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"Layla"-Debatte: Warum der Song so beliebt ist – und was ein Verbot beweist

Die Nummer eins der deutschen Single-Charts, der Song "Layla", ist ein echter Stimmungstreiber – aber nach Verboten nicht mehr in den Festzelten von Würzburg und Düsseldorf zu hören.
Die Nummer eins der deutschen Single-Charts, der Song "Layla", ist ein echter Stimmungstreiber – aber nach Verboten nicht mehr in den Festzelten von Würzburg und Düsseldorf zu hören. bild: imago
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"Layla"-Debatte: Warum der strittige Ballermann-Song so beliebt ist – und was ein Verbot zum Ausdruck bringt

14.07.2022, 15:3115.07.2022, 09:35
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Nach den Feiernden auf dem Kiliani-Volksfest in Würzburg müssen nun wohl ab Freitag auch die vier Millionen Besucher der noch wesentlich größeren Kirmes in Düsseldorf auf den Partyhit "Layla" verzichten. Der Veranstalter – ein traditionsreicher Schützenverein – ist entsetzt über den Inhalt des Liedes.

"Ich bin der Meinung, dass dieses Lied überall hingehört – nur nicht auf unseren Festplatz", sagte Schützen-Chef Lothar Inden der Nachrichtenagentur dpa. Daher hätten sie als Veranstalter vom Schützenverein St. Sebastianus eine entsprechende Entscheidung bezüglich des Sommer-Hits getroffen. Der Song ist wahrhaftig ein Stimmungsmacher, wie man am derzeitigen Medienecho und den mittlerweile zahlreichen Kommentaren in sozialen Medien sieht.

In dem Ballermann-Hit von DJ Robin & Schürze, zurzeit auf Platz 1 der deutschen Charts, heißt es unter anderem: "Ich hab 'nen Puff und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler (...) Die schöne Layla, die geile Layla. Das Luder Layla (...)."

Der Urheber des Songs, DJ Robin, ist der Meinung, in dem Lied gebe es keinen Sexismus. "Früher haben die Leute 'Skandal im Sperrbezirk' gesungen oder 'Wir fahren in den Puff nach Barcelona'", sagt er der "Bild"-Zeitung. "Also so ganz können wir die Diskussion nicht verstehen. Es kann jeder seine Meinung haben, aber in jedem Deutsch-Rap-Lied sind die Texte schlimmer. Da regt sich kein Mensch auf."

Protest für die "Bumsfreiheit": Layla ist nicht Rosi

Nun könnte man DJ Robin entgegnen, dass der ironische Text des berühmten Liedes der Rockband Spider Murphy Gang zwar in der Tat einschlägige Bezüge aufweist – "In München steht ein Hofbräuhaus, doch Freudenhäuser müssen raus, damit in dieser schönen Stadt das Laster keine Chance hat (...) (Moral) Skandal" – diese jedoch mit einem politisch-sozialkritischen Hintergrund versehen sind.

Nämlich dem sogenannten "Dirnenkrieg" im Vorfeld der Olympischen Spiele in München 1972: Der Münchner Stadtrat beschloss im März einstimmig eine Sperrbezirksverordnung, die Prostitution in der Münchner Innenstadt verbot – vermutlich um dem unsittlichen Bild entgegenzuwirken, dass die Stadt bei 10.000 gemeldeten Prostituierten im Licht der Weltöffentlichkeit abgeben könnte. Eben dem "Laster keine Chance geben". Die Proteste im neu ausgerufenen Sperrbezirk gerieten zum Spektakel, zu den Sexarbeiterinnen gesellten sich zahlreiche Freier und Studenten, um für die "Bumsfreiheit" zu demonstrieren. Sexistische Bezüge sucht man im Songtext von "Skandal im Sperrbezirk" vergebens, hier geht es um das Anprangern falscher Moral.

Doch eine Gemeinsamkeit gibt es: Der Song "Skandal im Sperrbezirk" wurde 1981 von vielen Radiostationen wegen seines expliziten Textes nicht gespielt, weil mehrfach das Wort "Nutten" fällt. Dem Lied hatte die Art von Negativ-PR damals auch nicht geschadet, so der Gitarrist der Spider Murphy Gang, Barny Murphy, im Interview mit dem TV-Sender Sat1: "Eine bessere Promotion kann man nicht haben, weil das weckt natürlich Neugier und Interesse bei den jungen Leuten. Und dann war der Song auf einmal Nummer 1 in Deutschland, aber in den richtigen Charts!"

Erbse oder Ananas? Nicht nur Schlager-Promis diskutieren

Ballermann-Profi und Labelinhaber Ikke Hüftgold sieht die Kritik an "Layla" positiv: "Eine bessere Promo gibt es nicht. Dadurch geht der Song jetzt noch mehr durch die Decke. Also, danke Würzburg", jubelt er im Portal t-online. Er hat Interesse an guter PR für den Skandal-Song, schließlich gehört ihm die Plattenfirma, bei der DJ Robin & Schürze unter Vertrag sind. "Jeder zweite Ballermann-Songtext hat irgendwie Brüste, Knackärsche oder die 20 Zentimeter vom kleinen Peter versteckt." Für Hüftgold alias Matthias Distel ist das eine Art Satire, "ein humorvoller Umgang mit Sexualität."

Auch Michael Müller alias Schürze, Mitproduzent von "Layla", spielt die Aufregung herunter. "Heutzutage wird schnell aus einer Erbse eine Ananas gemacht", sagte er der "Heilbronner Stimme" und fühlt sich von den Reaktionen in den sozialen Medien bestätigt.

