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Der Chef ganz ehrlich

Chef berichtet: Wie ich zur Gen Z in der Berufswelt stehe

So entspannt wäre der Chefredakteur gerne. Klappt manchmal, aber nicht immer. Ganz egal, ob er im Büro Krawatte trägt oder nicht.
So entspannt wäre der Chefredakteur gerne. Klappt manchmal, aber nicht immer. Ganz egal, ob er im Büro Krawatte trägt oder nicht.Bild: shutterstock / brazhyk
Der Chef ganz ehrlich

Wie ich als Führungskraft mit den Ansprüchen der Gen Z umgehe

Swen ist Chefredakteur von watson. Er findet seinen Job so gut, dass er auch noch eine Kolumne über ihn schreibt. Hier berichtet er von schönen, traurigen und kuriosen Erlebnissen. Denn man mag es kaum glauben: Auch Führungskräfte machen sich Gedanken. Und haben manchmal Gefühle.
21.06.2023, 06:51
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Vor einiger Zeit war Maria Lorenz-Bokelberg, eine der bekanntesten Podcast-Macherinnen des Landes, bei den Kolleg:innen der "Zeit" zu Gast. Maria ist ungefähr in meinem Alter und als Firmenchefin auch Führungskraft.

Im Podcast "Alles gesagt?" wurde sie gefragt, wie genervt sie auf einer Skala von 0 bis 10 sei, wenn junge Kolleg:innen mal wieder mit einem Sonderwunsch um die Ecke kommen. Und weil Maria eine Antwort gab, die ich nicht besser ausdrücken kann, zitiere ich sie hier: "Zuerst eine Acht", sagte sie in bemerkenswerter Ehrlichkeit. Dann atmete sie ein paar Mal tief durch. "Und dann ist es eine Drei."

Bingo. So geht es mir auch.

Es stimmt ja, was oft besprochen und diskutiert wird: Die Gen Z und auch Teile der Gen Y sind nicht selten anstrengend zu führen. Ich will mich darüber ausdrücklich nicht beschweren. Das ist das gute Recht der jungen Menschen, die sich eben nicht mehr für die Arbeit verbiegen wollen, wie es Generationen vor ihnen getan haben.

Zur Wahrheit gehört: Ich ticke (in Teilen) anders. Ich werde nächstes Jahr 40, ich bin demnach offiziell Millennial. Ich sollte in der Theorie ein Mittelding aus Gen Z und der Generation der Babyboomer:innen sein. Doch wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich in Sachen Einstellung zur Arbeit eher wie meine Eltern: Ich arbeite gern, ich arbeite viel und ich würde im Leben nicht auf die Idee kommen, mich über den Stress im Büro zu beschweren.

Arbeiten? Schön und gut. Aber junge Menschen sagen ihren Chefs klar und deutlich, was sie sonst noch beschäftigt.
Arbeiten? Schön und gut. Aber junge Menschen sagen ihren Chefs klar und deutlich, was sie sonst noch beschäftigt.bild: pexels / Viktoria Slowikowska

Ich glaube dennoch, dass ich besser auf mich aufpasse, als das viele Ältere getan haben. Ich würde nicht ausschließen, in ein paar Jahren ein Sabbatical zu machen, wenn es mein Konto und mein Berufs- und Privatleben zulassen. Ich lerne immer besser, im Urlaub das Handy wirklich wegzulegen.

Ich mag zwar anders ticken als die Gen Z. Aber ich kann viele Ansichten von jungen Menschen verstehen. Ihnen ist die Work-Life-Balance wichtig, sie leben in einer Welt voller Katastrophen und viele von ihnen, zumindest jene in privilegierten Ausbildungssituationen, können sich die Jobs aussuchen.

Ich hingegen habe einen Vertrag als Chefredakteur unterschrieben. In vollem Bewusstsein, was die Ansprüche an einen solchen Posten sind. Ich bin gerne Journalist, vor allem aber bin ich gerne Führungskraft. Wenn nachts um 23 Uhr eine Breaking News die Welt erschüttert, mache ich den Rechner an. Und wenn nachts um 23 Uhr ein:e Kolleg:in mit mir über ein Problem sprechen möchte, gehe ich ans Telefon. (Oder beantworte Whatsapps, weil mit dem Telefonieren haben's viele ganz junge Menschen ja nicht mehr so.)

