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Porno-Forscherin kritisiert Sat.1-Doku: "Ziel ist Erregung"

Mirjam, Karina, Jasmine, Britta und Bianca bei "Mütter machen Porno".
Mirjam, Karina, Jasmine, Britta und Bianca bei "Mütter machen Porno". Bild: Sat.1
Analyse

Porno-Forscherin kritisiert "Mütter machen Porno": "Ziel ist die Erregung, nicht Bildung"

30.07.2020, 15:3330.07.2020, 16:11
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Wenn fünf Mütter sich zusammenschließen, um einen Pornofilm für ihre Kinder zu produzieren, mögen das die einen verwunderlich, wenn nicht sogar schrecklich finden. Andere freuen sich womöglich über die Aufgeklärtheit der Frauen, die für ihre Kinder einen offeneren Umgang mit Sex oder zumindest dessen filmischer Darstellung suchen.

So oder so: Irgendein Gefühl wird der Zuschauer oder die Zuschauerin jedenfalls haben, wenn er die neue Sat.1-Doku "Mütter machen Porno" sieht. Darin begleitet ein Filmteam fünf Frauen, die der Mainstream-Porno-Industrie den Kampf ansagen wollen und einen eigenen, sexpositiven Porno produzieren. Mit aufklärerischem Ansatz.

"Ich stehe dem Konzept der Sendung ambivalent gegenüber", sagt die Amerikanistin Madita Oeming von der Universität Paderborn. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich vorrangig mit Pornofilmen, deren Ästhetik und unserem Umgang mit ihnen. Watson hat mit ihr über die Sendung "Mütter machen Porno" gesprochen.

Pornos schauen ist für viele Menschen mittlerweile ganz normal

Den Grundgedanken der Doku findet Oeming erst einmal "super, denn wir müssen mit jungen Menschen über Pornografie sprechen." Auch dass durch die Dokumentation der Dialog über das Thema Pornografie hergestellt wird, begrüßt die Wissenschaftlerin. Sie glaubt:

"Die Eltern in der Sendung erkennen ihre Verantwortung in der Erziehung an, die auch die Aufklärung über Pornos betrifft. Denn Pornografie ist mittlerweile zur Alltagskultur geworden, weil sie so leicht verfügbar ist."

Dass pornografische Inhalte aus unserem Alltag eigentlich kaum noch wegzudenken sind, bestätigt auch die vergangene Folge von "Mütter machen Porno": Dort heißt es, dass etwa 14 Millionen Menschen hierzulande Sexfilme konsumieren würden, den ersten schon im durchschnittlichen Alter von 11 Jahren.

Das junge Alter, in dem die Zuschauer zum ersten Mal mit Sexfilmen in Kontakt kommen, ist einer der Beweggründe der Protagonistinnen von "Mütter machen Porno", ihren eigenen Film zu produzieren: Wer nämlich nach Pornos sucht, findet oftmals nicht nur klassischen Sex, sondern auch Gewalt, Fetische oder sämtliche andere Formen von Sexualität, die von der Norm abweichen könnten.

Mehrfach betonen die Mütter in der Sendung, einfachen Sex zeigen zu wollen, um junge Menschen, die vielleicht noch keine sexuelle Erfahrung mit Partnern oder Partnerinnen gesammelt haben, nicht zu traumatisieren. Genau hier sieht Oeming allerdings ein Problem:

"Ich finde die Wertung in der Sprache, die die Frauen verwenden, problematisch. Es geht ihnen darum, ‘normalen’ Sex zu zeigen – also in ihren Augen zwischen einem Mann und einer Frau. Jeder andere Sex wird abgewertet."

Das zeigt sich in der Diskussion, die die fünf Frauen in der Sendung führen, ob sie eine Sexszene mit mehreren Menschen, vorzugsweise einem Mann und zwei Frauen, zeigen wollen. Während die einen meinen, so eine beliebte Sexfantasie abzubilden, sieht vor allem Mutter Jasmine den Sex zu dritt als Grenzüberschreitung und unpassend für junge Menschen. Oeming beobachtet: "Homosexueller Sex oder Sex zwischen mehr als zwei Menschen scheint schon ein Tabu zu sein."

