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Lockdown: "Bis zum Hals" – Experte verteidigt Maßnahmen und greift Kollegen an

Ab Montag wird Mini-Lockdown eingf
Deutschland steht ein harter November bevor: Das öffentliche Leben wird auf das Nötigste heruntergefahren.Bild: imago images / Alexander Pohl
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Epidemiologe erklärt neuen Lockdown: "Es gibt keine Alternative"

29.10.2020, 09:1729.10.2020, 09:34
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Deutschland geht in einen neuen Lockdown. Bereits ab kommendem Montag sollen Kontakte drastisch reduziert werden. Dazu werden Restaurants und Gaststätten sowie Freizeiteinrichtungen geschlossenen, Sport darf nur noch individuell betrieben werden und in der Öffentlichkeit können sich nur maximal zwei Haushalte treffen. Die Liste der Maßnahmen ist so lang, wie sie unangenehm ist. Das Ziel: Weihnachten retten. Das Fest soll so normal wie möglich verlaufen.

Um das zu schaffen, müssen die in den letzten Tagen explodierten Infektionszahlen wieder eingefangen werden, in einer "nationalen Kraftanstrengung", wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch formulierte. Vier Wochen lang wird das öffentliche Leben nun heruntergefahren auf das Nötigste. Und so nervig es manch einer empfinden mag, so schwierig es für Künstlerinnen oder Solo-Selbständige nun werden mag, die Maßnahmen kommen offenbar keinen Tag zu früh. So zumindest sieht das Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule in Berlin. Zu watson sagt der Epidemiologe am Donnerstag:

"Es wurde auch höchste Zeit, eigentlich wäre das Einsetzen der Maßnahmen eine Woche früher noch besser gewesen."

Die ersten Verschärfungen schon bestehender Maßnahmen hatten sich "bereits als weitgehend wirkungslos erwiesen".

Die am Mittwoch vereinbarten Regelungen entsprächen "den Erkenntnissen aus den letzten Monaten", etwa, dass Kitas keine Treiber der Pandemie sind und auch der Einzelhandel nicht übermäßig zur Verbreitung des Virus beiträgt. Beides – Kitas, beziehungsweise Schulen, sowie der Einzelhandel – sind vom neuen Lockdown nicht betroffen.

"Keine Alternative"

Ulrichs stellt den Ernst der Situation watson gegenüber so dar:

"Bildlich gesprochen steht uns das Wasser bis an die Knie."

Der Anstieg der Infektionen sei in den letzten Tagen immer rascher verlaufen. "In solch einer Situation sollten wir nicht über Grenzwerte oder ein Ampelsystem für Feuchtigkeit diskutieren, sondern möglichst schnell den Wasserspiegel senken."

Ein Blick auf die Zahlen gibt Ulrichs recht. Das Robert-Koch-Institut hatte allein für Mittwoch und Donnerstag zusammengerechnet über 30.000 neue Fälle gezählt, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei 99,0.

"Es gibt zu einer radikalen Unterbrechung des weiteren Anstiegs keine Alternative", macht der Epidemiologe unmissverständlich klar. "Nach den Regeln des exponentiellen Wachstums wird uns das Wasser schon morgen bis an den Hals reichen." In anderen Worten: der Lockdown war zwingend notwendig, um das Infektionsgeschehen wenigstens einigermaßen unter Kontrolle zu halten.

Ulrichs widerspricht Kollegen

Mit seiner Einschätzung widerspricht Ulrichs der Sichtweise einiger renommierter Virologen und Mediziner, etwa dem Bonner Forscher Hendrick Streeck oder dem Hamburger Viren-Experten Jonas Schmidt-Chanasit.

Die hatten sich, zusammen mit dem Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, am Mittwoch ausdrücklich gegen ein erneutes Herunterfahren des öffentlichen Lebens ausgesprochen. "Eine pauschale Lockdown-Regelung ist weder zielführend noch umsetzbar", hatte Gassen etwa gesagt. Man könne nicht das ganze Land "Wochen und Monate in eine Art künstliches Koma" versetzen, auch angesichts bleibender Schäden für Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft. Nötig seien zielgerichtete Maßnahmen zur Eindämmung.

Streeck hatte zudem kritisiert, "dass der Schutz der Risikogruppe zu kurz kommt". Vorkehrungen und Tests in Pflegeheimen und Kliniken seien nicht systematisch genug. Zudem müsse auch für Menschen der Risikogruppen, die zu Hause leben, Schutz etabliert werden – etwa mithilfe von Masken und Tests, um Besuch empfangen zu können. Der Hamburger Virologe Schmidt-Chanasit betonte, die Schutzregeln mit Abstand, Hygiene, Masken und Corona-Warn-App seien eigentlich ausreichend – müssten aber konsequent umgesetzt werden.

Ulrichs sagt zu watson über die Gegenposition seiner Experten-Kollegen: "Die liefert keine hilfreichen Vorschläge. Für 'Gebote statt Verbote' ist nun keine Zeit mehr, wenn stark ansteigende Patienten- und Todeszahlen vermieden werden sollen."

Allerdings räumte auch Ulrichs ein, dass keine der harten Maßnahmen wirklich notwendig gewesen seien, wenn wir uns selbst mehr eingeschränkt hätten. "Würde jeder seine Kontakte verlässlich reduzieren, wären die aktuell getroffenen Maßnahmen nicht notwendig", sagt Ulrichs.

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