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Cannabis: Kiffer geben sich gern links, aber diese sind extrem rückwärtsgewandt

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gettyimages/montage watson
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Sie tun immer so aufgeklärt, dabei wollen sie eigentlich die 50er Jahre zurück

08.06.2019, 18:05
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Kiffer sind dünn, häufiger psychisch krank, intelligenter und unzuverlässig. Sagt mein Google. Was mein Google auch sagt: Kiffer sind links. Und zumindest damit sagt mir Google etwas, was sich auch empirisch zeigt.

Cannabis-Legalisierung

Denn wer sich für Cannabis-Legalisierung einsetzt, gilt auch im analogen Leben als irgendwie links. Als progressiv, aufgeklärt, modern. Das lässt sich auch an Parteiprogrammen und öffentlicher Rhetorik ablesen. Im letzten Berliner Wahlkampf warb die CDU zum Beispiel mit "Es droht die Legalisierung von Cannabis" für sich, und beschrieb damit ein Schreckensbild, das in der ziemlich linken Stadt Berlin eher, sagen wir mal, nicht funktioniert. In der Hauptstadt ist jeder dritte Bürger für eine Legalisierung, da provoziert ein solcher Slogan also lediglich hunderte Reaktionen der Sorte "Ihr spinnt doch, ihr Mittelalterheinis!".

Über "Mittelalterheinis" darf man sich nicht wundern, entwerfen doch konservative Politiker seit Jahren das Bild vom langhaarig kiffenden Linksextremisten um so die Position des politischen Gegners, allen voran die Grünen, als Freifahrtschein in eine vernebelte Dystopie abzutun.

Tja. So funktioniert Lagerbildung. In der Konsequenz durfte man sich bislang als Legalisierungs-Befürworter auf der irgendwie richtigen, da vorwärtsgewandten Seite sehen. Dort die regressiven Mittelalterheinis, hier die progressiven Weltverbesserer.

Schön sortierte Welt, aber leider falsch.

Denn so praktisch Lagerdenken sein kann, so schwierig wird es, wenn offensichtlich wird, dass sich hinter vermeintlich progressiven Positionen Sexismus vom Feinsten verbirgt.

Wie das Magazin "weedo" bereits im Sommer letzten Jahres unter Beweis gestellt hat. Dort wurden zwei Artikel mit "5 Gründe, warum Frauen/Männer mehr Gras rauchen sollten" veröffentlicht. “Unsere Artikel sind bestens recherchiert und immer auf dem neuesten Stand", verspricht das "Cannabis Lifestyle Magazin".

Dem Anspruch, kann man leider nicht anders sagen, wird das Magazin allerdings nicht gerecht. Es sei denn, man hält Glaubenssätze aus der Ursuppe der Geschlechterstereotype für irgendwie zeitgemäß:

"Es ist gemeinhin bekannt, dass Frauen als sensibles, romantisches und kreatives Geschlecht gelten während Männer als stark, ehrgeizig und sachlich angesehen werden. Mit Cannabis könnt ihr den Spieß umdrehen."
"weedo" zu "5 Gründe, warum Männer mehr Gras rauchen sollten"

Aha. Auf den "grünen Seiten" sieht die Welt also eigentlich eher rosa/blau aus. Fein getrennt nach Geschlechtern. Wie gut, dass Cannabis dann zumindest den Männern dabei helfen kann, die Lager zu wechseln und kreativer durch Kiffen zu werden, wie Punkt 1 in der Liste verspricht. Dass Frauen im Umkehrschluß nicht versprochen wird, auch "sachlicher" werden zu können? Geschenkt. Denn was Frauen eher werden wollen, so legt die Liste nah, ist halt hauptsächlich weniger. So heißt es in einem der Artikel weiter: "Cannabis hilft beim Abnehmen".

Die Facebook-Seite "Pro Cannabis Deutschland" griff diesen Hinweis in ihrem Posting des Artikels vor ein paar Tagen auf und frohlockte: "Spätestens der [...] Grund sollte die Damenwelt überzeugt haben."

Nun. Das sahen Teile der Damenwelt allerdings ein bisschen anders. So schrieb die Autorin und Journalistin Kathrin Weßling unter den Beitrag:

"Wie sexistisch und scheiße das ist, merkt ihr hoffentlich selber?"

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Nein, merkten sie nicht.

"Pro Cannabis Deutschland" reagierte wie folgt:

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"Schon mal drüber nachgedacht das es ca zig Millionen Frauen in Deutschland gibt die gerne abnehmen würden? Ich mein es gibt nicht ohne Grund in jedem Frauenmagazin XMillionen Diäten, Rezepte und Pillenwerbung weil wir bösen sexistischen Männer das den Frauen aufzwingen."
Facebook-Post von "Pro Cannabis Deutschland"

Wer so argumentiert, der hat nicht nur den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität nicht verstanden, der würde sich vermutlich auch Argumenten der Sorte "Weil die meisten Frauen kleinere Hände als Männer haben, kommen sie beim Putzen halt auch besser in die Ritzen" anschließen.

Anders gesagt: Willkommen in den 50ern!

Geschlechterrollen sind halt ähnlich praktisch wie Lagerdenken: Da weiß man, was man hat. So kann für "weedo" Frauen dank Cannabis geholfen werden abzunehmen – sie kriegen es halt nicht alleine hin – während Männern zugetraut wird, den "Kampf gegen den Bierbauch" viril-tätig selbst in die Hand zu nehmen.

Schwaches Geschlecht, starkes Geschlecht. So einfach wünschen sich halt noch viele die Welt.

Das sieht man auch an der Reaktion von "Pro Cannabis Deutschland". Die Facebook-Seite mit über 78.000 Followern blockte nämlich nicht nur Kathrin Weßling, sondern auch andere Verfasser kritischer Beiträge. Und zumindest einige von deren Followern auch. Wie z.B. die Autorin dieser Zeilen.

Beim Deutschen Hanfverband sind die Betreiber der Seite übrigens nicht bekannt. Aber sie wird von einigen bekannten Cannabis-Seiten und -shops gesponsert, u.a. myweedo.de.

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Kiffer sind dünn, häufiger psychisch krank, intelligenter und unzuverlässig? Kann alles Quatsch sein.

Aber zumindest diese Kiffer sind dünnhäutig.

Und extrem rückwärtsgewandt.

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