Das Coronavirus bringt das Leben auf den Straßen langsam zum Erliegen. Unternehmen, Schulen, Kitas, Läden, Fitnessstudios, Spiel- und Sportplätze, Vereine und Kneipen mussten schließen. Zudem arbeiten viele Menschen zwangsläufig im Homeoffice. Doch je weniger auf den Straßen los ist, desto mehr passiert in den Glasfaserkabeln.
So vermeldeten die Verantwortlichen des größten Datenknotenpunkts der Welt, DE-CIX in Frankfurt, dass vergangenen Dienstagabend sekündlich 9,1 Terabit durch seine Server rauschten – das sind rund 20 Blue-Ray Discs pro Sekunde. Ein neuer Rekord. Vorher betrug der Höchstwert noch 7,1 Terabit, umgerechnet etwa 16 Blue-Rays.
Nun laufen bei DE-CIX die Netze von rund tausend Anbietern, darunter Freenet, 1&1 und Telekom, zusammen. Entsprechend naheliegend scheint es, dass die aktuelle Corona-Situation zu dem neuen Daten-Rekord geführt hat. Viele Menschen befürchten nun, dass das Internet durch die erhöhte Nutzung bald lahmgelegt wird. Bisher sorgte die Datenauslastung jedoch nicht für einen bundesweiten Zusammenbruch.
Es stellt sich die Frage, wie lange das so bleibt. Und was für Auswirkungen hätte es, wenn das Netz hierzulande in der Corona-Situation zusammenbrechen sollte?
Eine sichere Aussage lässt sich bisher nur schwer treffen. Eine Annahme: Im Homeoffice sind die Menschen vermehrt zu Videokonferenzen gezwungen und nach Feierabend schalten sie womöglich Netflix oder Youtube ein oder zocken online mit ihren Freunden, um nicht völlig in die soziale Isolation abzudriften. Zudem werden viele wohl das Feuerwerk aus Videos, Memes, Pressekonferenzen und Podcasts rund ums Coronavirus verfolgen.
Eine weitere Annahme: Dienstagabend erschien "Warzone", ein neuer Ableger der Shooter-Reihe "Call of Duty". Fans konnten sich das Spiel kostenfrei herunterladen und loslegen. Interessant ist, dass die Zahlen laut DE-CIX am nächsten Tag wieder zurückgingen. Allerdings blieben sie weiterhin auf einem hohen Niveau – zeitweise lagen sie bei 8,5 Terrabit die Sekunde.
Doch wie gesagt: Es sind nur Annahmen.
Dass erhöhter Datenverkehr letztlich zu Problemen mit der Internetverbindung führen kann, zeigte sich bereits in Italien. Dort stieg laut Telecom Italia in den vergangenen Wochen der Traffic um 70 Prozent. Als Gründe wurden die Isolation der Einwohner sowie die Begeisterung für das Spiel "Fortnite" vermutet. Vereinzelte Haushalte kamen in der Zeit nicht mehr ins Netz.
Es liegt nahe, selbiges auch für Deutschland zu vermuten. Ein Sprecher der Deutschen Telekom sagt auf Anfrage von watson:
Der hierzulande gestiegene Datenverkehr machte sich auch bei der Telekom bemerkbar, ergänzt der Pressesprecher. Die Notfallpläne dienen dazu, die Kommunikation und den Betrieb von Not- und Rettungsdiensten, Krankenhäusern sowie den Katastrophenschutz zu gewährleisten. Das unterstütze die Versorgungslage der Bevölkerung.
Der Netzanbieter 1&1 hat sich zwar nicht zu Notfallplänen geäußert, doch gibt sich watson gegenüber selbstbewusst:
1&1 überprüfe die Auslastung seines Netzes permanent und habe die Möglichkeit, die Kapazität bei Bedarf zu erweitern.
Eine Herausforderung für das Unternehmen gäbe es entsprechend nicht. Selbiges sagt auch ein Sprecher von Vodafone. Allerdings behalte das Unternehmen die Lage im Auge, um bei Veränderungen entsprechend zu reagieren. Telefónica Deutschland äußerte sich auf Anfrage von watson bisher nicht.
Auch die Bundesnetzagentur sagte, dass die Netzanbieter in Deutschland auf einen zunehmenden Datenverkehr gut vorbereitet sind. "Gravierende Beeinträchtigungen werden aktuell nicht erwartet", heißt es weiter. Zudem weist die Behörde noch auf etwas hin:
Zwar müssen alle Anbieter von Netzdienstleistern gleich behandelt werden, doch besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen.
Wie sehr sich die Netzauslastung noch steigern kann, ist erstmal nicht sicher. Klar ist hingegen, dass es in den vergangenen Tagen zu einer auffälligen Erhöhung kam.
Ebenfalls spannend zu wissen wäre es, ob Streaminganbieter wie der alles verdrängende Riese Netflix oder das ebenfalls starke Amazon Prime mit einer höheren Auslastung zu kämpfen haben. Leider möchten sich beide gegenüber watson nicht dazu äußern.
"Zu sensibel" sei das Thema laut Netflix und eine Pressesprecherin von Amazon Prime sagt, dass sie keine kundenbezogenen Daten sowie Angaben zur – schön verklausuliert – "Nutzungspräferenz" herausgebe.
Zumindest Spieledienst Steam gibt sich hinsichtlich der Nutzerzahlen offen: So waren vergangenen Sonntag 20 Millionen Nutzer gleichzeitig auf der Plattform online. Das gab es noch nie.