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Lehrerverband entsetzt über Ende der Maskenpflicht an immer mehr Schulen

Portrait of school girl. Teenagers students sitting in the classroom. Girl looking at camera. Focus is on foreground.
In vielen deutschen Klassenräumen darf die medizinische Maske nun im Rucksack bleiben.Bild: iStockphoto / Liderina
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"Verantwortungslos": Lehrerverband entsetzt über Ende der Maskenpflicht an immer mehr Schulen

05.10.2021, 16:34
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"Wir erleben eine anwachsende Pandemie der Ungeimpften" warnte Gesundheitsminister Jens Spahn schon Anfang September und tatsächlich infizieren sich inzwischen vorrangig ungeimpfte Deutsche mit dem Coronavirus. Darunter auch zahlreiche Kinder, die – zumindest bis zum Alter von 12 Jahren – noch gar kein Vakzin gegen Covid-19 erhalten können.

Die Inzidenz in der Altersgruppe der Schüler (5-19 Jahre) lag in der aktuellen Kalenderwoche laut RKI-Angaben höher (141,24) als die im Rest der Bevölkerung (63,71). Dennoch haben viele Bundesländer die Abschaffung der Maskenpflicht bei niedrigen Inzidenzzahlen im Schulbetrieb bereits beschlossen – und zum Teil auch schon umgesetzt, zum Beispiel:

  • Bayern
  • Baden-Württemberg (ab 18. Oktober)
  • Berlin (Klassen 1-6)
  • Brandenburg (Klassen 1-6)
  • Hessen
  • Mecklenburg-Vorpommern
  • Saarland
  • Sachsen
  • Thüringen (ab Klasse 5)

Sind das jetzt gute oder schlechte Nachrichten? Darüber wird noch gestritten. Ein vehementer Gegner der Masken-Lockerungen zum Herbst ist SPD-Politiker Karl Lauterbach. "Die schnelle Aufhebung der Maskenpflicht ist problematisch", sagt er gegenüber watson. "Das kann man wagen, wenn man die Kinder vor dem Beginn des Unterrichts dreimal pro Woche testet und im Falle eines positiven Befundes alle Kinder der Klasse fünf Tage jeden Morgen hintereinander testet." Nur unter diesen Umständen wäre die Aufhebung der Maskenpflicht "machbar", so der Mediziner.

Kinderärzte begrüßen den Unterricht ohne Maskenpflicht

Der Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte sieht das anders. Sie freuen sich über das Ende der medizinischen Masken im Unterricht – auch, weil sie die Belastungen der Kinder in ihren Praxen hautnah miterleben. "Die Abschaffung der Maskenpflicht ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, Kinder brauchen wieder Normalität in ihrem Leben", so Jakob Maske, Sprecher des Verbands auf watson-Anfrage.

Das Argument der psychischen Belastung war auch der Hauptgrund, warum Berliner Schulen nun keine Maskenpflicht mehr für jüngere Schulklassen einfordern. Zwar wirkt das auf den ersten Blick unlogisch, da gerade diese Altersgruppen noch völlig ungeimpft sind. Doch besonders unter den jungen Schülern hätte die medizinische Maske die Sprachentwicklung gestört, wie die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zur Begründung auf einer Pressekonferenz angab. Es sei wichtig, dass die Schüler "die Mimik sehen können der Lehrer und der Mitschüler. Es gibt Kinder die jetzt seit anderthalb Jahre Maske getragen und Schule nie anders erlebt haben."

"Die Abschaffung der Maskenpflicht ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, Kinder brauchen wieder Normalität in ihrem Leben."
Jakob Maske

Die Kinderärzte gehen zwar im Nachklang von steigenden Corona-Infektionszahlen unter Schülern aus, halten das jedoch für ein vertretbares Risiko. "Natürlich wird es Auswirkungen haben, diese werden aber hoffentlich minimal sein, dafür der Profit für die Kinder groß." Es sei "anstrengend und ermüdend" für die Kinder, "den ganzen Tag Maske tragen zu müssen". Viel wichtiger für das Infektionsgeschehen bei Kindern sei ohnehin der Herdenschutz durch die Erwachsenen: "Deutlich mehr Auswirkungen hat die fehlende Impfbereitschaft der 18 bis 59 jährigen", so Maske weiter. "Hier muss noch deutlich mehr passieren."

