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Auswanderin in Australien: Warum ich aufgehört habe, neue Freunde zu suchen

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Das ist natürlich ein Nachteil an Australien: Die beste Freundin kann man dauerhaft nicht einfach mitnehmen.Bild: Shutterstock / Lucky N
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Wieso ich aufgehört habe, in Australien nach Freunden zu suchen

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Unsere Kollegin Franziska Wohlfarth hat bei watson gekündigt, weil sie nach Australien ausgewandert ist. Ganz weg ist sie aber nicht: Sie berichtet in ihrer Kolumne "Die Auswanderin" einmal im Monat von ihren Erlebnissen aus Down Under.
03.07.2023, 08:1005.12.2023, 10:15

Leute, die in eine fremde Stadt oder sogar in ein ganz anderes Land ziehen, merken schnell: Neue Freundschaften zu schließen, ist gar nicht so leicht. Als Kind ging das irgendwie von ganz allein, ohne dass man sich großartig anstrengen musste. Es brauchte nicht mehr als eine geteilte Schaufel im Sandkasten und schon war man unzertrennlich.

Als erwachsene Person ist das leider nicht so einfach. Das musste auch ich in den letzten Wochen und Monaten schmerzlich feststellen. Denn nach Australien auszuwandern ist nicht nur unfassbar aufregend, sondern so ein Umzug ans andere Ende der Welt kann auch schnell ganz schön einsam werden. Wie schafft man es also, sich von Grund auf ein neues soziales Netzwerk zu schaffen – ohne dabei jene Freundschaften zu vernachlässigen, die in Deutschland auf einen warten?

Mit Dating-Apps zu neuen Bekanntschaften

Ich habe das Gefühl, dass Freundschaften im Erwachsenenalter mit einem gewissen Stigma behaftet sind: Serien wie "Friends" oder "How I met your mother" haben uns glauben lassen, dass alle Leute ein blühendes Sozialleben haben, im besten Fall bestehend aus Leuten, die man schon seit Jahren kennt. Und wenn dem nicht so ist, dann muss mit einem irgendetwas nicht stimmen.

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Dabei gibt es viele Menschen, die aufgrund eines Umzugs, einer Trennung oder der Corona-Pandemie ihren Freundeskreis neu sortieren müssen. Das bemerkte ich vor allem, als ich mir die App "Bumble BFF" herunterlud und durch zahlreiche Profile von Leuten swipte, die ebenso wie ich auf der Suche nach neuen Freundschaften waren. Denn wo lernt man im Jahre 2023 besser neue Leute kennen als im Internet?

Dating-Apps sind inzwischen nicht nur dafür da, um den nächsten One-Night-Stand kennenzulernen.
Dating-Apps sind inzwischen nicht nur dafür da, um den nächsten One-Night-Stand kennenzulernen. bild: pixabay/Averyanovphoto

Das Konzept der App ist prinzipiell genauso wie bei Tinder, nur dass man hier im besten Fall nicht mit billigen Anmachsprüchen zugetextet wird, sondern ganz platonische Bekanntschaften schließen kann. Dank des digitalen Zeitalters muss man keinen unangenehmen Smalltalk mehr mit Nachbar:innen führen oder sich durch einen spätabendlichen Zumba-Kurs quälen, um neue Kontakte zu knüpfen, sondern kann das ganz einfach aus dem Komfort der eigenen vier Wände heraus machen.

Ein Terminkalender voll sozialer Verpflichtungen

Das Problem hierbei ist jedoch, dass die Kontakte eben diese vier Wände oftmals nicht verlassen. Denn eine weitere Erkenntnis, die ich während meines Bumble-Swipens hatte, ist, dass kaum jemand in seinem Alltag überhaupt die Zeit hat, um neue Freundschaften zu pflegen.

Unzählige Male schrieb ich mit Leuten schon hin und her, nur um dann vage Pläne á la "wir müssen uns unbedingt mal auf einen Kaffee treffen" zu machen und diesen niemals in die Tat umzusetzen. Ich weiß nicht, ob es an der Kultur, dem Leben in der Stadt, dem Alter oder schlicht und ergreifend am Kapitalismus liegt, aber Menschen in Melbourne sind alle unfassbar viel beschäftigt. Brunch-Dates müssen Wochen vorher in den Terminkalender eingetragen werden und spontane Treffen sind meiner Erfahrung nach einfach nicht drin.

Wer neue Freundschaften schließen möchte, braucht gute Zeitmanagement-Skills.
Wer neue Freundschaften schließen möchte, braucht gute Zeitmanagement-Skills.bild: pixabay/StockSnap

Das liegt jedoch nicht nur an der mangelnden Flexibilität, sondern auch an der großen Distanz, die man teilweise für einen Kaffee zurücklegen muss. Melbourne erstreckt sich nämlich über eine Fläche von fast 10.000 Quadratkilometern. Zum Vergleich: Berlin hat eine Größe von etwa 892 Quadratkilometern. Wenn man also 45 Minuten mit dem Auto in einen anderen Bezirk fahren möchte, um sich dort mit irgendeinem Fremden aus dem Internet zu treffen, muss das Vorhaben wie ein Kurzurlaub geplant werden.

