Während sich die Inzidenzen in Deutschland noch unter zehn liegen spitzt sich in Spanien wieder zu: Wegen stark steigender Corona-Infektionszahlen stuft die Bundesregierung ganz Spanien und damit auch Mallorca sowie die Kanaren am Sonntag als Risikogebiet ein. Das gab das Robert Koch-Institut am Freitag bekannt. Das bedeutet, dass das Auswärtige Amt mitten in den Sommerferien wieder von touristischen Reisen in das beliebteste Urlaubsland der Deutschen abraten wird.
Praktische Folgen ergeben sich für Urlauber aber kaum: Wer mit dem Flugzeug aus Spanien nach Deutschland zurückkehrt, muss wie bisher einen negativen Test oder einen Nachweis über eine vollständige Impfung oder Genesung dabeihaben. Damit entfällt dann die Quarantänepflicht.
Hauptauslöser des rapiden Infektions-Anstiegs auf Mallorca sollen junge Spanier vom Festland gewesen sein, die ihre Abi-Reisen im Juni dort verbrachten. Nach Angaben des spanischen Gesundheitsministeriums wurden landesweit mindestens 1824 Menschen im Zuge nur dieses speziellen Corona-Ausbruchs infiziert und 5978 unter Quarantäne gestellt – hunderte wurden im Anschluss im Quarantänehotel in Palma untergebracht.
Die Corona-Neuinfektionen im Land betreffen nun vor allem die jungen Menschen, wie der Chef-Epidemiologe des spanischen Gesundheitsministeriums Anfang der Woche sagte: "Die heutigen Zahlen sind überhaupt nicht gut", so Fernando Simon. Die Zahlen in den unterschiedlichen Altersgruppen variierten stark, "unter den Jüngsten haben wir eine Inzidenz von fast 600."
Auf einer Urlaubsinsel wie Mallorca, die auch von zahlreichen jungen Deutschen angeflogen wird, sind dies Nachrichten, die nicht nur die Touristen, sondern auch die Gastronomen beunruhigen. Schließlich hatten die, nach einer harten Corona-Saison 2020, nun auf Entspannung gehofft.
"Das Geschäft lief wieder ganz gut – natürlich nicht mit den Jahren vor der Pandemie zu vergleichen", berichtete etwa Ron Büttner gegenüber watson vom Saisonstart. Er betreibt die Kult-Kneipe "4711 Kölsch Bude" am Ballermann und hat durch die Coronakrise phasenweise ganz auf Gäste an der Theke verzichten müssen.
2020 duften die Deutschen Mallorca erst seit dem 21. Juni als Urlaubsziel anfliegen, schon einen Monat später wurde der Ballermann wieder dichtgemacht, weil die balearische Landesregierung den Partytourismus fürchtete. Die Sommersaison fiel dadurch für die dort ansässigen Gastronomen und Hoteliers mehr oder weniger flach.
Dieses Jahr schien alles besser: Die Impfkampagne zog an und dank niedrigen Inzidenzen auf Mallorca, Menorca und Ibiza durften die Deutschen dann bereits um Ostern herum wieder auf die Balearen fliegen – die Urlaubssaison war eröffnet. Doch jetzt ist alles wieder unsicher.
Watson sprach auch mit der 23-Jährige Touristin Jenny aus Trier, die gerade erst mit zwei Freundinnen auf Mallorca war: "Wir hatten trotz Corona einen sehr schönen Urlaub. Man konnte sich frei bewegen und musste bis auf die Maskenpflicht eigentlich nichts beachten." Ein ungutes Gefühl habe sie nicht gehabt.
So erlebte auch Gastronom Ron Büttner die Touristen – watson sprach mit ihm kurz vor der Erklärung Mallorcas zum Risikogebiet. "Unsere Gäste sind froh, wieder Mallorca besuchen zu dürfen", sagte er da. "Was aber keiner so richtig versteht, sind die Maßnahmen zur Coronabekämpfung. Anstatt die Gäste in der Gastronomie zu lassen, wo alle sich relativ sicher bewegen, werden sie nachts auf die Straße befördert, wo dann Chaos herrscht. Da muss man nicht besonders schlau sein, um sich auszumalen, was passiert..."
