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Der Chef ganz ehrlich

Chef spricht Klartext: Euer Resturlaub nervt

Laptop zu und ab an den Strand. Urlaub ist ein schönes Thema. Eigentlich.
Laptop zu und ab an den Strand. Urlaub ist ein schönes Thema. Eigentlich.Bild: shutterstock / luckyn
Der Chef ganz ehrlich

Fahrt bitte an den Strand, denn euer Resturlaub macht mich wahnsinnig!

Swen ist Chefredakteur von watson. Er findet seinen Job so gut, dass er auch noch eine Kolumne über ihn schreibt. Hier berichtet er von schönen, traurigen und kuriosen Erlebnissen.
09.10.2023, 17:4413.10.2023, 16:09
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Wenn meine Kolleg:innen im Urlaub sind, dann beginnen die meisten von ihnen auf Instagram mit Erholungsspam. Hier ein Cocktail am Pool, dort die Füße im Sand, da ein schickes Foto aus einer hippen Großstadt.

Eigentlich ist Urlaub ein schönes Thema. Über wenige Dinge sprechen die Kolleg:innen in der Mittagspause mehr als über die Pläne für die nächste Reise. Für mich als Führungskraft hat das Thema allerdings auch eine Schattenseite. Und jetzt, da sich das Jahr mal wieder dem Ende entgegen neigt, hat das Thema Hochkonjunktur. Stichwort: Resturlaub.

Ich behaupte, dass ich als Chef in vielen Belangen echt erträglich bin. Und bei den meisten Fragen deutlich entspannter und moderner führe, als das viele andere Führungskräfte tun. Es gibt wenige Dinge, die mich so richtig auf die Palme bringen. Eines davon sind Diskussionen über Brückentage, worüber ich hier bereits geschrieben habe. Ein anderes sind Kolleg:innen, die schlicht und einfach nicht in der Lage sind, ihren Resturlaub wie erwachsene Menschen eigenverantwortlich zu verplanen.

Wir haben bei uns eine simple Regel: Bis Ende September ist der gesamte Jahresurlaub beantragt. Verschiebungen sind nachträglich natürlich noch möglich. Doch drei Monate vor Weihnachten steht der Plan.

Als ich vor einer Woche selbst aus dem Urlaub kam, checkte ich unser System. Elf von 33 Menschen haben das auch 2023 nicht geschafft. Exakt ein Drittel. Und das trotz mehreren Erinnerungsmails und -ansagen. (Denn kurz vor meinem Urlaub waren es noch 27).

Ich. Verstehe. Es. Nicht.

Einfach mal ins Wasser springen? Ist in jedem Fall besser, als im Büro zu hocken!
Einfach mal ins Wasser springen? Ist in jedem Fall besser, als im Büro zu hocken!Bild: pexels / Oliver Sjöström

Es ist ja nicht so, dass ich ein böswilliger Kontrollfreak wäre. Ich bin nur der, der den Dienstplan im Kopf haben muss, weil eine Redaktion nicht zum Ende des Jahres zwei Wochen gemeinsam freimachen kann.

Wir haben Teams mit drei, vier Leuten. Bei Wochenenddiensten, Ausgleichstagen und der einen oder anderen Krankmeldung, gerade im Winter, kann pro Gruppe in der Regel nicht mehr als eine Person im Urlaub sein. Sonst kollabiert das System.

"Wenn bei noch zwölf Arbeitswochen im Jahr zehn Resturlaubswochen im System aufblinken, werde ich nervig."

Wenn dann bei noch zwölf Arbeitswochen im Jahr in einem Team zehn Resturlaubswochen im System aufblinken, werde ich nervig. Tut mir leid, aber das wird sich nicht ändern.

Zwei Dinge sind es, die mich bei dieser alljährlichen Debatte, die ich bisher in jeder einzelnen Firma, in der ich gearbeitet habe, erleben musste, in den Wahnsinn treiben.

Erstens: Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen ihren Urlaub horten. "Muss ich ihn wirklich schon planen?" – "Kann ich nicht doch Urlaub mit ins neue Jahr nehmen?" – "Und was ist, wenn ich ihn gar nicht mehr unterbekomme?"

"Es ist doch so: Jede:r von euch hat nächstes Jahr wieder sechs Wochen Urlaub."

Ach, Leute. Es ist doch so: Jede:r von euch hat nächstes Jahr wieder sechs Wochen Urlaub. Und, noch viel wichtiger: In jedem, wirklich jedem Notfall haben wir bisher eine Lösung gefunden, wie man sein Leben auch ohne Resturlaub noch in den Griff bekommt. Wenn die Welt untergeht, meldet man sich krank. Wenn man dringend zu den Eltern muss, macht man Homeoffice. Wenn spontan noch ein langes Wochenende gewünscht ist, hat jeder noch ein paar Ausgleichstage rumliegen.

Zweitens: Die Verplantheit einzelner wirkt sich auf den Rest des Teams aus, der ordentlich in die Planung geht. Weil dann urplötzlich wieder Dienste getauscht werden, weil die Verbliebenen mit Rumpfteams arbeiten müssen, weil anderen die Flexibilität verloren geht, wenn die letzten acht Wochen eines Jahres mit Urlauben gepflastert sind. Das ist nicht fair. Und anstrengend.

So locker, offen und konstruktiv ich versuche, meine Teams zu führen: Ich würde in Sachen Resturlaub liebend gerne eine pädagogisch radikale Maßnahme ergreifen. Wer bis zum 30. September seinen Urlaub nicht verplant hat, hat Pech gehabt – der Urlaub verfällt. Unwiderruflich.

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Ich weiß, ich weiß, das geht nicht, wäre unfair und arbeitsrechtlich natürlich nicht durchzusetzen. Aber mir gefällt der Gedanke, zu wissen, dass ich keinen betroffenen Mitarbeitenden jemals wieder an den Resturlaub erinnern müsste.

Kurioserweise ist Laissez-faire beim Urlaub ausgerechnet bei jenen am anstrengendsten, denen immer nachgesagt wird, ihnen sei die Work-Life-Balance und ein geregeltes Privatleben besonders wichtig: Kolleg:innen der Gen Z und der jüngeren Hälfte der Millennials.

Sonne, Sand, Ruhe: (Rest-)Urlaub kann so schön sein.
Sonne, Sand, Ruhe: (Rest-)Urlaub kann so schön sein.Bild: pexels / brady knoll

Weshalb ich mich manchmal frage, ob auch ich das Thema zu lasch angehe. In vielen Firmen muss man schon im November vier Wochen Urlaub fürs Folgejahr beantragen. In der Generation meiner Eltern war es normal, zu Jahresbeginn die sechs Wochen Urlaub beantragt zu haben.

Genau das möchte ich eigentlich vermeiden, weil mir wichtig ist, dass Kolleg:innen auch spontan Urlaub einreichen können. Das klappt allerdings nur mit ein wenig mehr Disziplin gegen Jahresende.

Deshalb, liebe Kolleg:innen: Fahrt weg. Nehmt euren Resturlaub. Und vielleicht wollt ihr euch ja für nächstes Jahr den Vorsatz fassen, mich beim Thema Resturlaub nicht zur Weißglut zu treiben?

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