Und mit einem Mal ist es zu Ende. Dein Arbeitsvertrag läuft aus und du blickst zurück auf eine schöne, gelegentlich stressige Zeit. Bleiben willst du aber nicht. Neue Herausforderungen rufen. Dein ehemaliger Chef, mit dem du dich an sich gut verstanden hast, drückt dir dein Arbeitszeugnis in die Hand und verabschiedet dich mit festem Händedruck. Zu Hause angekommen liest du es. Für dich scheint alles in Ordnung zu sein und du legst es in deine Bewerbungsunterlagen.
Doch Monate vergehen und es meldet sich keiner auf deine Bewerbungen. Gewohnt bist du das nicht, die Jobsuche verlief an sich immer recht fix. Unsicher fragst du einen Freund, ob er sich deine Unterlagen anschauen kann. Binnen Sekunden findet er den Übeltäter: das Arbeitszeugnis. Einige Formulierungen könnten demnach zu deinen Ungunsten ausgelegt werden. Erkannt hast du das nicht.
Gelegentlich nutzen Arbeitgeber codierte Formulierungen, die als Laie nur schwer zu durchschauen sind. Natürlich gibt es Klassiker wie "der Arbeitnehmer war stets bemüht", doch wer heute noch darauf zurückgreift, hat sich nicht einmal dieses Prädikat verdient. Dass es eigentlich auf mangelnde Fähigkeiten, die aufgetragenen Aufgaben zu erfüllen, hindeutet, ist hinlänglich bekannt. Es gibt aber auch Aussagen, die weniger bekannt oder codiert sind. Um Kritik errichten sie eine Mauer aus verklausulierten Formulierungen.
Dabei gibt es für Arbeitszeugnisse klare Regeln. Im §109 Absatz 2 der Gewerbeordnung steht:
Laut der Anwältin Kaja Keller, die sich in der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte um Fragen rund ums Arbeitsrecht kümmert, muss ein Arbeitszeugnis zudem wohlwollend und wahrheitsgemäß formuliert sein. Aufgaben eines Mitarbeiters müssen also richtig beschrieben und Sozialverhalten sowie Leistungsbeurteilung positiv formuliert sein. Das gilt für das gesamte Arbeitsverhältnis. "Fängt jemand in einem Unternehmen etwa als studentische Hilfskraft an und hört als Führungskraft auf, muss das auch so aufgeführt werden", sagt Keller. Ein schwieriges Unterfangen.
War ein Arbeitnehmer nicht in der Lage, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, könnte ein Arbeitgeber das theoretisch nicht oder nur schwer "wohlwollend" ausdrücken. Darauf hinzuweisen, entspräche aber der Wahrheit. Ob das jedoch sein muss, sei mal dahingestellt. Nur weil es bei einem Unternehmen nicht gut lief, bedeutet das nicht, dass jemand für ein anderes ungeeignet ist. Probleme im Job sind vielseitig.
Doch aus welchen Gründen auch immer, der Arbeitgeber hat kein Recht, ehemalige Mitarbeiter in einem Arbeitszeugnis schlecht zu machen, ob verklausuliert oder nicht.
Statt sich also darauf zu verlassen, dass mit einem Zeugnis alles in Ordnung ist, sollten Arbeitnehmer es lieber aufmerksam lesen und manche Aussagen nochmal überprüfen. Teilweise sind Übersetzer nötig, um die wahre Bedeutung hinter einem vermeintlichen Lob zu verstehen.
"Er zeigte stets Verständnis für die Arbeit" bedeutet etwa, dass zwar Fleiß da war, aber kein Erfolg. "Sie war Mitarbeitern gegenüber stets verständnisvoll", deutet wiederum auf fehlendes Durchsetzungsvermögen hin. Und "sie zeigte eine erfrischende Art im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten" lässt auf eine vorlaute Person schließen.
Solche Aussagen wirken mehr freundlich denn abwertend. Selbst der Satz "Wir wünschen ihm alles Gute und Gesundheit" ist codiert und weist dechiffriert auf häufiges krankheitsbedingtes Fehlen hin. Weitere solcher Beispiele finden sich hier.
Entdeckst du jetzt eine eher missverständliche Aussage wie "der Mitarbeiter hat die Anforderungen größtenteils erfüllt", sollten wir erstmal prüfen, ob sie wirklich problematisch ist. Laut Anwältin Kaja Keller wäre das der Fall:
Direkt mit einer Klage zu drohen, wäre jedoch nicht die beste Option. Vorerst. Viele Arbeitgeber wollen den Mitarbeitern nichts Böses – auch wenn es manchmal so scheint. Ein Rechtsstreit um ein Arbeitszeugnis nimmt außerdem mehr Zeit in Anspruch als ein wenig Umformulieren. Deshalb sagt die Anwältin:
Sollte sich der Arbeitgeber weigern, eine Veränderung vorzunehmen, kann sich ein Arbeitnehmer mit seinem Anwalt absprechen. Zwar ist es möglich, eine wohlwollende Formulierung zu verlangen, Bestnoten aber nicht. Steht in einem Zeugnis "der Arbeitnehmer hat sich bemüht", also eine eher schlechte Beurteilung, kann er dagegen angehen.
Er darf jedoch nicht verlangen, aus einem "zur vollen Zufriedenheit" ein "zur vollsten Zufriedenheit" zu machen. Das geht etwa aus einem Gerichtsurteil von 2014 hervor. Demnach müssen sich Arbeitnehmer mit einer wohlwollenden Bewertung zufriedengeben. Bei codierten Aussagen, die einen Mitarbeiter letztlich schlecht aussehen lassen, sieht es anders aus.
Generell lohne es sich laut Keller, auf das Bauchgefühl zu hören. "Schlägt es an, ist es meist auch begründet". Und sobald die verklausulierten Mauern eingerissen und alle Korrekturen durch sind, mit oder ohne Gerichtsverfahren, ist der neue Job nicht mehr allzu fern.