache.

Depression ist aber keine Krankheit, die durch inspirierende Motivation geheilt werden kann, wie auch Ulrich Hegerl mahnt. Er ist Professor am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Psychiater und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, arbeitet seit Jahrzehnten an Kliniken und hat hunderte depressive Menschen erlebt. Mit watson sprach er – vor dem Hintergrund des neuen Films – über typische Mythen, die die Krankheit umgeben, Schuldgefühle der Angehörigen und Schlafentzug als Therapie.

Er sagt:

"Eine Depression lässt sich ebenso wenig durch Liebe heilen wie eine Blinddarmentzündung."
HANDOUT - Auf einem udatierten Handout lässt sich Ulrich Hegerl, Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, porträtieren. Foto: Stefan Straube (zu lsn «Neue digitale Behandlungsmöglichkeiten  ...
Prof. Ulrich Hegerl setzt sich seit 30 Jahren für mehr Aufklärung in Sachen Depression ein. Bild: Ulrich Hegerl / Stefan Straube

watson: Welches Missverständnis hören sie immer wieder, wenn über Depression gesprochen wird?

Ulrich Hegerl: Es ist wichtig zu verstehen, dass Depressionen eigenständige Erkrankungen und viel weniger eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände sind, als die meisten Menschen glauben. Überforderungssituationen, Verlusterlebnisse, Partnerschaftskonflikte und andere Bitternisse gehen mit gedrückter Stimmung, Trauer, Ängsten und Sorgen einher. Das sind aber gesunde menschliche Reaktionen und diese führen in der Regel nicht zu depressiven Erkrankungen. Entscheidend ist die Veranlagung.

Was meinen Sie damit?

Menschen mit dieser Veranlagung rutschen meist mehrfach im Leben in diesen speziellen Zustand Depression, auch wenn es ihnen von außen betrachtet eigentlich gut geht, und Menschen ohne diese Veranlagung ertragen große Bitternisse, ohne jemals richtige depressiv zu erkranken. Das ist für Laien, aber oft auch unerfahrene Ärzte, schwer zu verstehen. Eine Depression ist auch eine Hirnerkrankung. Die Veranlagung kann vererbt oder auch durch Traumatisierungen und Missbrauchserfahrungen in der frühen Kindheit erworben sein.

Wie fühlt sich eine Depression denn an?

Depressive Menschen berichten, dass sich eine Depression anders anfühlt als Trauer, Stress und Bedrücktheit bei Partnerschaftskonflikten. Sie berichten, sich wie versteinert zu fühlen, keine Gefühle, auch keine Trauer mehr wahrnehmen zu können. Die Menschen sind innerlich angespannt, so als ob sie permanent vor einer wichtigen Prüfung stehen würden. Gleichzeitig sind sie zutiefst erschöpft und neigen zu Schuldgefühlen. Sie sind müde, aber nicht im Sinne von schläfrig. Im Gegenteil: Trotz der Erschöpfung schlafen sie nicht leicht ein und Schlaf führt auch nicht zur Erholung.

"Sie berichten, sich wie versteinert zu fühlen, keine Gefühle, auch keine Trauer mehr wahrnehmen zu können."

Gibt es noch etwas sehr typisches?

Typisch für Depressionen sind starke Morgentiefs, das heißt, besonders nach dem Erwachen ist die Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit besonders stark ausgeprägt. Schlafentzug, wie er in Kliniken angeboten wird, hat zur großen Überraschung der Erkrankten bei vielen eine sofortige und sehr deutliche antidepressive Wirkung, die allerdings nur bis zum Schlaf in der folgenden Nacht anhält.

Kann man die Talfahrten einer Depression abmildern, in dem man das Leben "schöner" macht?

