Nicht alle Alkoholiker:innen riechen schon von weitem nach Schnaps und haben ihren Alltag nicht mehr im Griff. Im Gegenteil: Alkoholsucht kann auf ganz unterschiedliche Arten – und oft sehr lange unbemerkt – in Erscheinung treten.
Suchtmedizinerin Reingard Herbst ist Chefärztin der Nescure Privatklinik am See und erklärt dazu:
So gibt es Menschen, die phasenweise gar nicht konsumieren, zu bestimmten Zeiten wie Urlaub oder Fasching dann aber gefährlich viel. Andere trinken zwar kleine Mengen Alkohol, dafür aber regelmäßig, um überhaupt noch abschalten zu können. Ein Klassiker: Das bekannte Feierabendbier.
Häufig wird zwischen Alpha-, Beta-, Gamma-, Delta- und Epsilon-Trinker:innen unterschieden. Diese Klassifikation geht auf den US-amerikanischen Physiologen Elvin Morton Jellinek zurück. Wir stellen die fünf Trinker-Typen vor, die dahinter stecken.
"Was für ein Tag! Ich glaub', ich brauch jetzt erst einmal ein Bier..." Unter Alpha-Trinker:in versteht man eine Person, die in erster Linie trinkt, um ihre Sorgen und Probleme zu verdrängen oder ertragen zu können. Man nennt diesen Typen deshalb auch "Problem- oder Erleichterungstrinker:in".
Auch wenn der Konsum des Suchtmittels Alkohol noch unter Kontrolle zu sein scheint, kann der Übergang zum unkontrollierten Trinken schleichend sein. Es besteht ein signifikantes Risiko, abhängig zu werden.
Menschen, die vor allem auf Geburtstagen, Partys oder Firmenfeiern, also in Gesellschaft, übermäßig viel Alkohol trinken, werden als Beta-Trinker:in oder Gelegenheitstrinker:in bezeichnet. Im Namen der Geselligkeit wird dann schnell das Glas erhoben: Ihr ausuferndes Verhalten kann den Körper schädigen und in einer Suchterkrankung münden.
Die sogenannten Gamma-Trinker:innen, auch Rausch-Trinker:innen genannt, können über eine längere Zeit ohne Alkohol auskommen. Das gibt ihnen häufig das Gefühl, nicht alkoholkrank zu sein. Doch sobald sie mit dem Trinken begonnen haben, gelingt ihnen das Aufhören nicht mehr.
Wenn sie einmal angefangen haben, Alkohol zu trinken, fällt es ihnen schwer, irgendwann Halt zu machen und wieder auf Wasser oder Cola umzusteigen. Ein klares Warnsignal!
Menschen, die ihren Alltag ohne Alkohol nicht mehr bewerkstelligen können, gelten als Delta-Trinker:innen. Diesen Typus bringen wahrscheinlich die meisten Menschen mit dem oder der typischen "Alkoholiker:in" in Verbindung. Kennzeichnend für Delta-Trinker:innen ist, dass sie täglich ein bestimmtes Pensum – einen Pegel oder Spiegel – an Alkohol im Blut benötigen, um den Tag bestehen zu können.
Selbsterklärend, dass hier eine starke Sucht vorliegt, die massive Auswirkungen auf den Körper und die Psyche hat – Entzugserscheinungen wie Zittern und körperliche Folgeerkrankungen können auftreten.
Allerdings kann die Sucht für Außenstehende zunächst auch unbemerkt bleiben, da dieser Suchttyp den Anforderungen des Alltags gerecht wird und unauffällig wirkt, solange der notwendige Alkoholpegel gedeckt ist.
Epsilon-Trinker:innen, auch Quartalstrinker:innen genannt, können wie der Gamma-Typ über eine gewisse Zeit ohne Alkohol auskommen. Meist entwickelt sich jedoch ein Suchtdruck (das sogenannte Craving), ein unbändiges Verlangen nach Alkohol. Und auf die alkoholfreie Zeit folgt eine Phase des exzessiven, unkontrollierten Trinkens, die oft sogar über mehrere Tage geht.
Epsilon-Trinker:innen sind süchtig und schädigen ihren Körper durch den regelmäßigen Rausch. Außerdem besteht die Gefahr als Delta-Trinker:in zu enden, die oder der den Alltag nur noch mit Alkohol überstehen kann.
"Häufig ist eine Alkoholsucht für das Umfeld erstmal nicht wahrnehmbar, weil die betroffene Person ihren Alltag noch geregelt bekommt – man spricht dann von 'funktionierender Alkoholikerin' oder 'funktionierendem Alkoholiker'", weiß die Suchtmedizinerin Herbst, die in ihrer Klinik Menschen beim sanften Entzug über drei Wochen begleitet.
Laut Bundesministerium für Gesundheit werden pro Kopf jährlich rund zehn Liter reinen Alkohols konsumiert. Damit sind die Deutschen eine der Hochkonsumnationen der Welt. "Zwar gibt es Symptome, die auf eine Alkoholsucht hinweisen können, wie zitternde Hände, Verhaltensveränderungen wie plötzliche Aggressivität, depressives Verhalten oder sozialer Rückzug", weiß die Ärztin, "doch können diese Zeichen auch andere Ursachen haben. Genauso können Menschen, die an einer Alkoholsucht leiden, im Alltag so auftreten, dass niemand eine Sucht vermuten würde."
Besteht aber der Verdacht, eine nahestehende Person könnte alkoholkrank sein oder weist sie einen ungesunden Umgang mit Alkohol auf, kann es sinnvoll sein, Expert:innen mit ins Boot zu holen. Ebenso, wenn man selbst Veränderungen in Bezug auf den eigenen Alkoholkonsum bemerkt oder sich in den oben genannten Typen wiederfindet. Erste Selbsttests zur Einschätzung sind im Internet zu finden. Da ein Entzug in Eigenregie aber nicht leicht ist, sollten sich Betroffene immer auch professionelle Hilfe suchen.