Befeuerten die Corona-Maßnahmen also unfreiwillig die steigenden Inzidenzen? Tatsache ist: Bars und Restaurants auf der Insel dürfen seit dem 6. Juni wieder ihre Innenräume öffnen, allerdings gilt eine Sperrstunde ab 2 Uhr morgens. Die Discos und Nachtclubs, in die sich die Party dann normalerweise verlagern, sind aber noch geschlossen, was zu unkontrollierten Feiern auf der Straße führt.
Da inzwischen keine Ausgangssperren oder Beschränkungen privater Treffen mehr gelten, ist die Partylaune im Freien ungebremst. "Zum Glück sind alle mindestens getestet oder sogar geimpft", so Ron Büttner zum nächtlichen Treiben.
Auch Touristin Jenny machte diese Beobachtung: "Es ist tatsächlich so, dass die Gastronomen sich an die Coronaregeln halten", sagt sie. "Das Problem ist: Wenn die Bars schließen, versammeln sich überwiegend alkoholisierte Jugendliche an der Strandpromenade in großen Gruppen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die steigenden Inzidenzen auch daraus resultieren."
Der Branchenverband der Betreiber von Discotheken und Nachtclubs (Abone) hatte sich für eine schrittweise Öffnung der Clubs eingesetzt. Die war eigentlich ab dem 17. Juli geplant, nun wurde der Plan aufgrund der aktuellen Negativ-Entwicklung zwei Wochen nach hinten verschoben. Die Balearen-Regierung hat am Mittwoch zudem ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot ab 22 Uhr beschlossen. Von einer Ausgangssperre sehen sie bislang aber ab.
Für die Sommersaison auf Mallorca wäre das ein Fiasko, doch noch hoffen alle, dass es weitergehen kann und die Zahlen wieder sinken. Wie es nun, wo die Insel wie ganz Spanien von Deutschland zum Risikogebiet erklärt wurde, weitergeht, wird sich noch zeigen müssen.
Die balearische Regierung setzt jetzt auf eine groß angelegte Testoffensive: Laut der Mallorca Zeitung wurden am Dienstag Massentests für junge Menschen (16 bis 29 Jahre) auf Mallorca und Menorca angekündigt, 90 Soldaten vom Festland sollen die ansässigen Mitarbeiter zudem bei der Kontaktverfolgung unterstützen. Diese gestaltet sich im Party-Ambiente der Insel schwierig, da die Menschen sich kaum kennen würden, so ein Sprecher der Inselregion.
Dass es überhaupt wieder zu einem solchen Corona-Absturz auf Mallorca kommen konnte, ist nach Ron Büttners Meinung der Landesregierung zu verdanken, die ungetestete und ungeimpfte Jugendliche vom Festland auf die Insel gelassen hätte. So könne "man die Maßnahmen hochhalten und den Gästen den Spaß am Feiern nehmen", glaubt er.
Der Reisekonzern FTI hatte noch am Montag gemeldet, dass Mallorca-Buchungen nicht rückläufig seien, "sodass wir für die Insel derzeit kein erhöhtes Stornierungsaufkommen vermelden". Nun bleibt abzuwarten, ob Reisende sich durch die Einstufung Spaniens als Risikogebiet noch einmal anders verhalten – oder ob sie mit Test oder Impfzertifikat in der Tasche sorglos hin und her reisen.
Touristin Jenny hatte keine Angst vor Restriktionen bei der Rückkehr, da die Corona-Situation damals "relativ stabil" war, sagt aber: "Ich denke in ein paar Wochen sieht die Lage aber schon wieder anders aus, und wir hätten dann von einer Reise eventuell abgesehen."
Die Unsicherheit bleibt Mallorca-Reisenden also auch im zweiten Corona-Sommer erhalten. Für die Gewerbetreibenden vor Ort ist das eine bittere Erkenntnis, doch Ron Böttner glaubt weiter daran, dass seine Kneipe auch die harten Jahre der Pandemie überstehen wird. Einfach, weil die Deutschen Mallorca treu bleiben, Corona hin oder her. "Unsere Gäste werden weiter auf die Insel kommen", ist er überzeugt.
(mit Material der dpa und afp)