Ganz so einfach ist es leider nicht. Über Psychotherapie kann man schon die Lebensumstände und das Verhalten so beeinflussen, dass die Depression positiv beeinflusst und das Rückfallrisiko reduziert wird. Oft werden aber falsche Ursachen vermutet. Wenn jemand in eine Depression rutscht, dann wird er in seinem Leben nach einer Ursache suchen und auch fündig werden, da die Depression alles Negative im Leben vergrößert und ins Zentrum rückt. Der eine vermutet den stressigen Job, ein anderer eine unglückliche Partnerschaft, körperliche Beschwerden oder anderes als Ursache. Wenn diese Dinge fälschlicherweise als Hauptursache angesehen werden, dann kann dies zu falschen Lebensentscheidungen führen. Ein wichtiger Rat ist deshalb, inmitten einer Depression keine wichtigen Lebensentscheidungen zu treffen, da alles durch die Erkrankung negativ verzerrt wahrgenommen wird.

Warum sind Depressionen so gefährlich?

Es ist eine schwere, oft auch lebensgefährdende Erkrankung – nicht nur weil Betroffene oft suizidgefährdet sind, sondern auch weil eine Depression für Stress im ganzen Körper sorgt. Eine Depression beeinflusst bestehende Erkrankungen, beispielsweise Diabetes mellitus, negativ und erhöht das Risiko für eine Reihe von Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Eine rasche und konsequente Behandlung ist deshalb absolut notwendig.

Diabetiker müssen die Ernährung umstellen und Insulin spritzen. Aber wie wird eine Depression behandelt?

Die beiden Hauptsäulen einer erfolgreichen Behandlung sind Antidepressiva und Psychotherapie. Die mit Abstand besten Wirkungsbelege, was Psychotherapie angeht, liegen für die Kognitive Verhaltenstherapie vor. Dabei lernen die Patienten, ihren Tag besser zu strukturieren, sich vor Selbstüberforderung zu schützen und quälende negative Gedankenschleifen zu durchbrechen. Die häufigste Behandlungsform ist die medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva.

"Es ist eine schwere, oft auch lebensgefährdende Erkrankung – nicht nur weil Betroffene oft suizidgefährdet sind, sondern auch weil eine Depression für Stress im ganzen Körper sorgt."

Viele Menschen schrecken vor Antidepressiva zurück.

Sie werden manchmal zu Unrecht negativ dargestellt. Das sind keine Happy-Pillen, die nur Symptome unterdrücken und süchtig machen, sie verändern auch nicht die Persönlichkeit, sondern Antidepressiva sind für viele Betroffene der erfolgreichste Behandlungsweg. Die anfängliche Zurückhaltung vieler Betroffener erklärt sich auch aus dem angesprochenen Fehlannahmen bezüglich den Ursachen einer Depression. Wenn man glaubt, Depression sei eine Reaktion auf negative Lebensumstände, dann leuchtet es wenig ein, Antidepressiva deswegen einzunehmen.

Wie wirken Antidepressiva denn überhaupt?

Antidepressiva wirken auf die in der Depression krankhaft veränderte Hirnfunktion, ohne dass man den genauen Wirkmechanismus bisher exakt verstanden hat. Die Behandlung erfordert Geduld, da Antidepressiva anders als Beruhigungs- und Schlafmittel nicht sofort wirken, sondern ihre Wirkung erst nach zwei Wochen zu entfalten beginnen, und manchmal ist ein erneuter Anlauf nötig, wenn das erste Medikament nicht ausreichend wirkt oder nicht gut vertragen wird. Bei den allermeisten Patienten gelingt es jedoch, ein Antidepressivum zu finden, das gut vertragen wird und die Depression zum Abklingen bringt. Auch das Rückfallrisiko kann mit Antidepressiva um circa 70 Prozent reduziert werden.

Hilft es depressiven Menschen, zur Ruhe zu kommen?

So einfach ist es oft nicht. Wie bereits gesagt, bessert sich bei etwa sechzig Prozent der Behandelten die Depression deutlich nach therapeutischem Schlafentzug. Das typische Verhalten depressiv Erkrankter, früher ins Bett zu gehen, länger darin liegen zu bleiben und sich tagsüber hinzulegen, weil sie sich so erschöpft fühlen, ist oft Teil eines Teufelskreises. Ich empfehle meinen Patienten, über längere Zeit hinweg täglich die Stunden im Bett und die Stimmung am nächsten Morgen zu dokumentieren und so zu lernen, wie Bettzeit und Schlaf einerseits und die Depression andererseits bei ihnen zusammenhängen. Viele stellen fest, dass lange Bettzeiten mit Verschlechterung der Depression einhergehen.

