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Schüler besorgt um kommendes Schuljahr: "Keine sichtbare Strategie" für Corona

Young students on campus
Der Herbst kommt wieder, das ist klar. Aber wiederholt sich mit ihm auch das alte Corona-Chaos? Bild: iStockphoto / seb_ra
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"Keine sichtbare Strategie" für Corona im kommenden Herbst: Schüler besorgt um nächstes Schuljahr

09.06.2022, 10:4513.06.2022, 08:59
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Sind Deutschlands Schulen ausreichend auf das kommende Schuljahr vorbereitet? Nein, sagen die Betroffenen. Sie befürchten, dass sich die Chaos-Situation der vergangenen Pandemie-Jahre spätestens im Herbst wiederholt.

Corona-Expertenrat mahnt zu raschen Vorbereitungen

Erst gestern hatte der Corona-Expertenrat der Bundesregierung Bund und Ländern dazu geraten, sich früh und umfassend auf ein einheitliches Vorgehen gegen neue Infektionswellen im Herbst und Winter festzulegen. Nötig sei "eine vorausschauende Vorbereitung mit kurzen Reaktionszeiten", hieß es in einer Stellungnahme des Gremiums.

Eine gute Vorbereitung auf veränderte Infektionslagen reduziere "die pandemiebedingten (Sekundär-)Schäden und hat die höchste Effektivität, um die Morbidität und Mortalität zu verringern", heißt es dort. "Daher sollten alle präventiven, therapeutischen und anderen Maßnahmen auf den Beginn einer erneuten Infektionswelle im Herbst gerichtet sein, um diese möglichst frühzeitig zu dämpfen." Eine vorübergehende Maskenpflicht in Innenräumen "kann ein wirksames und schnelles Instrument zur Infektionskontrolle darstellen".

Zu Kindern und Jugendlichen erklärt das 19-köpfige Gremium, die "Sicherung der sozialen Teilhabe durch Schul- und Kitabesuch sowie sportliche und kulturelle Aktivitäten muss weiterhin höchste Priorität genießen; dies gilt für Kinder und Jugendliche mit und ohne Vorerkrankungen gleichermaßen, muss aber Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen besonders berücksichtigen."

Da bei einer starken Infektionswelle ab dem Herbst mit Engpässen vor allem in Kinderkliniken zu rechnen sei, fordert das Gremium dort mit Personal gezielt zu unterstützen. Außerdem soll es etwa mehr gezielte Impfaufklärung und -angebote geben, verpflichtende CO2-Messung an Schulen, angepasste Hygiene- und Schutzmaßnahmen sowie eine verstärkte Erforschung und Versorgung der psychischen Auswirkungen der Pandemie.

"Es besteht eine nachvollziehbar hohe Erwartungshaltung an die Politik, im dritten Jahr der Pandemie effektive Vorbereitungen für Herbst und Winter zu treffen."
Corona-Expertenrat in seiner Stellungsnahme

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat geäußert, die Impfquote bei Kindern und Jugendlichen zum Herbst und Winter erhöhen zu wollen. Sie sagte gegenüber der Funke-Mediengruppe: "Schon jetzt ist absehbar, dass wir die Impfangebote rechtzeitig hochfahren müssen, möglichst niedrigschwellig und nach der Empfehlung der Stiko gerade auch für Kinder und Jugendliche an den Schulen."

Doch über mildere Corona-Schutzmaßnahmen und den Schulbetrieb an sich ist noch nichts bekannt. Die Ministerin möchte die Ergebnisse der Evaluierung der vergangenen Maßnahmen abwarten, die sich jedoch dem Anschein nach immer weiter verzögern.

Lehrer und Schüler einig: Die Schulen sollten nicht wieder schließen

"Die Politik macht beim Thema Pandemie und Schule schon wieder ihre Hausaufgaben nicht", sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverband dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) in Anbetracht all dessen. "Die Weichen dafür, dass im kommenden Schuljahr sicherer Unterricht stattfinden kann, müssen jetzt gestellt werden", betonte er. "Dabei ist dringend eine Doppelstrategie notwendig."

Zum Einen sollte alles getan werden, damit die Schulen nicht erneut geschlossen werden müssten. Zum anderen müssten die Bildungsstätten so ausgestattet werden, dass "Distanzunterricht auf jeden Fall funktioniert", meint Meidinger weiter.