Über die Erbse ist auch im Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Hashtag #Layla eine hitzige Debatte entbrannt, in der sich bereits Polit-Prominenz wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen und Netzexperte Konstantin von Notz und Bundesjustizminister Marco Buschmann zu Wort meldete – und dafür auch gleich Kontra bekam.

Das sagen Experten für Popkultur

Warum trifft ein Song wie "Layla" so sehr einen Nerv bei den Menschen, dass die einen ihn am liebsten verbieten, die anderen ihn trotz Verbot und ohne musikalische Untermalung im Bierzelt weiter grölen?

"Der Song ist sehr eingängig, modern und mit dem für elektronische Musik typischen 'Drop', ist also perfekt für Clubs und Volksfeste", bestätigt Marina Forell, Musikwissenschaftlerin von der Uni Leipzig, auf Nachfrage von watson. "Der Text grölt sich gut mit und der offensichtliche Sexismus, der darin besteht, die besungene Layla auf ihren Körper zu reduzieren und Prostitution vollkommen unkritisch als Lifestyle zu feiern, stört die Partymachenden nicht."

Die Expertin mutmaßt, es sei für viele auch ein Ventil, gerade jetzt einen sehr expliziten Song abzufeiern, da viele die Debatten um Sexismus als "anstrengend" oder "unentspannt" empfänden: "So nach dem Motto: jetzt erst recht!"

Tieferen Sinn sucht man vergeblich im Text zu "Layla", doch es sei für ein Ballermann-Lied solide komponiert, bescheinigt promovierte Musikwissenschaftler und Musikcomedian Markus Henrik alias Dr. Pop dem Song. "Die Refrainmelodie erzeugt den gewünschten Ohrwurm. Der Song hat ein Tempo von 140bpm (Beats per minute Anm. d. Red.), da kann jeder auch betrunken mithopsen und es fällt nicht auf, wenn jemand aus dem Takt kommt", erklärt er der Zeitung FAZ. "Der Text ist vor dem Hintergrund der MeToo-Debatte natürlich kalkuliert hochgradig sexistisch", so Dr. Pop weiter. Auch er finde den Song fürchterlich, ist jedoch gegen behördliche Verbote: "Die Kunstfreiheit ist ein sehr hohes Gut."

Der Musikfachmann Michael Fischer von der Universität Freiburg äußerte gegenüber der dpa eine klare Haltung: "Natürlich ist das Lied sexistisch." In dem Song werde eine Frau namens Layla beschrieben und "in sexistischer Weise besungen", erklärt der Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik. Er sagt jedoch auch, man müsse den Rahmen beachten, in dem solche Songs gespielt werden: "Es ist ein Partyschlager. Da haben in der Regel die Leute vorher fünf Bier getrunken." Bei Partyhits gehe es nie um erhebende Themen, meint Fischer. "Da geht es ganz oft um sexuelle Inhalte, Trinken, also das, was man bei manchen Partys macht."

Auch die Protagonistin des Videoclips, ein Mann in High Heels, schwarzem Minirock und mit blonder Perücke, ändert für Fischer nichts am Charakter des Liedes. Dies sei jenseits von Ironie oder Transaspekten. "Das ist einfach ein sexistischer Song", lautet sein Urteil.

Fazit: Layla ist sexistisch, doch Verbote sind "allerletztes Mittel"

Aber erreicht man durch Verbote auf einzelnen Veranstaltungen nicht möglicherweise das Gegenteil? Oder sind diese etwa nur ein "Tropfen auf dem heißen Stein" in der Sexismus-Debatte?

Die Stadt Würzburg hatte bereits im vergangenen Jahr beschlossen, grundsätzlich keine rassistischen und sexistischen Lieder auf städtischen Volksfesten zuzulassen. Dies gilt auch für das umstrittene "Donaulied", dessen Text sich um eine Vergewaltigung dreht.

Die Musikwissenschaftlerin Forell sieht das als Zeichen für eine gesteigerte gesellschaftliche Wahrnehmung dieser Thematik:

"Die einzelnen Verbote sehe ich als Zeichen dafür, dass sehr offensichtlicher Sexismus in vielen Bereichen nicht mehr akzeptabel ist, einfach dadurch, dass in den letzten Jahren durch MeToo und andere Bewegungen für solche Probleme ein Bewusstsein geschaffen wurde."

"Lieder zu verbieten ist immer das allerletzte Mittel", meint Fischer zu den Verboten. Oft sei es vielmehr die Frage: "Was wollen wir als Gesellschaft?" Ein Song möge rechtlich einwandfrei sein, aber "ich finde schon, dass der Träger einer Veranstaltung wie die Stadt Würzburg auch das Recht oder vielleicht schon die Pflicht hat zu sagen: Wir wollen das nicht", so der Musikexperte. "Das ist eine ethische Frage. Wir wollen nicht, dass so über Frauen gesprochen wird."

Bis zum Beginn des größten Volksfests in Deutschland, dem Oktoberfest in München, sind es noch zwei Monate. Genug Zeit, um sich mit "Layla" über das Sommerloch hinweg den Kopf heiß zu diskutieren. Bayerns Sozial- und Frauenministerin, Ulrike Scharf, machte bereits den Aufschlag und konterte auf Justizminister Buschmanns Tweet:

Auf der Webseite des Ministeriums geht Scharf in ihrer Kritik noch weiter:

"Bei aller künstlerischen Freiheit, das Verbot der Stadt Würzburg für das Kiliani-Volksfest kann ich absolut nachvollziehen. (...) Auch die Äußerung von Bundesjustizminister Marco Buschmann ist völlig deplatziert!"

(mit Material der dpa)

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