Weniger Schlaf kann also helfen?

Ja. Wird in Kliniken Schlafentzug zur Behandlung angeboten, dann werden die Patienten Mitternachts geweckt und bleiben die Nacht miteinander wach, spielen zum Beispiel bis in die Morgenstunden zusammen. Der Effekt ist erstaunlich: Plötzlich kommt in den frühen Morgenstunden die Hoffnung zurück, die Menschen lächeln wieder, das Frühstück schmeckt, die seit Monaten bestehende Depression fällt ab. Auch wenn mit dem nächsten Schlaf die Depression wieder zurückkommt, so ist diese überraschende Erfahrung doch ein Grund zur Hoffnung. Sie zeigt auch, dass Depression eine Erkrankung und nicht persönliche Schwäche ist.

"Mit dem schwammigen Begriff 'Burn-Out' werden oft Menschen mit Überforderungen und Überarbeitung in den gleichen Topf wie Menschen mit der schweren Erkrankung Depression geworfen."

Dabei wird Erholung doch oft erst recht empfohlen, zum Beispiel, wenn Menschen einen Burn-Out erleiden.

"Burn-Out" ist ein Modebegriff und keine eigenständige Diagnose. Es hat sich ein Milliardenmarkt rund um diesen Begriff entwickelt, den ich kritisch sehe. Mit dem schwammigen Begriff "Burn-Out" werden oft Menschen mit Überforderungen und Überarbeitung in den gleichen Topf wie Menschen mit der schweren Erkrankung Depression geworfen. Jeder Mensch mit einer Depression fühlt sich durch die Arbeit überfordert und erschöpft, jedoch ist dies in den allermeisten Fällen Folge und nicht Ursache der Depression. Da man bei "Burn-Out" eine Überforderung als Ursache annimmt, könnte man meinen, Ausschlafen oder Urlaub machen seien gute Ideen. Beides sollte man keinesfalls tun, falls sich hinter "Burn-Out" eine Depression verbirgt. Diese wird durch längeren Schlaf schlechter und auch von einem Urlaubsantritt wird bei einer Depression in der Regel abgeraten.

Und wie kann man herausfinden, ob es sich um eine Depression handelt oder "nur" um eine schwierige Lebensphase?

Die erste Anlaufstelle bei schwereren Depressionen ist der Psychiater, der mit Antidepressiva und Psychotherapie behandeln kann. Eine weitere Berufsgruppe, an die man sich wenden kann, sind die Psychologischen Psychotherapeuten, das sind Psychologen mit einer Zusatzausbildung in Psychotherapie, die wie die Ärzte über die Kasse abrechnen können. Schließlich wissen viele nicht, dass ein großer Teil der Patienten mit Depressionen von Hausärzten mit Antidepressiva behandelt wird, und das oft erfolgreich.

Wie kann ich denn helfen, wenn jemand in meinem Umfeld depressiv ist?

Für viele Angehörige ist es ein wichtiger Schritt, zu begreifen, dass sie weder Schuld an der Erkrankung sind, auch wenn es bösen Streit gegeben hat, noch für die Heilung zuständig sind. Flapsig formuliert: Eine Depression lässt sich ebenso wenig durch Liebe heilen, wie eine Blinddarmentzündung. Die wichtigste Aufgabe der Angehörigen ist es, die Menschen bei ihrer Behandlung zu unterstützen. Viele Depressive sind zu hoffnungslos und dauererschöpft, um Ärzte abzutelefonieren. Es hilft, zu sagen: "Ich mache dir jetzt einen Termin aus und dann fahren wir da gemeinsam hin." Sehr oft wollen depressive Menschen die Behandlung auch vorschnell abbrechen, Angehörige können ermuntern, dranzubleiben.

Aber Menschen, die volljährig sind, kann man ja nicht zu einer Behandlung zwingen. Was also, wenn der Betroffene sagt: Ich möchte das nicht – oder nicht mehr?

