Die Corona-Pandemie hat junge Menschen vermehrt psychologischen Belastungen ausgesetzt, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung mit Menschen zwischen 15 und 30 Jahren aufzeigt. Dort gaben 61 Prozent von ihnen an, sich einsam zu fühlen. 64 Prozent stimmten zu, psychisch belastet zu sein. 69 Prozent waren von Zukunftsängsten geplagt. Zudem gibt ein Drittel (34 Prozent) an, finanzielle Sorgen zu haben.
Diese psychischen Belastungen müssen aufgefangen werden, am besten bevor sie in Depressionen und Burn-Out münden. Die Frage ist nur: Wo? An den Lehrstätten der Auszubildenden und Studenten würde man einen Großteil dieser jungen Menschen erreichen, doch wie ist das Beratungsgebot dort überhaupt?
Aus einem Vergleich der zwanzig größten deutschen Universitäten durch die Lernplattform Charly Education wird zumindest ersichtlich: Alle der untersuchten Lehrstätten bieten psychologische Betreuung an, allerdings unterscheidet sich Umfang und Form gewaltig.
Spitzenreiter ist demnach die Universität zu Köln, dort werden neben Sprechstunden in der Hochschule und im Studierendenwerk auch gemeinsame Workshops sowie anonyme Beratungen per Chat oder Telefon angeboten. Schlusslichter sind die Fernuniversität Hagen und die RWTH Aachen. Beide Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen haben nur eine universitäre Sprechstunde im Angebot.
Neben konventionellen Sprechstunden wird zumeist auch eine Telefonseelsorge von Studenten für Studenten in den Abendstunden angeboten. Fünfzehn der untersuchten Unis bieten zudem Workshops an, die sich ganz gezielt mit Studien-Themen wie Prokrastination oder Überforderung beschäftigen.
Der absolute Großteil dieser Angebote ist für Studenten der jeweiligen Universitäten kostenlos verfügbar. Lediglich das Studentenwerk in Erlangen-Nürnberg fordert ein Entgelt von zehn bis fünfzehn Euro pro Einzel- oder Paargespräch.
Psychologische Betreuung ist momentan wichtiger denn je, gerade für frische Schulabgänger, wie Jugendpsychologin Miriam Hoff gegenüber watson berichtet: "Viele saßen die ersten Semester an der Uni vor allem alleine vor dem Rechner in ihrem WG-Zimmer", sagt sie. "Das ist ein großes Frustrationserlebnis: Man freut sich, endlich autonom zu sein und erste Schritte ins Erwachsenenleben zu machen und dann sitzt man isoliert in der Fremde oder noch schlimmer – muss zurück ins Kinderzimmer ziehen. Das ist zutiefst demotivierend und entmutigend."
Die Corona-Pandemie hat jedoch auch auf die Betreuung Auswirkung: Viele der Angebote können nur telefonisch oder per Videochat genutzt werden, Gruppenangebote fallen aus. Zudem scheint es lange Wartelisten zu geben, so gibt die RWTH Aachen eine Wartezeit von bis zu fünf Wochen für den nächsten freien Beratungstermin an.
Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DJKS) geht von weit über 8000 Berufsschulen in Deutschland aus. Auch dort können junge Menschen Hilfe finden, zumeist läuft das über ansässige Sozialarbeiter, die Sprechstunden an den Schulen selbst anbieten, ähnlich einem Vertrauenslehrer. Andreas Knoke, Mitglied der Geschäftsleitung des DJKS fordert, den Fokus mehr auf Berufsschüler und Berufschülerinnen zu richten: "Die Ausbildung ist für diese Jugendlichen ein zentraler Baustein ihrer Bildungsbiographie". Und auch sie hätten während der Coronapandemie im Homeoffice lernen und keine Freunde treffen können.
Auch die Arbeitsperspektiven der jungen Menschen wurde durch Corona beeinträchtigt: In einigen Branchen wie der Gastronomie und dem Einzelhandel seien Betriebe ebenfalls stark betroffen gewesen und die praktische Ausbildung konnte nicht oder nur eingeschränkt stattfinden. Trotzdem blickt laut einer Studie der Bertelsmannstiftung aus diesem Frühjahr die Mehrheit der Jugendlichen positiv in die Zukunft: nur 6 Prozent haben Angst, wegen Corona ihren Ausbildungsplatz zu verlieren. 59 Prozent machen sich gar keine Sorgen. Und 25 Prozent sind besorgt darum, wegen Corona nicht von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen zu werden.
Um Betroffenen zu helfen, hat das Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) in Hamburg zum Beispiel Psychologen, Pädagogen und Sozialarbeiter zur Hand, die Berufsschüler auch in den vergangenen Lockdowns und unter Corona telefonisch, virtuell und persönlich (unter Hygienebestimmungen) beraten. Dieses Angebot fände bewusst extern und vertraulich statt, denn "manchmal ist es leichter, außerhalb der Schule oder des Ausbildungsbetriebes Unterstützung zu suchen und sich mit seinen Problemen mitzuteilen", so die Organisatoren.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat für Auszubildende bundesweit zudem einen virtuellen Ansprechpartner geschaffen, der online als "Dr. Azubi" neben beruflicher Beratung auch konkrete Hilfestellungen für Berufsschüler gibt, die durch psychische Probleme in ihrer Ausbildung beeinträchtigt werden.
Ein Angebot, das momentan wichtiger denn je ist. "Psychische Erkrankungen haben durch die Corona-Krise allgemein stark zugenommen. Auch die Zahl psychisch erkrankter Auszubildender hat sich im letzten Jahr deutlich erhöht", erklärt der DGB Jugend auf seiner Website. Es sei daher kein Wunder, dass sich derzeit die Anfragen bei Dr. Azubi "häufen".
(jd/jj)