Ähnlich sieht es Maximilian Tratter. Der 15-jährige ist Schülersprecher in Worms. Tratter sagt: "Wir wollen definitiv nicht, dass die Schulen zugemacht werden. Gerade deshalb setzen wir uns für vernünftigere Coronaregeln ein. Wir wären für eine Testpflicht, die bei angezeigtem erhöhtem Infektionsgeschehen an einer Schule dann die Möglichkeit einer Maskenpflicht nach sich zieht."

Maximilian Tratter, aus Worms, Schülervertreter und Sprecher von WirSindLaut
Schülervertreter Maxmilian TratterBild: privat

Stark-Watzingers Pläne sind aus seiner Sicht noch unausgereift: "Meiner Meinung nach kann man die Impfquote nicht von einem auf den anderen Tag ändern. Es benötigt eine gut durchdachte Informationskampagne, angepasst für Schüler und Schülerinnen."

Tratter ist auch Sprecher der Schülerinitiative #Wirwerdenlaut, die eine Nachbesserung des Infektionsschutzgesetzes fordert, "damit die Bundesländer geeignete Instrumente künftig wieder situationsbedingt und unkompliziert anwenden können" – allen voran Masken.

Auch Lehrerverbandspräsident Meidinger sagt: "In einer Herbstwelle können Masken ein entscheidender Faktor sein, um die Schulen offenzuhalten." Momentan fehle den Ländern aber die Gesetzesgrundlage, um flächendeckend eine Maskenplicht an Schulen anzuordnen. "Der Bund muss deshalb das Infektionsschutzgesetz schnell noch einmal anpassen", forderte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. "Es wäre fahrlässig, damit bis zum Herbst zu warten, wenn die Probleme schon da sind."

Wie der Schulbetrieb momentan läuft

Derzeit sieht es aber nicht so aus, als ob das Thema im Bundestag eilt. "Gerade passiert eigentlich gar nichts. Die Maskenpflicht gilt nicht mehr und die freiwilligen Tests werden kaum in Anspruch genommen", berichtet Maximilian aus dem Schulalltag in Worms. "Ich würde sagen, nur ein kleiner Prozentsatz der Schüler trägt freiwillig eine Maske, darunter vor allem Risikogruppen, oder Schüler, die ihre Verwandtschaft schützen möchten."

Das Infektionsgeschehen an Schulen sei momentan in etwa vergleichbar mit der Inzidenz im Rest der Gesellschaft. Ärgerlich sei allerdings, dass der Austausch zwischen Schülervertretern und Politik zum Erliegen gekommen sei. "Es kommt nicht zu Gesprächen", sagt Tratter. "Innerhalb der Schule wird das Thema Corona schon kaum mehr angerührt und politisch kriegen wir auch nichts mehr dazu mit."

Was die Politik jetzt schon für den Herbst vorbereiten müsste

Dabei müsse man sich schon jetzt damit befassen, was für den Herbst und Winter geplant werde. "Zum Beispiel wäre es dringend nötig, die Lehrer im Sommer in Bezug auf digitale Unterrichtsstrategien zu schulen", sagt der 15-Jährige. Denn durch zum Teil chaotischen Distanzunterricht der vergangenen Jahre, gäbe es bei Schülern durchaus noch Lehrrückstände, "besonders an Grundschulen." Dieser Missstand sollte nicht weiter verfestigt, sondern aufgearbeitet werden.

Aktionsprogramm "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche"
Dieses milliardenschwere Aktionsprogramm der Bundesregierung soll Schülerinnen und Schülern helfen, Lernlücken und psychische Belastungen aus den vergangenen zwei Jahren aufzuarbeiten.
Es beinhaltet u.a. Sprachförderangebote, freizeitpädagogische Ferienangebote, psychologische Unterstützungsangebote und berufsorientierende Maßnahmen und wird durch Lehrkräfte, Lehramtsstudierende, Sozialpädagogen und Pensionäre umgesetzt.
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Meidinger kritisierte zudem, dass die Versorgung der Schulen mit schnellem Internet nicht rasch genug vorangetrieben werde, es fehle weiter an professionellem IT-Support für die Schulen und die versprochenen Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer. "Die politisch Verantwortlichen handeln einmal mehr nach der Devise: Es wird schon irgendwie gutgehen", zeigt sich Meidinger beim RND frustriert.

"Eigentlich sollte sich die Politik jetzt mit einem Fahrplan für den Herbst und Winter beschäftigen", findet auch Tratter. "Aber bislang gab es keine sichtbare Strategie."

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