Das ist ein sehr häufiges Problem und für die Angehörigen mit quälender Hilfslosigkeit verbunden. Es ist völlig in Ordnung, einem lieben Menschen klar zu sagen: "Ich gucke nicht zu, wie es Dir so schlecht geht, Du brauchst ärztliche Hilfe." Spätestens wenn man das Gefühl hat, es herrscht akute Selbst- oder Fremdgefährdung, das heißt, der Erkrankte befindet sich in Lebensgefahr, muss Hilfe geholt und eventuell der Notarzt oder die Polizei gerufen werden. Bei schweren Depressionen ist die Sicht auf die Welt so extrem negativ verzerrt, dass der Erkrankte keine freie Entscheidung mehr treffen kann.

"Depression werden häufig zum ersten Mal bei Menschen im Alter von 30 bis 40 Jahren diagnostiziert."

Gibt es mehr Depressionen als früher?

Epidemiologische Studien zeigen, das ist nicht der Fall. Depressionen sind und waren häufig. Etwa acht Prozent der Bevölkerung leiden jedes Jahr unter einer behandlungsbedürftigen Depression und diese Zahl war in früheren Jahrzehnten ähnlich. Allerdings erleben wir eine drastische Zunahme der Diagnosehäufigkeit: Vor vierzig Jahren hatten wir beispielsweise 9 Prozent Frühberentungen aufgrund von psychischer Erkrankungen, heute sind es über 40 Prozent. Das liegt daran, dass sich die Menschen häufiger Hilfe holen und Ärzte die Krankheit besser erkennen und weniger häufig hinter weniger stigmatisierenden Diagnosen verstecken.

Also eine erfreuliche Entwicklung?

Ja. Mehr Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen holen sich und bekommen Hilfe und dies dürfte der Hauptgrund für eine wunderbare Entwicklung sein: In den gleichen 40 Jahren hat sich die Zahl der jährlichen Suizide in Deutschland von etwa 18.000 Menschen auf etwa 9.000 halbiert! So erfreulich das ist, hinter dieser nackten Zahl 9000 stehen menschliche, oft vermeidbare Katastrophen und großes Leid, auch der Angehörigen, die traumatisiert zurückbleiben.

Zeigen sich Depressionen denn auch schon bei jungen Menschen?

Depression werden häufig zum ersten Mal bei Menschen im Alter von 30 bis 40 Jahren diagnostiziert. Allerdings erinnern sich die meisten der Diagnostizierten im Nachhinein an erste depressive Phasen, die sie bereits als Schüler oder Student erlebt haben. Das waren dann oft mehrmonatige Phasen, in denen es ihnen schlecht ging und die irgendwie wieder abgeklungen sind. Wir sehen, dass Kinder seltener unter Depressionen leiden, mit der Pubertät nimmt die Erkrankungshäufigkeit dann zu.

Sind eher Männer oder Frauen von Depressionen betroffen?

Frauen sind mehr als doppelt so häufig von Depressionen betroffen wie Männer. Biologische Faktoren wie der Hormonhaushalt dürften dabei mit eine Rolle spielen – aber das ist noch nicht vollständig entschlüsselt. Das Geschlechterverhältnis ist anders was Suizide angeht: Denn obwohl Frauen häufiger Suizidversuche begehen, ist das Suizidrisiko der Männer, und insbesondere älterer Männer, mehrfach höher als das der Frauen.

Gibt es denn typische Alarmsignale Suizidgefährdeter, die von außen erkennbar sind?

Oft ist es eher das Bauchgefühl oder Äußerungen des Erkrankten, die einem zeigen, dass jemand in Gefahr ist. Wenn man seine Sorge dann ganz offen anspricht und mit dem Betroffenen über etwaige Suizidgedanken spricht, dann kann es gelingen, die Suizidgefährdung noch besser einzuschätzen. Derartige Gespräche über Suizid sind sehr belastend für alle Beteiligte, aber manchmal sind sie nötig, um einzuschätzen zu können, wie dringend Hilfe benötig wird.