Wir müssen von Pornos nichts lernen – können aber

Stellenweise scheinen sich die Protagonistinnen nicht darüber einig zu sein, ob sie einen sexpositiven Unterhaltungsfilm oder einen aufklärerischen Porno produzieren wollen. Ist es überhaupt möglich, in diesem Genre sexuelle Bildung vermitteln zu wollen? Oeming steht dem zwiegespalten gegenüber: "Ich finde es schwierig, den Anspruch zu erheben, einen Aufklärungsporno drehen zu wollen, wie die fünf Frauen sagen." Weiterhin findet sie:

"Pornos sollten keinen Bildungsauftrag haben, sondern unterhalten. Das wäre so, als würden wir von Action-Filmen erwarten, dass sie uns Autofahren beibringen."

Schließlich wollen Pornos in erster Linie sexuelle Fantasien zeigen, die natürlich etwas überspitzt sein dürfen – wie die Geschichten in jeder anderen Art von Film es eben üblicherweise auch sind. "Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass wir von Pornos nichts lernen können", so Oeming. "Aber es sollte nicht unser Anspruch an sie sein. Der Reiz des Pornografischen liegt gerade in der Übertreibung und das Ziel ist die Erregung, nicht Bildung."

Sex ist zunächst weder "eklig" noch "krank" – sofern er einvernehmlich stattfindet

Was einen letztlich erregt, hängt vom Betrachter ab. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, wie es so schön heißt – sofern die Freiwilligkeit aller Beteiligten gewährleistet ist, selbstverständlich. Dennoch scheinen die Protagonistinnen in "Mütter machen Porno" mit so manch einer Sexpraktik Probleme zu haben. "Eines der größten Probleme der Sendung sehe ich im Kink-Shaming, hier also vor allem im Abwerten von BDSM-Praktiken", kritisiert Oeming.

BDSM steht für Bondage, Disziplin/Dominanz, Submission/Sadismus und Masochismus und beschreibt eine sexuelle Praktik, bei der einvernehmlich mit Unterwerfung, Schmerz oder Fesseln gespielt wird. Es geht also nicht darum, dem Partner oder der Partnerin echte Gewalt anzutun: Wie weit man im Spiel gehen kann, wird in der Regel vorher verabredet.

Dennoch zeigen sich die Protagonistinnen in "Mütter machen Porno" schockiert, als sie bei einer Erotikmesse sehen, wie ein Mann von einer Domina versohlt wird oder sie sich bei einem Workshop Fesseltechniken zeigen lassen. "Dafür herrschte nicht nur Verständnislosigkeit, sondern geradezu Respektlosigkeit", sagt Oeming und fügt hinzu:

"Da fielen extrem wertende Bezeichnungen wie 'unnormal', 'eklig' oder 'krank'."

BDSM wurde bei "Mütter machen Porno" laut Oeming sehr kurzsichtig gleichgesetzt mit Gewalt. "Dass es dabei um ein Spiel von Kontrolle und Loslassen geht, das in gegenseitigem Einverständnis geschieht, wurde überhaupt nicht beachtet", sagt die Wissenschaftlerin. "Auch schienen die Frauen nicht unterscheiden zu können zwischen gespielten Gewaltszenen, also Gewaltfantasien, und echter Gewalt. Ironischerweise haben sie hier also ihren eigenen Mangel an Medienkompetenz vorgeführt."

Beim Porno-Schauen gibt es keine "falschen" Gefühle

Trotz der Kritikpunkte lobt Oeming allerdings, dass die Sendung "Mütter machen Porno" zumindest den Dialog eröffnet. "Es hilft immer, wenn wir über Pornos sprechen", sagt Oeming. "Weil es gegen Scham und Unwissen hilft."

Gerade für Eltern ist es wichtig, Zugang zu diesem wichtigen Thema bei ihren Kindern zu finden. Besonders, weil Pornos durch das Internet so leicht zugänglich sind und vor allem beim ersten Sehen viele Fragen aufwerfen könnten. Dann ist es gut, wenn Kinder keine Scham verspüren, ihre Eltern auf die pornografischen Bilder oder Filme anzusprechen.

"Wir sollten allerdings darauf achten, welche Sprache wir dabei verwenden", rät Oeming den Müttern und Vätern. "Wenn die Eltern ihren Kindern beispielsweise immer sagen: Diese Art von Sex ist eklig, das hier ist krank – dann sendet das eine sehr schwierige Botschaft."

Stattdessen sollte laut Oeming eher vermittelt werden:

"Wenn man Erregung beim Schauen eines Pornos verspürt, ist das normal – Ekel oder andere Gefühle aber auch. Da gibt es zunächst kein Richtig oder Falsch."
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