Hallo Verzweifelt vor Neid!
Ich wünschte, ich könnte dir jetzt etwas Tröstliches antworten wie: "Oh, das Blatt wird sich schon noch zu deinen Gunsten wenden." Oder: "Dafür ist sie bestimmt total unglücklich mit sich selbst" und die Sache wäre für uns beide gegessen. Das Ding ist: Es wäre nicht die Wahrheit.
Denn Geld und Erfolg alleine machen natürlich noch keinen schlechten Menschen.
Du tust dir mit dieser Beziehung keinen Gefallen, wenn alles, was du bei ihrem Anblick riechen kannst, dein eigenes Unglück ist, das durch ihre bequeme Selbstdarsteller-Lupe auf sein Fünffaches vergrößert wird.
Was ich aus deinem Text herauslesen kann, ist, dass du dich in der Gegenwart deiner Freundin schon länger unwohl gefühlt und trotzdem nicht den Mund aufbekommen hast. Richtig? Du hattest ein schlechtes Gefühl, und bist pflichtbewusst hingefahren wie zum Zahnarzt. Weil du eine gute Freundin sein wolltest. Weil ihr euch kennt.
Ich war selbst lange genug diese Person, die es allen außer sich selbst recht machen wollte und sich mit Menschen zum Bagelessen traf, weil sie einsam und neu in fremden Städten lebte. Die sich mit neugierigen Fragen zu ihrem Berufsleben löchern ließ, nur um anschließend mit abwertenden Kommentaren gestraft zu werden.
Was zur Hölle ist eigentlich los mit diesen Menschen? Während du kurz davor bist, pleite zu gehen, schlürft dein Gegenüber um 14 Uhr Kaffee Latte und jammert dich mit Privilegierten-Problemen voll. Lass dir eines sagen: Du bist nicht neidisch auf ihr Geld. Du bist sauer. Auf deine Freundin, aber auch auf deine Unfähigkeit, dich mit ihr zu freuen. Auf die Ungerechtigkeit des Lebens, die aus unerklärlichen Gründen einen angenehmen Start ins Berufsleben für dich verhindert hat, weshalb du ihn auch niemand anderem gönnst. Auch keiner anderen Frau.
Das ist in Zeiten, in denen der Sisterhood-Gedanke von jeder Litfaßsäule prangt, gelinde gesagt moralisch etwas ungünstig. Frauen sollten sich nach jahrelangem in der zweiten Reihe tanzen heute beruflich natürlich mehr unterstützen denn je. Nur, wie du vielleicht schon bemerkt hast: Unterstützung funktioniert nicht als Einbahnstraße. Und Solidarität mit anderen Frauen verbietet keine sachliche Kritik.
Sonst sind wir am Ende ja auch nur wieder eines: strengen Regeln unterworfen, die einen Dialog über Freundschaft unmöglich machen.
Deine unempathische Freundin ist das eine Problem. Das andere bist du.
Ich weiß nicht, was du gerade beruflich machst, aber warum sitzt du nicht an dem Projekt, das du unbedingt verwirklichen möchtest? Warum fällt es dir so schwer, in einem Raum mit ambitionierten Menschen zu sitzen (selbst, wenn sie Arschlöcher sind)? Denkst du, dass du selbst nie dahin kommen wirst – anders als deine scheinbar vor Antrieb explodierende Freundin?
Es tut weh zu sehen, dass andere Menschen den Motor haben, den wir selbst vermissen. So stark an sich glauben, wie wir es selbst noch nie getan haben.
Natürlich ist es leichter, bewusst auf Erfolg zu verzichten. Erst gar nicht da rausgehen zu müssen. Nur: Ist es das, was du möchtest?
Noch ein Gedanke: Wenn ich eines über die vergangenen Jahre gelernt habe, dann, dass man den Leuten nicht ansieht, was sie für ihren Erfolg alles tun und aufgeben. Manchmal schaffen Mama und Papa den finanziellen und zeitlichen Spielraum für die erste eigene Kollektion, das erste selbstverlegte Buch, die Ausstellung in der Galerie eines Freundes, die hinterher als persönlicher Erfolg verkauft wird. Oder die Person ist völlig überarbeitet, war das letzte Mal 2013 beim Yoga und hasst ihren Alltag.
Du wartest verzweifelt auf ein Zeichen, das ihre Schwäche unter der löchrigen Strumpfhose durchblitzen lässt, um euch wieder gleich zu machen, aber es kommt nicht. Ganz einfach, weil sie nicht möchte. Weil sie gerade nicht bereit ist, diese Dinge mit dir zu teilen. Weil sie dicht gemacht hat, und sich nach außen so präsentiert, wie sie von anderen wahrgenommen werden möchte: als erfolgreich.
Kannst du das aushalten, ohne dich in ihrer Anwesenheit wie ein angebissenes Sandwich zu fühlen? Bevor ihr miteinander redet, würde ich mir das an deiner Stelle überlegen. Du musst den Kontakt nicht völlig abbrechen, aber ein bisschen Stillstand kann helfen, die Differenzen zu beseitigen ohne gleich einen Atomkrieg anzuzetteln. Sammel dich. Konzentriere dich auf deine eigene Arbeit, und schiel nicht ständig rüber zu "Mrs. Perfect".
Vielleicht ist das, was gerade zwischen euch passiert, ein nonverbales Entlieben zweier Menschen, die nicht mehr zusammenkommen. Weil ihre ECTS-gebundenen Kämpfe nach dem Studium nicht mehr zusammenpassen wie rot-oranges Colourblocking.
Ansonsten verfolge ich im echten wie im digitalen Leben eine Faustregel:
Mein Feed ist zu lang, um mich mit anderen zu vergleichen. Vor allem nicht mit jenen, die vor lauter #Entrepreneurship vergessen, neben der Schokoladenseite auch mal das zu zeigen, was Menschen ausmacht: Fehler und Ängste und Schreckensmomente. Die unglamourösen Tage zwischen Siegesrausch und Nervenzusammenbruch.
Niemand ist so perfekt, dass er die Schattenseiten der menschlichen Existenz nicht zu spüren bekäme. Selbst wenn er dabei in der Karibik sitzt.
Viel Glück bei deiner geistigen Trennung – und einem unbequemen Start. Hauptsache, du stehst bald wieder.
Alles Liebe,
deine B. X.
Dann schick sie uns per Mail! mindfucked@watson.de