Wenn diese Kolumne erscheint, habe ich Urlaub. Eine Woche den Kopf freibekommen, abschalten, nicht an die Arbeit denken. Wenn's gut läuft, hören meine Kolleg:innen dann endlich mal ein paar Tage lang nichts von mir. Und ich nichts von ihnen.
Ich habe mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, wie präsent und erreichbar ich als Chef auch während des Urlaubs sein will. Und gebe gerne zu: Ich musste das Loslassen lernen, weil die Verlockung groß ist, im digitalen Zeitalter auch an freien Tagen andauernd online zu sein. Ich bin wirklich nicht gut darin, das Smartphone wegzulegen. Aber ich habe mich gebessert.
Die Entscheidung, mich im Urlaub möglichst ganz aus dem Tagesgeschäft rauszuziehen, war eine bewusste. Ich habe nicht nur eine tolle Stellvertreterin oder starke Führungskräfte, sondern ein unglaublich waches Team, das genau weiß, was es tut.
Würde ich im Urlaub andauernd in ihre Arbeit reinquatschen, würde das ein fatales Signal aussenden – und suggerieren, ich würde dem Rest nicht zutrauen, den Laden ohne mich nicht an die Wand zu fahren. Das wäre in der Tat Quatsch. Ich vertraue meinen Leuten und gehöre wahrlich nicht zu den Vorgesetzten, die glauben, dass ohne sie nichts funktioniert.
Hinzu kommt: Als Führungskraft sieht man vor allem auch im eigenen Urlaub, welch guten (oder schlechten) Job man in den Monaten zuvor verrichtet hat. Funktionieren die etablierten Prozesse auch, wenn man sie im Alltag nicht kontrolliert? Greifen die Rädchen ineinander, ohne dass der Boss nervt? Und treffen die Kolleg:innen die optimalen Entscheidungen im oft so hektischen Tagesgeschäft auch ohne einen?
Wenn das gelingen soll, und das finde ich für meinen Arbeitsalltag ungemein wichtig, müssen die Kolleg:innen auch dann eigenständig Entscheidungen treffen (dürfen), wenn ich nicht im Urlaub bin. Was da hilft, ist Transparenz. Ich versuche, meinen Teams immer offen zu sagen, was gerade gut läuft und wo wir uns aktuell strecken müssen. Ich setze meine Entscheidungen nicht nur durch, sondern begründe sie auch. Ich will ihnen immer ein Gefühl dafür geben, warum ich aktuell was beschließe. Und wenn sie das einigermaßen nachvollziehen können, klappt's auch, wenn ich nicht da bin.
Zur Wahrheit gehört aber auch, und da will ich nicht flunkern: Unerreichbar bin ich auch im Urlaub nicht. Ich bin eben der Chef, also habe ich immer eine Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeiter:innen – auch wenn ich gerade in Italien, in den USA oder auf dem Mond bin.
Wenn meine Kolleg:innen also wirklich glauben, im Urlaub in einem Notfall irgendetwas von mir zu brauchen, dann dürfen sie mich jederzeit anrufen oder mir eine Whatsapp schicken. Und ich würde auch nie auf die Idee kommen, mich dann gestört zu fühlen oder gar patzig zu reagieren. Es passt nicht zu meinem Verständnis einer Führungskraft, das ganze Jahr über Hilfsbereitschaft zu predigen, um dann an freien Tagen nicht erreichbar zu sein.
Zumal es im Extremfall auch so sein kann, dass eine völlig unerwartete Situation eintritt, in der eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen in meiner Abwesenheit getroffen werden muss. Natürlich muss ich in solch einem Moment parat stehen. Und investiere dann auch lieber im Urlaub ein, zwei Stunden, als anschließend von den unvorhergesehenen Entwicklungen völlig überrascht zu sein.
Dennoch tut's auch dem Chef natürlich gut, mal richtig abschalten zu können. Zumal ich lernen musste: Je größer die Verantwortung ist, die man trägt, desto wichtiger ist es, in den sechs Wochen Urlaub im Jahr möglichst komplett den Stecker zu ziehen – weil sich die Kolleg:innen in den anderen 46 Wochen im Jahr darauf verlassen können müssen, einen Chef zu haben, der Entscheidungen mit klarem Kopf trifft.
Ich habe für mich daher einen gut funktionierenden Weg gefunden, im Urlaub meine Ruhe zu haben, ohne zu 100 Prozent offline sein zu müssen. Ich lese die Slack-Nachrichten, mit denen wir das Tagesgeschäft organisieren, nicht. E-Mails checke ich allerhöchstens sporadisch. Ich verschaffe mir höchstens alle ein, zwei Tage einen schnellen Überblick, um mir selbst zu bestätigen, dass alles läuft. Das kann für einen Chef im Urlaub unglaublich entspannend sein.
Gleichzeitig weiß ich: Wenn der Baum wirklich brennt, wissen meine Leute, wie sie mich erreichen. Und weil das in aller Regel nicht passiert, mache ich einfach Urlaub. Es wäre für die Arbeit einer Führungskraft auch ein Armutszeugnis, wenn das nicht möglich wäre.