
"Ficken" statt "Scheiße": Die Schimpfwörter der Deutschen ändern sich laut Sprachforschern.Bild: dpa
Leben
Gregor Tholl, dpa
Eine deutsche Marotte: Während Amerikaner, Russen, Spanier – eigentlich fast alle in der Welt – sexuell beleidigen, wird es hierzulande eher fäkal. Sprachforscher sehen aber eine Aufweichung dieser Tradition.
26.01.2020, 19:1726.01.2020, 19:17
Wenn Amerikaner, Engländer, Russen, Franzosen,
Spanier, Italiener oder auch Holländer jemanden beschimpfen, wird es
schnell sexuell. Deutsche und Österreicher haben in ihrer Sprache
dagegen eher Fäkales im Angebot. Es handelt sich um einen
jahrhundertealten Sonderweg in Mitteleuropa mit einer gewissen
Vorliebe für Exkremente und Ausscheidungen. Während es zum Beispiel
auf Englisch "Fuck off" heißt, sagen Deutschsprachige traditionell
"Verpiss dich". Der englische Ausruf "Fuck!" entspricht auf Deutsch
"Scheiße!". Die Globalisierung macht aber auch vor dem Wortschatz
nicht Halt.
Jüngere Deutsche schimpften inzwischen sexualisierter als ältere,
meint der Sprachwissenschaftler André Meinunger in Berlin. Er
arbeitet am Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) und
sagt: "Deutsche fluchen eigentlich sehr fäkal, während Amerikaner und
Engländer, aber auch Italiener eher sexuelle Schimpfwörter haben.
Doch da gibt es in den letzten Jahren einen Wandel und das Deutsche
passt sich an. Also die Nutzung des Wortes "Fuck" zum Beispiel hat
sich stark ausgebreitet."
So werde heute auch mal eher gesagt, jemand sei "gefickt" statt
"gearscht". Oder aber es heißt "Du Schwanz" statt "Du Arsch". Das war
auch erst vor ein paar Monaten in einem Internet-Video mit dem Rapper
Fler zu sehen, der nach einer Polizeikontrolle Beamte beschimpfte.
Üblicher geworden sind auch neben traditionellen Tierschimpfwörtern
(Sau, Esel, Kuh) Begriffe wie "Du Opfer", "Du Lauch" und ganz derbe
Wörter wie "Fickfehler" (ursprünglich ungewolltes Kind, inzwischen
allgemein für Idiot) sowie der Ausruf "Fick Dich" (also das englische
"Fuck you" übersetzt).
Andere Sprachen, andere Flüche
Im Italienischen ist es recht üblich, jemanden mit "Cazzo" (Schwanz)
zu beschimpfen, im Französischen heißt es oft "putain" (Hure) und es
wird ausgehend von einem Wort für die Vagina geschimpft ("con",
"conne", "connasse"), was inzwischen aber als Begriff ein Eigenleben
entwickelt hat. Das Deutsche kennt zwar auch die "Fotze" als äußerst
derbe Beleidigung, üblicher ist jedoch gerade in älteren Generationen
das gute alte "Arschloch", das gendermäßig wenigstens neutral ist.
Eingehende Malediktologie (Schimpfwortforschung) gibt es in
Deutschland kaum, wie Meinunger sagt. "Welcher Forscher will sich
schon damit rühmen, Experte fürs Fluchen zu sein?" Doch eigentlich
handelt es sich um den spannendsten Bereich der Sprache. Viele, die
eine Fremdsprache lernen, sind neugierig auf die Schimpfwörter,
Beleidigungen, auf das sexuelle Vokabular, aufs Explizite.
"Sprache ist im Fluss, viele Einflüsse kommen aus der Jugendkultur, in den letzten Jahren zum Beispiel oft und vielfach aus dem Hip-Hop."
Meinunger über die sprachlichen Verschiebungen
Durch Rapper mit Migrationshintergrund werde die
deutsche Sprache in einem gewissen Sinne bereichert, darunter
Begriffe wie "Babo" (Chef) oder "Chaya" (Tussi). "Wir leben hier
zusammen mit Menschen, die mehrsprachig sind, und übernehmen auch die
Slangs von ihnen."
Junge Leute schauten zudem öfter (amerikanische und britische) Filme
und Serien im Originalton, was ebenfalls einen Beitrag dazu leisten
dürfte, dass es bei Wut und Zorn anders aus ihnen herausbricht als
noch bei ihren Eltern oder Großeltern.
Der Wandel schreitet voran – langsam
Der emeritierte Sprachforscher Hans-Martin Gauger in Freiburg gehört
zu den wenigen, die sich mit Beschimpfung, Diffamierung, Schmähung
und Verunglimpfung ausgiebig wissenschaftlich beschäftigt haben. Er
veröffentlichte vor gut sieben Jahren das Buch "Das Feuchte und das
Schmutzige: Kleine Linguistik der vulgären Sprache".
Gauger gibt zu bedenken, dass die Schimpfwörterveränderung im
Deutschen langsam und auch nicht überall passiere. Er sehe sie vor
allem in Großstädten, etwa in Berlin, im Ruhrgebiet, in Frankfurt und
Hamburg, wo junge Deutsche viel eher mit Nicht-Deutschen Tür an Tür
lebten. Der Fachbegriff für diesen Vorgang laute "Adstratwirkung",
damit ist der wechselseitige sprachlich-kulturelle Einfluss gemeint.
Beim sexuellen Schimpfen in anderen Sprachen sieht Gauger meist einen
frauenfeindlichen Untergrund. Das Weibliche sei fast immer negativ
konnotiert. Beim Schimpfen kultivierten viele Sprachen "männliche
Abgebrühtseinsfantasien". Auch da sei das Deutsche lange Zeit einen
Sonderweg gegangen. Jemandes Mutter oder Schwester herabzusetzen, um
damit den Mann bei seiner Ehre zu packen, sei in Deutschland und
Österreich beispielsweise unüblich. Das sei aber im Türkischen oder
Italienischen zum Beispiel normal und sickere nun ein bisschen ein.
Was das Sexuelle im Deutschen beim Schimpfen angeht, nennt Gauger
außerdem eine Ausnahme: den südwestdeutschen Raum des
Schwäbisch-Alemannischen. Dort ist der Sack als Frotzelei
gebräuchlich. Laut Gauger geht er ursprünglich auf die Bezeichnung
für das männliche Glied zurück. Für hochdeutsche Ohren klingt das
aber eher niedlich als nach Beschimpfung: "Säckel" oder "Seggl".
Von Schokolade können viele Menschen nicht die Finger lassen, obwohl allseits bekannt ist, dass sie oftmals viel Zucker, Fette und Kalorien enthält. Ein Chocolatier hat nun eine kuriose Alternative kreiert.
Die Auswahl an Schokolade, die einem im Supermarkt geboten wird, ist riesig. Dunkel, Vollmilch oder weiß? Mit ganzen Haselnüssen, Mandelsplittern oder doch gehobelter Macadamia-Nuss? Und dann gibt es noch ausgefallenere Sorten wie Mango-Chili, Joghurt-Passionsfrucht oder Rosmarin-Gin.