"Es ist anstrengend, immer wieder die gleichen Fragen zu stellen, die gleichen Gespräche zu führen und die gleiche Lebensgeschichte zu erzählen."

Dabei hilft es auch nicht, dass ich seit meiner Ankunft zu einer echten "Ja"-Sagerin geworden bin. Ich versuche, alle Erfahrungen mitzunehmen und jeden meiner freien Tage mit Verabredungen zu füllen, um so schnell wie möglich ein soziales Netzwerk aufzubauen. Ich habe mich bereits mit einigen Leuten von Bumble getroffen und war mit ein paar von ihnen auch direkt auf einer Wellenlänge.

Als introvertierte Person merke ich jedoch auch, dass ich inzwischen an einem Punkt angekommen bin, an dem meine soziale Batterie so gut wie leer ist. Es ist anstrengend, immer wieder die gleichen Fragen zu stellen, die gleichen Gespräche zu führen und die gleiche Lebensgeschichte zu erzählen.

Sehnsucht nach den Lieblingsmenschen

Ich sehne mich nach Leuten, die mich und meine Eigenheiten kennen, die an dem Tonfall in meiner Stimme merken wie es mir geht. Leute, mit denen ich mich stundenlang ununterbrochen unterhalten kann, ohne händeringend nach Gesprächsthemen suchen zu müssen und mit denen Schweigen niemals unangenehm, sondern fast schon tröstlich ist. Kurz gesagt: Ich sehne mich nach meiner Familie und meinen Freund:innen in Deutschland.

Neulich saß ich im Auto und habe geweint, weil mich jeder Song in meiner Playlist an die Personen erinnerte, die ich zurückgelassen habe. Mit jedem Lied wurde ich in eine Zeit zurückversetzt, die es so nicht mehr gibt und die es auf eine gewisse Art und Weise auch nicht mehr geben wird.

"Ich habe Angst davor, dass meine Freund:innen eines Tages beschließen, dass die Arbeit die sie in unserer Beziehung stecken müssen, es einfach nicht mehr wert ist."

Natürlich stehe ich weiterhin mit meinen Freund:innen in engem Kontakt. Wir verabreden uns regelmäßig zu Videotelefonaten, teilen Memes auf Instagram, die uns an die jeweils andere Person erinnern und nehmen Sprachnachrichten in Podcastlänge auf, in denen wir uns gegenseitig Lebens-Updates geben. Nichtsdestotrotz hat sich die Beziehungsdynamik verändert und ein Teil von mir hat immer noch nicht akzeptiert, dass ich meine beste Freundin nicht einfach spontan auf einen Bubble Tea treffen kann, sondern dass uns fast 16.000 Kilometer Luftlinie und acht Stunden Zeitverschiebung voneinander trennen.

Dank des digitalen Zeitalters können Freundschaften auch trotz Distanz erhalten bleiben.
Dank des digitalen Zeitalters können Freundschaften auch trotz Distanz erhalten bleiben.bild: pexels/Artem Podrez

Ich lebe in dauerhafter Angst davor, vergessen zu werden. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ich habe Angst davor, dass meine Freund:innen eines Tages beschließen, dass die Arbeit, die sie in unserer Beziehung stecken müssen, es einfach nicht mehr wert ist. Ich habe Angst davor, keinen der Leute zu kennen, mit denen meine beste Freundin auf einmal ihre Zeit verbringt. Ich habe Angst davor, irgendwann mal nicht mehr als eine Anekdote zu sein; eine Freundin, die man mal kannte und die dann ans andere Ende der Welt gezogen ist.

Distanz als Chance

Kurz gesagt: Fernbeziehungen zu Freund:innen und Familie sind immer auch mit Herzschmerz und Ungewissheit verbunden. Doch sie haben auch positive Seiten: So lebt man beispielsweise in dauerhafter Vorfreude auf das nächste Videotelefonat oder das nächste Wiedersehen. Außerdem weiß man durch die Distanz kleine Gesten und Momente ganz besonders zu schätzen. Sei es eine unerwartete "Ich muss an dich denken"-Nachricht oder das Foto einer Katze, die der Freundin auf dem Heimweg begegnet ist.

Du kannst dir sicher sein, dass diejenigen, die trotz der Entfernung und Zeitverschiebung weiterhin mit dir in Kontakt stehen, nicht nur aus Gewohnheit mit dir befreundet sind. Wenn sich jemand früh morgens extra den Wecker stellt, nur um mit dir zu telefonieren, dann weißt du, dass keine Distanz der Welt zwischen eure Freundschaft kommen kann.

"Wenn man einmal seine Herzensmenschen kennengelernt hat, dann kann sich jeder Ort wie Zuhause anfühlen."

Inzwischen habe ich Bumble deinstalliert. Zum einen, um meinen Terminkalender zu entlasten und zum anderen, weil ich die Beziehung zu denjenigen festigen möchte, die ich über die App bereits kennengelernt habe. Denn eine Freundschaft aufzubauen und am Leben zu erhalten, ist mit Zeit und Arbeit verbunden. Arbeit, die sich auszahlt, denn wenn man einmal seine Herzensmenschen kennengelernt hat, dann kann sich jeder Ort wie Zuhause anfühlen.

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