Die Debatte um Quiet Quitting reißt nicht ab. Von einer "neuen Arbeitsmoral" ist die Rede, von "riesigen Problemen für Firmen" und von einer jungen Generation, die "keinen Bock mehr hat, sich anzustrengen".
Der Begriff ist zu groß, um alle Facetten in einer einzigen Kolumne zu beleuchten. Doch was mir als Führungskraft immer wieder auffällt: Auch nach mehreren Monaten ist die Diskussion an einigen Stellen von Missverständnissen und Vorurteilen geprägt, die der Generation Z (und den Millennials) nicht gerecht werden.
Der Versuch einer Einordnung in sieben Punkten.
Quiet Quitting bedeutet NICHT, dass man innerlich gekündigt hat. Weshalb man Quiet Quitting nicht "wörtlich übersetzen" kann. Quiet Quitting ist das Synonym für "Dienst nach Vorschrift".
Und das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge, die zu vielen sinnlosen Diskussionen führen: Quiet Quitter beschließen, im Büro nur noch das zu leisten, was vertraglich vorgeschrieben ist. Sie haben aber nicht mit ihrer Firma oder den Vorgesetzten abgeschlossen und sich gedanklich schon verabschiedet. Sie können sich unter Umständen sogar vorstellen, noch lange in ihrem Job weiterzumachen – wenn ihre Regeln akzeptiert werden.
Jede:r hat schon mit Kolleg:innen zusammengearbeitet, die täglich zu spät ins Büro kommen, sich bei Zusatzaufgaben wegducken, dafür aber umso stärker bei Kaffeepausen sind. Die, um es kurz zu machen, immer nur das Nötigste tun.
Wir alle kennen Personen, die weniger leisten, weil sie gesundheitlich angeschlagen oder etwas älter und dadurch nicht mehr ganz so belastbar sind. Völlig normal. Und in vielen Teams hast du Eltern, die den Stift überpünktlich fallen lassen, weil sie ihr Kind von der Kita abholen müssen. Das ist okay. Niemand würde Vätern oder Müttern das zum Vorwurf machen. (Und nein, ich will nicht sagen, dass alle Eltern nur Dienst nach Vorschrift machen.)
Der Dienst nach Vorschrift ist nichts Neues. Neu sind nur die Debatten darüber. Und die Tatsache, dass junge Menschen verstärkt äußern, ihr Leben nur bis zu einem gewissen Maß von der Arbeit bestimmen lassen zu wollen.
Nicht alle jungen Menschen sind Quiet Quitter. Im Gegenteil!
Ich erlebe jeden Tag, wie die Generation Z für ihren Job brennen kann. Was so weit geht, dass ich regelmäßig Leute bremsen muss, damit sie mit ihren Kräften besser haushalten.
Eine kürzlich veröffentlichte repräsentative Umfrage hat ergeben: Low Performer sind in keiner Altersgruppe so unbeliebt wie bei den 18- bis 24-Jährigen. Merkt euch das, wenn euch wieder jemand einreden will, dass junge Menschen keinen Bock auf Arbeit hätten.
Ich will nicht behaupten, dass nicht auch junge Menschen nach einer Gehaltserhöhung zufriedener sind als vorher. Aber: Quiet Quittern geht es nicht um die Kohle. Es geht ihnen ums Prinzip!
Jede:r hat seine eigenen Gründe: das Privatleben, auch ohne Kinder; das persönliche Wohlbefinden; Freund:innen und Hobbys; die Welt, die auf den Abgrund zusteuert, vor allem in Bezug aufs Klima; das Wissen, dass sie sich im Gegensatz zu ihren Eltern nie ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung werden leisten können.
All diese individuellen Beweggründe in einen Topf zu werfen, dreimal umzurühren und die Soße pauschal einer ganzen Generation über den Kopf zu kippen, ist mir zu billig. Was eine moderne Führungskraft verstehen muss, ist: Der Individualismus ist heute größer als früher. Und man muss lernen, für jedes Bedürfnis eine Antwort zu finden.
Viele Führungskräfte zeichnen in Vorstellungsgesprächen ein rosarotes Bild, weshalb neue Kolleg:innen irgendwann überrascht feststellen, dass vieles anders läuft als angekündigt. Dazu gehören in aller Regel auch die Arbeitsbelastung und Überstunden.
Ehrlichkeit und Transparenz würden helfen. Denn es sind die Chef:innen, die vorgeben, was Vorschrift ist. Und damit auch, wie "Dienst nach Vorschrift" aussehen könnte.
Ich weigere mich, nach all den Erfahrungen, die ich gemacht habe, zu glauben, dass junge Menschen nicht bereit sind, phasenweise mal mehr zu leisten. Konkretes Beispiel aus unserer Redaktion: Wenn eine Fußball-WM stattfindet, muss jede:r, der oder die weiß, was Abseits ist, mehr arbeiten als üblich. Damit wir mit vereinten Kräften das Großereignis stemmen. Und genau das würde ich eine:r Bewerber:in auch sagen.
Jedoch: Als Chef:in sollte ich diesen Arbeitseinsatz nicht als Geschenk interpretieren. Meinen Kolleg:innen, die während der WM den größten Stress hatten, habe ich im Januar ungefragt drei zusätzliche freie Tage in den Kalender geschrieben. Nicht als großzügige Geste. Sondern als fairen Ausgleich.
Und während ich mir fast schon doof vorkomme, so eine Banalität hier aufzuschreiben, muss ich feststellen: Ich hatte schon genügend Vorgesetzte, die auf diese Idee nicht gekommen sind.
Über die möglichen Gründe für Quiet Quitting habe ich oben geschrieben. Ein Punkt fehlte dort: der eigene Arbeitgeber oder die aktuelle Führungskraft. Denn dann würde die Lösung doch Kündigung heißen – in der Hoffnung, dass woanders das Gras grüner ist. Das hat jedoch nichts mit Quiet Quitting zu tun, wie ich es verstehe. Das ist ein uralter Vorgang, den es schon immer gibt.
Ich habe schon Teams erlebt, in denen fünf von fünf Mitarbeitende bis zum Umfallen arbeiteten, weil alle auf eine Beförderung und eine dicke Gehaltserhöhung hofften. Das Ende war vorhersehbar: Nicht jede:r bekam mehr Geld, nicht jede:r stieg intern auf. Also kündigten mehrere Kolleg:innen ein Jahr später frustriert.
Vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, wenn ein gewisser Prozentsatz der Belegschaft nicht schon wieder den nächsten Karriereschritt plant, sondern einfach "nur" mit einem sauber nach Vorschrift ausgeführten Job den eigenen Lebensunterhalt verdienen will.
Eine gesunde Mischung macht's. Auch in Bezug auf die Generation Z.
Die Kunst als Führungskraft wird sein, zu akzeptieren, wie individuell junge Kolleg:innen ihre Bedürfnisse artikulieren. Vom Karrieremenschen bis zu den Verfechter:innen des Diensts nach Vorschrift. Ist es nicht ein völlig natürlicher Vorgang, dass sich eine Gesellschaft Generation für Generation weiterentwickelt? Und damit auch die Ansprüche an die Arbeitswelt?
Firmen, die schnell Lösungen für diese Herausforderung finden, werden dadurch einen echten Vorteil gegenüber ihrer Konkurrenz haben. Und das ist in Zeiten von Fachkräftemangel ein ziemlich gewichtiges Argument.