Mehr als drei Jahre kämpfte die 31-Jährige Kelly gegen ihre Krebserkrankung. Zuletzt machte die Britin eine erneute Chemotherapie durch und hatte Hoffnung, den Darmkrebs endlich besiegen zu können. Doch dann kam die Corona-Krise und die Hoffnung auf Heilung schwand wieder. Denn durch die Vorsichtsmaßnahmen, von denen auch das Gesundheitswesen betroffen war, wurden konnten manche Behandlungen nicht stattfinden. Auch Kellys Krebs-Behandlung wurde für zwölf Wochen unterbrochen. Ein Schock für die junge Frau.
In einem Podcast mit dem britischen Nachrichtensender BBC erklärte sie, wütend auf Covid-19 zu sein. "Ich glaube nicht, dass diese Pause gut für mich ist." Auf die Frage, ob sie Angst habe zu sterben sagte sie: "Panik. Extreme Panik. Ich möchte nicht sterben." Kurz nach dem Interview dann die traurige Nachricht: Am 13. Juni erlag Kelly ihrer Krebserkrankung. Sie hinterlässt einen 4-jährigen Sohn.
Das Schicksal von Kelly ist offenbar kein Einzelfall. Wegen der Pandemie werden nicht nur viele Krebsbehandlungen ausgesetzt oder verschoben. Auch Diagnosen können aufgrund fehlender Screening-Angebote nicht stattfinden. Das ergeben Recherchen der BBC in Berufung auf eine Studie des Unternehmens Data-Can und des Healthcare Research Hub (HDR UK). Die Datenauswertung aus acht Krankenhäusern zeigt: Im schlimmsten Fall könnten im nächsten Jahr zusätzlich 35.000 Menschen an den Folgen ihrer Krebserkrankung sterben – allein in Großbritannien.
Mark Lawler, Professor an der Universität von Belfast, nennt die Prognose "sehr beunruhigend." Die Anzahl der dringenden Überweisungen von Krebspatienten nahm um 45 Prozent ab im Vergleich zur Vor-Krisen-Zeit. Hausarztbesuche gingen um 60 Prozent zurück, wodurch Patienten nicht für mögliche Tests vermittelt werden konnten. Die Onkologin Pat Price sagte der BBC:
Die Strategie, Krebstherapien abzusagen oder zu verschieben sei mit einem hohen Risiko verbunden gewesen, so die Ärztin. Einige Strahlentherapiegeräte seien während der Pandemie ungenutzt geblieben. Eine Nutzung der Geräte hätte vermutlich Leben retten können.
Der nationale Klinikdirektor für Krebskrankheiten, Peter Johnson, war dafür verantwortlich, die Richtlinien zur Behandlung von Krebspatienten während der Pandemie festzulegen. Er betont gegenüber der BBC: "Als Infektionen mit dem Virus in der Bevölkerung sehr schnell zunahmen, wollten wir sicherstellen, dass wir das richtige Gleichgewicht finden zwischen dem Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren, und dem Risiko, dass sich der Krebs der Menschen verschlimmert."
Jetzt arbeite man daran, die Kapazitäten für die Behandlungen wieder voll auszulasten und sich auch um die Menschen zu kümmern, die wegen der Pandemie nicht diagnostiziert werden konnten.
Mark Lawler hofft indessen, dass seine Prognosen zu den zusätzlichen Krebs-Toten nicht in Erfüllung gehen: "Natürlich mögen Wissenschaftler es, wenn sie in Bezug auf ihre Analysen recht behalten, aber in diesem Fall hoffe ich, dass wir falsch liegen."
(lau)