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Leben
01.07.2018, 12:4214.08.2018, 09:38
Liebe Bianca,
ich bin Designerin – und mir fällt immer öfters auf, dass meine Ideen geklaut werden. Ein paar Monate, nachdem meine Produkte online gehen, sehe ich erste Kopien auf Dawanda aber auch Instagram. Wie gehst du mit so etwas um?
Grüße!
Ganz schön genervt
Liebe Ganz schön genervt!
Wie ich mit so etwas umgehe? Wie mit allem Negativen, was meine
künstlerische Arbeit betrifft: gemischt. Von anderen abkupfern, das habe ich
schon im ersten Semester an der Uni gelernt, ist streng verboten. Es ist nicht
nur verpönt und moralisch verwerflich, es ist schlimmer als jugendlicher
Ladendiebstahl und kann mitunter zum Ende der akademischen Laufbahn führen,
wenn man erwischt wird.
Ich hole deshalb so weit aus, weil ich schon damals eines am
Plagiatsvorwurf besonders paradox fand: Einerseits müssen wir semesterlang
Texte anderer lesen, zusammenstückeln, paraphrasieren – und werden
schlimmstenfalls von der Universität verwiesen, wenn wir am Ende vergessen, die
richtigen Quellen für eine banale Aussage anzugeben.
Andererseits geben wir die
Arbeit unter dem eigenen Namen ab, ohne – in den meisten Fällen zumindest –
besonderen Mehrwert geleistet zu haben.
All die Theorie, die letztlich in der Arbeit enthalten ist,
stammt von jemand anderes. Und die Lorbeeren landen trotzdem auf unserem
ECTS-Konto.
Kein Wunder, dass die Nachahmung bis heute einen zentralen Bestandteil der geistig-künstlerischen Arbeit darstellt.
Du hast gerade als
Designerin bestimmt schon einmal einen Blick auf Instagram geworfen. Dort
werden die immergleichen, symmetrischen Motive von Kaffeebechern und
süditalienischen Hauseingängen von Hundefotos und Objekten vor weißen Wänden
abgelöst. Und warum? Weil irgendjemand damit angefangen hat, der verdammt
erfolgreich damit war und der Rest schnell genug, um brauchbare Imitate zu
kopieren.
Oft ist dabei gar nicht so klar auszumachen, woher genau ein
Trend stammt. Man bemerkt ihn erst im Umfeld, dann in Magazinen oder umgekehrt
und ertappt sich selbst erst Jahre später dabei, wie ein konformes Äffchen
mitgemacht zu haben. Beim Minimalismus. Bei Matcha-Tee. Regenbogenfarbenen
Haaren.
Ich finde: Selbst, wenn es die Kunstlehrer von damals gut
meinten, wenn sie uns dazu aufmunterten unsere krakelige "Originalität" auf einem
Din-A4-Blatt auszuleben, statt Bilder aus dem Buch abzuzeichnen:
Die meisten von uns sind leider Gottes nicht mit der Gabe eines Georg Baselitz ausgestattet.
Vielleicht ist es sogar okay, fremde Techniken und Werke anzusehen und dann in der eigenen Art und Weise nachzuahmen, wenn
es sich dabei nicht um eine 1:1-Kopie handelt, die weder als solche geführt,
noch bezeichnet wird.
Imitation kann auch eine Form des Lernens sein. Ja, es ist
sogar unmöglich nichts dabei zu lernen, etwas Fremdes zu replizieren. Solange,
bis man eigenständig in der Lage ist, zu erschaffen.
Dass du dich über eine Nachahmung natürlich nicht nur
geschmeichelt fühlst, ist verständlich. Erst vor einem Monat habe ich einen
Artikel auf einer Konkurrenz-Seite gesehen, der mich einen Tick zu stark an
einen Text erinnerte, den ich selbst verfasst habe.
Erst, als ich mich genauer mit der Autorin und dem Inhalt auseinandersetze, fiel mir auf: Okay. Zwei Jahre später ist das Thema wohl bei den Letzten angekommen.
Das war auf der einen Seite befriedigend, weil ich gesehen habe,
dass Diskurse nicht im luftleeren Raum stattfinden und sich Menschen sehr wohl
auch positiv gegenseitig beeinflussen. Auf der anderen Seite hat es mir gezeigt, dass
das, was eine richtige Künstlerin von einem Nachahmer und Nachplapperer
unterscheidet, die ursprüngliche Idee ist. Die Idee, die du als erste Person in
einem Genre selbst umsetzt.
Wenn du keine eigene Idee kreieren kannst, hast du keine Möglichkeit dich von den Hunderten anderen Menschen zu trennen, die dasselbe tun wie du.
Das, was du tust, wird niemals mehr sein als die Ideenwiedergabe
eines anderen.
In diesem Sinne: Mach dir keine Sorgen. Du bist mehr als die
Imitate, die von deiner Kunst existieren. Du bist die Person, die genuin Neues
schafft.
Aber für die wirklich harten Fälle: Hol dir bitte einen
Anwalt. Es gibt Experten dazu.
Alles Liebe,
Bianca
Bianca Xenia Jankovska...
...hat bisher in vier Städten in drei Ländern gewohnt, die Sicherheit einer Festanstellung gegen konstante Ungewissheit getauscht und dabei unter anderem gelernt, dass man nicht ewig gegen seine inneren Neigungen arbeiten kann, ohne unglücklich zu werden. Als freie Autorin und Bloggerin schreibt sie über Machtstrukturen und persönliche Kämpfe auf dem Arbeitsmarkt und Privilegien, die manchmal selbst enge Freunde entzweien. Ihr erstes Buch
"Das Millennial Manifest" erscheint im Herbst 2018.
Hast du eine Frage?
Dann schick sie uns per Mail: mindfucked@watson.de
Pleiten, Pech und Pannen: Boeing verlor bereits in den letzten Jahren wegen mehrerer Unfälle oder Beinaheunfälle nach und nach seinen Ruf. Nach gleich zwei Abstürzen in Indonesien und Äthiopien – mit insgesamt 346 Toten – wurde 2019 für Max-8- und Max-9-Maschinen ein weltweites Flugverbot verhängt, das zwei Jahre andauerte.