Fühlst du dich verzweifelt?
Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichst du rund um die Uhr Mitarbeiter:innen, mit denen du sprechen kannst. Auch ein Gespräch via Chat oder E-Mail ist möglich.

Kinder- und Jugendtelefon: Der Verein "Nummer gegen Kummer" kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 116 111.

Krisenchat: Bei Krisenchat kannst du dich per Whatsapp rund um die Uhr an ehrenamtliche Berater:innen wenden. Das Angebot richtet sich an Menschen bis 25 Jahre.

Was sollten Angehörige denn vermeiden?

Was für uns bitter ist zu sehen, ist, wenn Angehörige aus einem Halbwissen oder Misstrauen heraus in die Behandlung eingreifen und Patienten die medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung ausreden. Angehörige sollten sich immer erst gründlich über die Erkrankung und ihre Behandlung informieren. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet dafür auf ihrer Homepage umfangreiche, wissenschaftlich fundierte Information an. Wenn man versteht, dass Depression eine richtige Erkrankung ist, dann wird auch das Verständnis dafür größer, wenn es der Erkrankte einfach nicht schafft, gut gemeinte Ratschläge umzusetzen.

Haben sich depressive Erkrankungen während der Pandemie vermehrt?

Bei einigen Menschen mit einer Veranlagung für Depressionen können durch die Maßnahmen gegen Corona schon Depressionen getriggert worden sein. Ich glaube aber nicht, dass die Maßnahmen gegen Corona eine große Depressionswelle ausgelöst haben, denn, wie schon gesagt: Depression ist mehr als eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände. Es gab ein paar Studien, die zu dem Schluss kamen, Depressionen seien in der Pandemie um etwa zwanzig Prozent gestiegen, aber die fußten auf der Abfrage von depressiven Symptomen und nicht auf richtigen Diagnosen. Dass während des Lockdowns mehr Menschen Bedrücktheit, Sorgen, Ängste oder Stress angeben ist ja nicht verwunderlich, sondern Ausdruck einer gesunden menschlichen Reaktion auf die Lebensumstände. Was jedoch Grund zu großer Sorge ist: Für depressiv Erkrankte ist die Corona-Krise eine riesige Katastrophe gewesen.

"Für depressiv Erkrankte ist die Corona-Krise eine riesige Katastrophe gewesen."

Warum?

Bei unserer repräsentativen Bevölkerungsbefragung im Februar diesen Jahres hat die Hälfte der Erkrankten berichtet, ihre Depression habe sich durch die Maßnahmen gegen Corona verschlechtert – wir reden hier von etwa zwei Millionen Menschen. Die Menschen berichteten über Rückfälle in Folge der Maßnahmen gegen Corona, über das Auftreten von Suizidgedanken und andere Verschlimmerungen. Der Rückzug in die eigenen vier Wände führte zu Rückzug ins Bett, weniger Sport und einem unstrukturierten Tag mit Grübeln – alles drei Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie depressive Erkrankungen negativ beeinflussen. Gleichzeitig berichteten die Befragten von einer deutliche Verschlechterung der medizinischen Versorgung. Stationäre und ambulante Behandlungen wurden abgesagt, Selbsthilfegruppen sind ausgefallen und viele Menschen waren durch die Medienberichterstattung so in Angst versetzt, dass sie von sich aus Termine abgesagt haben. Ich halte das für katastrophale Folgen der Maßnahmen gegen Corona.

Was müsste daher jetzt passieren?

Eine systematische und proaktive Erfassung des Ausmaßes an Leid und Tod, das durch die Maßnahmen verursacht wird, ist unerlässlich, da nur so die Maßnahmen optimiert werden können und sichergestellt werden kann, dass nicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet wird. Ich kann nicht erkennen, dass das ausreichend systematisch erfolgt.

Urlaub: Zu früh aufstehen nach Landung – Flugbegleiter droht mit hoher Strafe

Die Schuhe im Zug ausziehen oder einen Döner im Bus essen. Es gibt viele schlechte Angewohnheiten, die in öffentlichen Verkehrsmitteln verpönt und manchmal sogar verboten sind.

Zur Story