Aus dem Leben einer Führungskraft
Wie führt man Menschen der Generation Z und die jüngere Hälfte der Generation Y modern und erfolgreich? Seit mehreren Jahren versuche ich, das herauszufinden, weil die allermeisten meiner Kolleg:innen 18 bis 35 Jahre alt sind. In meiner Kolumne "Der Chef ganz ehrlich" möchte ich meine Erfahrungen und Gedanken zum Leben als Vorgesetzter teilen. Subjektiv und direkt, durch die Brille einer Führungskraft. Alle Namen sind natürlich anonymisiert. Und nicht jedes Erlebnis stammt aus der watson-Redaktion. Feedback, Gedanken und Themenvorschläge gerne jederzeit an swen.thissen@stroeer-publishing.de.

Ich vermute, dass es für jene Work-Life-Balance-Verfechter:innen, die ich in meinen Teams bisher begleiten durfte, gar nicht so schlecht war, einen Chef zu haben, der selbst weniger Probleme mit Überstunden hat als sie selbst.

Die Sache ist ja: Ich muss die Wünsche und Ansprüche von Kolleg:innen ja nicht selbst haben, ich muss sie nicht einmal nachvollziehen können.

Meine Aufgabe ist es, damit möglichst perfekt umzugehen.

Indem ich auf Wünsche und Vorstellungen eingehe, die möglich und (für mich) nachvollziehbar sind. Das ist es, was eine moderne Führungskraft heutzutage ausmacht. Wer sich auf die jungen Menschen im Büro nicht einlässt, wird auf Dauer keine guten Angestellten mehr finden. Oder sie zumindest nie langfristig binden können.

Wer als Vorgesetzte:r Dinge ablehnt, macht sich nicht beliebt. Umso wichtiger ist gute Kommunikation.
Wer als Vorgesetzte:r Dinge ablehnt, macht sich nicht beliebt. Umso wichtiger ist gute Kommunikation.Bild: pexels / alena dermel

Gleichzeitig muss ich aber auch Grenzen setzen und Nein sagen, wenn Sonderwünsche den Erfolg meines Teams gefährden. Das war schon immer Aufgabe von Vorgesetzten.

Wenn beides gleichzeitig nicht möglich ist, wenn ich Dinge ablehnen oder gar verbieten muss, muss ich sie verständlich erklären. Damit Mitarbeiter:innen vielleicht enttäuscht, aber nicht entsetzt oder sauer sind; weil sie meine Perspektive eben auch verstehen können. Das ist es, was meiner Meinung nach eine erfolgreiche Führungskraft ausmacht. Unter anderem, natürlich. Es gibt viele weitere Aspekte.

Vermutlich geht's in letzteren Momenten meinem Gegenüber dann wie Maria Lorenz-Bokelberg oder mir. Im ersten Moment ist's eine Acht. Nach dreimaligem Durchatmen eine Drei.

Als ich bei watson unterschrieben habe, war mir klar, dass mich dieses Thema in Zukunft regelmäßig beschäftigen würde. Nicht, weil ich hier eine besonders komplizierte Truppe führe, im Gegenteil, wir haben uns eine sensationelle Mannschaft mit hervorragender Arbeitsmoral (und guter Work-Life-Balance!) aufgebaut. Sondern weil ich wusste, dass in Zukunft 95 Prozent meiner Kolleg:innen zwischen 18 und 35 Jahren alt sind – und junge Menschen heute ihre Chefs auf Trab halten. (Auch wenn ich viele Vorurteile über die Gen Z absolut nicht nachvollziehen kann – darüber habe ich hier in einer früheren Kolumne bereits geschrieben.)

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Genau das war es, was mich an dieser Aufgabe reizte. Ich bin gerne Führungskraft von jungen Menschen. Auch wenn's manchmal ein Spagat ist, als Millennial von der Babyboomer-Generation geprägt zu sein und nun die Gen Z zu führen.

Aber das ist nicht das Problem meiner Kolleg:innen, sondern meines.

Durchatmen hilft.

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Shimon Yehuda Hayu will schnell Geld machen. Viel Geld. Er schmiedet einen Plan, schafft sich eine neue Identität, nennt sich Simon Leviev. Die Idee dahinter: Eine vorgegaukelte Verwandtschaft mit dem israelischen Milliardär Lev Leviev. Via Dating-Apps kontaktiert er Frauen, gibt sich erst romantisch. Steht die Beziehung, lügt er eine Gefahrensituation vor, sagt, er brauche dringend Geld. Ist die Kohle da, verschwindet er.

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