Noch immer wüten in Australien verheerende Buschbrände. Sie zerstören Millionen Hektar Land, brennen Häuser nieder, töten hunderte Millionen Tiere und fordern Menschenleben. Mehr als 20 Tote haben die Australier bereits zu beklagen.
Nun hat die Feuerwehr erstmals gute Nachrichten zu verkünden. Eines der Großfeuer nahe Sydney sei unter Kontrolle – das "Gospers Mountain Fire" sei eingedämmt, der Chef der Feuerwehr zeigte sich zuversichtlich, dass seine Leute den Brand auch weiterhin kontrollieren können.
Die Hoffnung auf Besserung der Lage wird zudem von Wetterberichten genährt, nach denen in einigen Brandgebieten bis zu 50 Millimeter Regen fallen sollen. Die Feuerwehr bezeichnet diese Regenfälle schon mal als "alle Weihnachts-, Geburtstags-, Verlobungs-, Jubiläums-, Hochzeits- und Abschlussfeiergeschenke in einem".
Wenn er denn wirklich fällt, der Regen.
Seit Beginn der Feuerkrise im Herbst vergangenen Jahres wurden immer wieder Forderungen nach besserem Feuermanagement laut. Und hier könnten ausgerechnet jene Australier helfen, die die weiße Mehrheitsgesellschaft in Down Under jahrhundertelang marginalisierte – die indigene Bevölkerung Australiens, auch bekannt unter der Bezeichnung Aborigines.
Angehörige dieser (keineswegs homogenen) Bevölkerungsgruppe beherrschen eine seit rund 50.000 Jahren überlieferte Kulturpraxis, die als "cultural burning" bezeichnet wird.
Beim "cultural burning" werden also kontrollierte Feuer mit niedrigen Temperaturen entzündet. Diese Feuer verbrennen genau jenen "Treibstoff", der die großen Buschbrände nährt – etwa trockenes Gras, Laub und Äste. So können zum Beispiel Schneisen entstehen, die die gefährlichen Buschfeuer nicht mehr überqueren können. Die niedrigere Temperatur der Flammen sorgt außerdem dafür, das Baumkronen nicht Feuer fangen.
Diese Technik wird nicht nur zur Verhütung von Buschfeuern eingesetzt, sondern auch zur Pflege des Landes. "Die Technik regeneriert das Land und befördert Biodiversität – die Asche düngt und das entstehende Potassium lässt Pflanzen besser blühen", erklärte Shannon Forster, Expertin für indigenes Wissen australischer Ureinwohner der Technischen Universität Sydney, der britischen BBC. "Das ganze ist ein komplexer Kreislauf, der auf kulturellen, spirituellen und wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht."
Das ist korrekt. Tatsächlich setzen die australischen Behörden im Kampf gegen die Flammen auch auf das kontrollierte Abbrennen von Buschland als Teil einer Feuervermeidungsstrategie – mit bescheidenem Erfolg. "Die derzeitigen kontrollierten Feuer verbrennen alles", klagte Forster.
Was sie meint, zeigt ein Feuer aus dem Jahr 2015. Damals geriet ein kontrollierter Brand im Bundesstaat Victoria außer Kontrolle, zerstörte vier Häuser und verbrannte 3000 Hektar Land.
Oft macht den staatlichen Versuchen, kontrollierte Brände zu legen, auch das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Die Temperaturen in Australien steigen an, dazu kommen heiße Winde. In solchen Bedingungen lässt sich kein Feuer kontrollieren.
Es mag banal klingen. Aber: Beim "cultural burning" muss man wissen, was man tut. "Es geht um Wissen", erklärte der Historiker Bill Gammage dem US-Nachrichtensender CNN. Er forscht zur Geschichte der Aborigines an der Australia National University. Die indigene Bevölkerung wisse, welches Feuer für welchen Landtyp entzündet werden muss, wie lange die Feuer brennen müssen und wie oft.
Verschiedene Faktoren müssten berücksichtigt werden, etwa, welche Pflanzen im fraglichen Gebiet wachsen oder wie das Wetter ist.
"Man braucht eine Menge Wissen um das jeweilige Stück Land." Bereits frühe Siedler aus Europa versuchten, die Technik der indigenen Bevölkerung zu kopieren, aber die Feuer seien immer zu heiß gewesen und hätten so einen gegenteiligen Effekt gehabt, sagte der Historiker.
Er geht noch weiter: "Wo die indigene Bevölkerung bestimmen kann, gibt es solche Großbrände nicht. Im Süden, wo die Weißen das Sagen haben, da haben wir die Probleme."
Also müsste Australien ja nur dem Wissen seiner indigenen Bevölkerung mehr Raum geben und es hätte künftig keine Feuerprobleme mehr, oder? Nein, beziehungsweise Jein.
Die Praxis lässt sich nur auf begrenztem Raum anwenden, aber Australien ist riesig. Das bedeutet, es müssen viele Feuer entzündet werden – und dafür fehlt es es an geschultem Personal, auch innerhalb der indigenen Bevölkerung Australiens.
Dazu kommt, dass die Experten für dieses Kulturtechnik strengen Auflagen unterliegen. Oftmals müssen eine Menge Genehmigungen von staatlichen- oder Gemeindestellen eingeholt werden, bevor so ein Feuer entzündet werden kann.
Zudem kann auch ein noch so sensibel durchgeführtes "cultural burning" die Feuergefahr lediglich reduzieren. Das liegt unter anderem an den veränderten klimatischen Bedingungen in Australien. Starke Winde und außergewöhnliche Trockenheit bringen auch "cultural burning" an seine Grenzen.
Damit diese Kulturpraxis tatsächlich helfen kann, Buschbrände zu verhüten, braucht es vor allem eines: Geld. Oliver Costello, Geschäftsführer der "Firestick Alliance", sagte dem australischen Nachrichtensender ABC: "Wir brauchen viel höhere Investitionen um diese Praxis Teil herkömmlicher Feuermanagment-Strategien werden zu lassen."
Die meisten indigenen Communities ,mit denen er zusammenarbeite, hätten nicht genügend Ressourcen, um ihre eigenen Leute bei der Landpflege zu unterstützen. "Das ist ein riesiges Problem." Es brauche ein drei- bis vierjähriges Ausbildungsprogamm und "Investitionen von jedem, der dieses Land wieder gesund sehen will".