Gruselig ist der heutige Freitagmorgen zunächst eher aufgrund der Jahreszeit: grau, feucht und windig. Doch dann das: Das Auto springt nicht an – gestern funktionierte die Karre doch noch, was ist los? Freitag, der 13., dämmert es mir, klar ...
Auch wenn für mich dieser Freitag ein schwarzer ist, laut Versicherungsstatistik ist er das nicht. So wies die Gothaer Versicherung in einer Pressemitteilung vom 11. Januar 2023 darauf hin, dass die gemeldeten Schadensfälle an Freitagen im Durchschnitt nicht höher seien, als an einem Freitag, den 13. Meist sogar eher darunter. Weil die Menschen an diesem Tag aus Angst vor Unglück besonders vorsichtig sind?
Für die Angst vor diesem Tag gibt es sogar einen eigenen, beinahe unaussprechlichen Namen: Paraskavedekatriaphobie. Was ist dran am Aberglauben um diesen Tag? Watson hat nachgehalten.
In einer exklusiven Civey-Umfrage haben wir Menschen befragt, ob sie glauben, dass "Freitag, der 13." Unglück bringt. Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Miriam Hoff hat watson ihre Eindrücke aus der Praxis geschildert, wie es um den Aberglauben in der jungen Generation steht.
Laut der repräsentativen Umfrage, für die Civey vom 4. bis 12. Januar 2023 online 5000 Bundesbürger:innen ab 18 Jahren befragt hat, glaubt eigentlich fast niemand mehr an "Freitag, den 13." als besonderen Unglückstag. Nur ein Prozent der Befragten gab an, an diesem Datum definitiv drohendes Ungemach zu erwarten. Weitere zwei Prozent antworteten mit "Eher ja", sieben Prozent gaben "Unentschieden" an. In der Summe sind demnach also nur noch zehn Prozent von Aberglauben um diesen Tag betroffen. 90 Prozent, also die große Mehrheit, glaubt nicht, dass ein "Freitag, der 13." Unglück bringt.
Ausgewertet nach Alter, glauben mit knapp 96 Prozent besonders die Jüngeren im Alter von 18 bis 29 nicht, dass dieser Tag Unglück bringt. Am ehesten glauben Personen im Alter von 40 bis 49, dass es mit dem Freitag den 13. eine fatale Bewandtnis haben könnte.
Das bestätigt auch die Therapeutin Miriam Hoff auf Nachfrage von watson:
Eher würden Witze oder Sprüche darüber gemacht. Hoff beschreibt auch eine Umkehr: So interpretieren einige das Datum als einen Glückstag oder eine Glückszahl – nicht zuletzt, um sich eben von der Masse genau dadurch abzuheben.
Der Aberglaube, als psychologisches Phänomen betrachtet, schaffe laut Hoff den Spagat zwischen Hoffnung und Angst. Er ermögliche ein Stück Kontrolle in einer sonst unkontrollierbaren Situation – und das kann positive, aber auch negative Konsequenzen haben: Aberglaube etabliere eine gewisse Vorhersehbarkeit oder Ordnung.
Vor allem in Zeiten der Unsicherheit könne der Glaube an bestimmte Dinge, Tage oder Zahlen Sicherheit schaffen. Damit könne man dem Bösen aus dem Weg gehen, vorsichtig sein, es überwinden und hinter sich lassen.
Gerade bei jungen Menschen mehren sich Trends, die in Richtung einer neuen Spiritualität gehen: Der Astrologie-Boom beispielsweise. Auch moderne Hexen, die erfolgreiche Instagram-Accounts betreiben, Bücher schreiben und buchstäblich von ihrer Hexerei leben können.
Auch Miriam Hoff erlebt, dass Spiritualität bei jungen Menschen einen immer größeren Raum einnimmt, vor allem in den sozialen Medien: Themen wie Achtsamkeit, Meditation, Selfcare und gewisse Rituale hätten zugenommen.
Vor allem durch die Corona-Pandemie konnten viele dadurch laut Hoff die Kontrolle, die "außen" verloren ging, im "Inneren" wieder herstellen. "Es ist ein Weg, besser mit Zukunftsängsten umzugehen. Wenn ich durch Tarotkarten, Astrologie oder bestimmte Rituale eine positive Zukunftserwartung schaffe, ist das ein mächtiger Gegenimpuls zur Überflutung durch Ängste."
Durch Übernatürliches Kontrolle zu bekommen über die eigenen Lebensumstände, aber auch über andere Menschen und die Umwelt? Das klingt widersprüchlich, ist doch die Magie nichts berechen- oder greifbares.
Magisches Denken erfülle seit jeher die Funktion, etwas subjektiv beeinflussen zu können und sich damit von Hilflosigkeit und Ohnmacht, die äußere Ereignisse auslösen, zu befreien. "Wenn ich zum Beispiel einen Talisman mit in den Unterricht nehme oder ein gewisses Ritual vor dem Schlafengehen ausführe, stärke ich damit in mir selbst den Glauben, dass sich Dinge zum Guten wenden", beschreibt es die Therapeutin.
Das wiederum könne helfen, tatsächlich Ängste und Blockaden zu lösen." Doch das kann auch kritisch werden: Dann, wenn diese Rituale oder dieses Denken zwanghaften Charakter bekommen, warnt Hoff:
Ist die Angst vor "Freitag dem 13." also ein Fall für das psychologische Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung – eine Vorhersage, die ihre Erfüllung durch das eigene beeinflusste Verhalten selbst bewirkt? Die Therapeutin sieht diese Gefahr nur für einige wenige, beispielsweise Hochsensible. Menschen mit viel Fantasie, in sehr unsicheren Lebenssituationen oder jene mit einer Neigung zu zwanghaftem oder schizoiden Persönlichkeitsstörungen, die stark dem Aberglauben verfallen, sind gefährdet.
Hier könne die Fixierung auf eine negative Erwartungshaltung am Freitag, den 13. tatsächlich dazu führen, dass eben auch verstärkt Negatives wahrgenommen wird. Neutrale Dinge werden überinterpretiert und der Fokus auf "Unglück" ausgerichtet. Positive Dinge werden dann einfach übersehen.
Letztendlich kann Spiritualität und auch der Glaube an gute Mächte also Halt geben, und ist – im richtigen Maß angewandt – auch sicher eine gute Sache, sich zuversichtlich auf die Zukunft einzustimmen.
Entwickelt sich jedoch eine Abhängigkeit oder Fixierung auf diese Dinge, kann es eben auch ins genaue Gegenteil abdriften. Wie eben auch der bekannte Astrologe und Herausgeber esoterischer Literatur Hajo Banzhaf gerne ins Vorwort seiner Tarot-Bücher schrieb: "Tarot ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr".