Leben
Der Chef ganz ehrlich

Karriereplan erstellen: Warum das auch eine schlechte Idee sein kann

Handschlag drauf: Warum sollte ein Chef immer gleich den nächsten Karriereschritt im Kopf haben?
Handschlag drauf: Warum sollte ein Chef immer gleich den nächsten Karriereschritt im Kopf haben?Bild: Shutterstock / studiostoks
Der Chef ganz ehrlich

Karriereplan? Habe ich nicht! Und das ist auch gut so

Swen ist Chefredakteur von watson. Er findet seinen Job so gut, dass er auch noch eine Kolumne über ihn schreibt. Hier berichtet er von schönen, traurigen und kuriosen Erlebnissen.
26.02.2024, 07:2326.02.2024, 07:25
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Als mein Vertrag als Chefredakteur von watson unterschrieben und die dazugehörige Pressemitteilung verschickt war, stand mein iPhone für ein paar Tage nicht mehr still. Glückwünsche erreichten mich, nette Nachrichten, interessierte Rückfragen. Das war beeindruckend, schön und auch bauchpinselnd, auch wenn's mir teilweise zu viel Aufmerksamkeit war.

Anschließend dauerte es nicht lange, bis mir (ehemalige) Kolleg:innen und auch Freund:innen eine Frage stellten, die ich in diesem Moment einfach nicht verstand: "Und was hast du danach geplant?"

Ich war von dieser Frage eine ganze Weile verwirrt. Bis eine Kollegin sich mit meiner Antwort ("Nach watson? Woher soll ich das denn wissen, ich habe da noch nicht einmal angefangen") nicht zufriedengab. Und entgegnete: "Dein Karriereplan ist in den letzten Jahren so krass aufgegangen, du hast doch bestimmt schon den nächsten Schritt im Kopf!"

Um Himmels willen.

Aus dem Leben einer Führungskraft
Wie führt man Menschen der Generation Z und die jüngere Hälfte der Generation Y modern und erfolgreich? Seit mehreren Jahren versuche ich, das herauszufinden, weil die allermeisten meiner Kolleg:innen 18 bis 35 Jahre alt sind. In meiner Kolumne "Der Chef ganz ehrlich" möchte ich meine Erfahrungen und Gedanken zum Leben als Vorgesetzter teilen. Subjektiv und direkt, durch die Brille einer Führungskraft. Alle Namen sind natürlich anonymisiert. Und nicht jedes Erlebnis stammt aus der watson-Redaktion. Feedback, Gedanken und Themenvorschläge gerne jederzeit an swen.thissen@stroeer-publishing.de.

Heute kann ich es ja offen zugeben: Ich bin Chef. Und ich habe keinen Karriereplan. Tut mir leid, euch zu enttäuschen.

Die Wahrheit ist: Man kann auch zufällig Karriere machen. Weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Weil man Talente hat, von denen man nichts wusste. Weil man den Mut hat, Neues auszuprobieren. Weil dir Führungskräfte zu Beginn deiner Laufbahn mehr zutrauen als du dir selbst.

Für mich zumindest gilt das. Ich wollte immer "nur" Sportjournalist sein. Mein Hobby zum Beruf machen. Damit habe ich mein Studium finanziert, damit rutschte ich in den Journalismus. Und ich liebte es.

Dann wurde in Deutschland Social Media entdeckt, neue Märkte taten sich auf, neue Aufgaben und Strategiemöglichkeiten. Keiner hatte einen Plan. Ich machte einfach, bekam Verantwortung, Gestaltungsspielraum und Führungsverantwortung übertragen. Und ich bemerkte, wie gerne ich all das machte.

Zehn Jahre später war ich Chefredakteur.

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Zeit zu gehen? Ein paar Fragen haben mir geholfen, das für mich zu beantworten.Bild: getty images / PeopleImages

Junge Kolleg:innen wollen oft wissen, was sie von meinem Weg lernen können. Was ich ihnen raten würde. Das ist eine komplizierte Frage, weil das natürlich von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. Und ich bin auch kein Karriereberater.

Worüber ich aber sprechen kann, sind die Fragen, die ich mir selbst gestellt habe, wenn ich ein Auge auf eine neue Position oder gar einen Firmenwechsel geworfen hatte. Um mir darüber klarzuwerden, ob's eine gute Idee ist, etwas Neues zu riskieren.

Glaube ich, dass mir der neue Job Spaß macht?

Viele Menschen sagen, dass sie gerne Führungskraft wären. Doch wenn sie ehrlich zu sich sind, haben sie gar keinen Bock darauf, Führungsaufgaben zu übernehmen. Sie wollen in Wahrheit nur mehr Geld. Ich verstehe das, mehr Geld wollen wir alle. Doch der Weg hin zur Führungskraft hat massive Konsequenzen auf deine bisherige Arbeit.

Die Organisation eines Teams, Gespräche mit den Mitarbeitenden, Strategiemeetings mit der Führungsetage – all das kostet Zeit, die man nicht mehr in seine bisherigen Aufgaben stecken kann. Ich kenne das von mir nur zu gut: Ich habe als Student und freier Mitarbeiter mehr Texte in einer Woche geschrieben als heute in einem Vierteljahr.

Das muss nicht schlecht sein. Ich rate nur dazu, sich zu überlegen, ob der Spaß auch in der neuen Konstellation erhalten bleibt.

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Habe ich verstanden, was von mir verlangt wird?

"Erwartungsmanagement" ist ein ziemlich nerviges Buzzword, weil's mittlerweile viel zu inflationär gesagt wird. Doch auf dem Weg zu neuen Ufern kann genau diese Frage entscheidend sein: Was ist es konkret, das meine zukünftigen Führungskräfte von mir in der neuen Position verlangen? Welche Needs hat eventuell das Team? Und habe ich die Ziele und Vorgaben auch wirklich verstanden?

Es mag gut sein, ab und zu ins kalte Wasser zu springen. Ich möchte nur ungefähr wissen, welche Temperatur das Wasser hat, um keine böse Überraschung zu erleben.

Traue ich mir die neue Aufgabe zu?

Wenn ich all die Infos hatte, habe ich mich gerne mal einen Abend aufs Sofa gesetzt, in die Luft gestarrt und darüber nachgedacht, ob ich mir das, was ich gehört habe, auch zutraue. Ob ich mit einem guten Gefühl den Job antreten würde. Und ob ich immer noch glaube, dass mir die Aufgabe Spaß machen wird.

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Wichtige Frage: Passe ich in die Lücke, die in einem bestehenden Team aktuell existiert?Bild: getty images / Dilok Klaisataporn

Das hat in meinem Fall auch gar nichts mit einem Impostor-Syndrom zu tun. Das Vertrauen in mein Können ist über die Jahre gewachsen. Aber: Ich bin nicht der Mittelpunkt der Erde. Und ich bin ebenso wenig wie jede:r andere für jeden Job dieser Welt gemacht.

Ist der Zeitpunkt gerade der richtige?

Der Wunsch nach beruflicher Veränderung mag da sein. Das Timing kann dennoch nicht passen. Schließlich ist das Leben kompliziert.

Wer gerade den Fokus aufs Privatleben oder die eigene Gesundheit legen will oder muss, hat vielleicht nicht den Nerv für einen neuen Posten. Wer gerade erst die perfekte Wohnung gefunden hat, möchte eventuell nicht für den anderen Job die Stadt wechseln. Wer glaubt, mit dem bisherigen Posten noch nicht gänzlich fertig zu sein, weil's noch viel zu erleben oder zu lernen gibt, kann zu etwas Neuem auch mal Nein sagen.

Die Kunst ist meiner Meinung nach nicht (nur), einen neuen Job zu finden, sondern den Wechsel auch im richtigen Moment zu vollziehen.

Meine Vermutung ist: Von außen betrachtet glauben manche Weggefährten, dass mein "Karriereplan" gut aufgegangen sei, weil ich Schritt für Schritt immer Dinge getan habe, die am Ende in sich schlüssig wirkten. Was sie nicht sehen, sind die Momente, in denen ich mich gegen Dinge entschieden habe. Einfach, weil für mich der Zeitpunkt nicht passte.

Wobei ich zugeben muss: Das ist vermutlich eine Typfrage. Mir persönlich ist Karriere nicht so wichtig, auch wenn's nicht jeder glauben mag. Wer mich kennt, weiß: Ich habe im Leben schon so viel Scheiße erlebt – ich bin jeden Tag froh und dankbar, noch hier sein zu dürfen und einen Job zu machen, der mir Spaß macht. Das entspannt. Und ermöglicht auch, einfach mal Nein zu sagen.

Hilft mir eine weitere Meinung?

Wenn die Fragen eins bis vier abgehakt sind, kann noch der Blick von außen helfen. Am allerbesten von einer Person, die bei der Beantwortung der bisherigen Punkte nicht involviert war. Ein:e Kolleg:in, Freund:in, Bekannte:r, der oder die überrascht wird von meinen Gedanken, meinen Möglichkeiten, meinem Ergebnis. Und dann, halb spontan, halb durchdacht, mir ehrlich die Meinung sagt.

Und wenn's dann nichts mehr gibt, was ernsthaft gegen eine neue Herausforderung spricht, sollte man's meiner Meinung nach einfach mal machen.

Ob man nun einen Karriereplan hat oder nicht.

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