Die Lehrer kritisieren eine Durchseuchung ohne Teststrategie

Eine Mannschaft unmaskierter Schüler im Unterricht vor sich sitzen zu haben, ist etwas, was viele Lehrer derzeit eher besorgt. Wobei sie dabei nicht an sich selbst dächten, wie der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger im Gespräch mit watson betont, denn die Lehrer "sind fast vollständig geimpft. Es geht uns um die Kinder und Jugendlichen."

"Alle an unseren Schulen wären natürlich froh, wenn man auf Einschränkungen – und das stellen Atemschutzmasken zweifellos dar – bald verzichten könnte", erklärt er. Doch der richtige Zeitpunkt dafür sei noch nicht gekommen. Und das habe drei Gründe: Erstens seien drei Viertel aller Schüler und Schülerinnen noch ungeimpft und "trotz einer geringen Hospitalisierungsquote bei Kindern und Jugendlichen würde es bei einer ungebremsten Durchseuchung in absoluten Zahlen deutlich mehr schwere Verläufe geben."

"In dieser Phase jetzt Gesundheitsschutzmaßnahmen zurückzufahren, halten wir für nicht sehr klug."
Heinz-Peter Meidinger

Zweitens müsse man die Wirkung von Atemschutzmasken (nämlich auch die Infektionsminimierung durch Aerosole in geschlossenen Räumen) durch eine andere Maßnahme ersetzen, zum Beispiel Raumluftfilter, "die es aber nur in einem geringen Prozentsatz von Unterrichtsräumen gibt", wie Meidinger bemängelt. Er hofft darauf, dass dieses Thema bei der Kultusministerkonferenz am Donnerstag angegangen wird. Er warte auf ein klares Signal an die Länder und die Kommunen "diese Ausstattung endlich vehement voranzutreiben."

Drittens stünde man ja gerade erst am "Anfang der vierten Welle" und "die Erfahrung des Vorjahres zeigt, dass das exponentielle Wachstum erst in der kalten Jahreszeit ab November so richtig Fahrt aufnimmt." In vielen Bundesländern stünden zudem Herbstferien an. Nach den Ferien sei die "Infektionseinschleppung an Schulen" erfahrungsgemäß immer höher, weil Reisende den Virus zum Teil mitbringen.

"In dieser Phase jetzt Gesundheitsschutzmaßnahmen zurückzufahren, halten wir für nicht sehr klug", schließt Meidinger daher. Vor allem, weil die Lehrer eines unbedingt vermeiden möchten: "Distanzunterricht und Schulschließungen". Diese werden bei gehäuften Corona-Ausbrüchen an Schulen aber wieder wahrscheinlicher.

"Der Freedom Day an Schulen, wo auf Einschränkungen weitestgehend verzichtet werden kann, wird erst dann in Sichtweite sein, wenn alle Schülerinnen und Schüler ein Impfangebot hätten."
Heinz-Peter Meidinger

Die Lockerung der Maskenpflicht ist seinesachtens nur vertretbar, sofern in den Klassenzimmern Raumluftfilteranlagen installiert sind und die Region sehr niedrige Inzidenzen aufweist. "Auch an Tagen, wo gültige negative Tests vorliegen, muss nicht unbedingt Maske getragen werden", so sein Vorschlag. Die Abschaffung der Maskenpflicht sollte daher an eine erhöhte Testfrequenz gekoppelt sein. Sowohl die Tests, als auch die Masken, an den Schulen fallenzulassen, sei hingegen "verantwortungslos", so Meidinger und bezieht sich dabei auf den Thüringer Weg.

"Da lässt man dann ohne Rücksicht auf Long-Covid-Spätfolgen und potenzielle schwere Krankheitsverläufe und ohne Rücksicht auf ungeimpfte Familienangehörige Corona frei die Schulen durchseuchen", wird der ehemalige Gymnasiallehrer deutlich. "Der Freedom Day an Schulen, wo auf Einschränkungen weitestgehend verzichtet werden kann, wird erst dann in Sichtweite sein, wenn alle Schülerinnen und Schüler ein Impfangebot hätten oder haben wahrnehmen können. Das wird wohl noch ein paar Monate dauern."

Ähnlich sehen das übrigens die Schülervertreter selbst, die es ja unmittelbar betrifft. Im watson-Interview sagte Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz zum Thema Maske: "Sie schützt uns alle, das ist mittlerweile auch deutlich geworden. Von daher unterstütze ich die Maskenpflicht, zumindest, solange die Infektionszahlen bei jungen Menschen weiterhin so hoch sind..."

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