Am zweiten Märzwochenende pilgerten etwa 15.000 Musikfans in den nahe Melbourne gelegenen Grampians-Nationalpark, um dort zu Techno und Trance abzutanzen. Vier Tage lang sollte beim "Pitch Festival" durchgefeiert werden – so lautete zumindest der Plan. Doch Rekordtemperaturen von 39 Grad und offizielle Warnungen vor Buschbränden, zwangen die Veranstalter:innen dazu, große Teile des Musikprogramms sowie die komplette letzte Nacht des Events abzusagen.
Nur wenige Wochen zuvor mussten bereits tausende Menschen im Südosten Australiens vor einem Buschfeuer fliehen. Etwa 11.000 Hektar Land und zahlreiche Wohnhäuser wurden bei den Bränden zerstört. Nahegelegene Schulen mussten geschlossen werden und etliche Haushalte blieben vorübergehend ohne Strom.
Vorfälle wie diese haben mir gezeigt, dass mit dem australischen Sommer nicht zu spaßen ist. Denn anders als in Deutschland wird heißen Tagen hier alles andere als freudig entgegengeblickt. Wer an Sommer denkt, denkt an Sonnenbäder, BBQ und gemütliche Nachmittage am See. All das gibt es hier in Australien natürlich auch, doch mit dem heißen und trockenen Wetter gehen auch einige Risiken einher.
Spätestens wenn man auf Landstraßen fährt, wird einem bewusst: Die Buschbrandgefahr ist allgegenwärtig. Denn dort sind in regelmäßigen Abständen Schilder aufgestellt, die einen über das Risiko eines Feuers aufklären und dazu anhalten, bestimmte Gegenden zu meiden. Es wird in vier Risikolevel eingeteilt, wobei das niedrigste "moderat" und das höchste "katastrophal" ist. Zu keinem Zeitpunkt liegt die Brandgefahr bei "null".
Meine Schwiegereltern leben auf einer Farm im ländlichen Teil des Bundesstaates Victoria. Das Grundstück ist umringt von Wald und immer wenn mein:e Partner:in und ich zu Besuch sind, werden wir dazu angeheuert, über das Gelände zu laufen, um Äste aufzusammeln und auf mehreren kleinen Haufen aufzutürmen. Sobald das ganze Grundstück frei von Stöcken ist, werden die Haufen verbrannt.
Bis zuletzt habe ich nie hinterfragt, wieso wir dieser Sisyphusarbeit nachkommen müssen und bin stattdessen davon ausgegangen, dass meine Schwiegereltern einfach ein bisschen penibel sind. Doch die Sammelaktionen sind tatsächlich keine Marotte, sondern stattdessen eine wichtige Maßnahme, um sich vor Waldbränden zu schützen. Denn bei Hitze und Trockenheit sind kleine Äste und Stöcke das erste, was in Flammen aufgeht. Deswegen werden sie kontrolliert abgebrannt, bevor die Sonne einem zuvorkommt.
Doch auch abseits von Buschbränden birgt die Sonne in Australien einige Gefahren. Wegen der elliptischen Erdumlaufbahn und der verschwindenden Ozonschicht über Australien scheint die Sommersonne in der südlichen Hemisphäre deutlich stärker als im restlichen Teil der Welt. Und stärkere Sonne bedeutet eben auch stärkere UV-Strahlung und ein erhöhtes Hautkrebsrisiko. So hoch, dass über zwei von drei Australier:innen vor ihrem 70. Lebensjahr mit Hautkrebs diagnostiziert werden.
Um Kinder und Erwachsene vor der schädlichen Sonneneinstrahlung zu warnen, wurde in den 1980er Jahren eine Kampagne gestartet, deren einprägsamer Slogan noch bis heute den meisten Leuten in Australien problemlos über die Lippen geht: Slip, Slop, Slap, Seek, Slide.
Slip on protective clothing = Schlüpf in ein Hemd.
Slop some sunscreen over your body = Schmier dich ein.
Slap on a hat = Stülp dir einen Hut über.
Seek shade = Such dir Schatten.
Slide on sunglasses = Setz eine Sonnenbrille auf.
Diese Richtlinien werden hier so ernst genommen, dass in einigen Restaurants, öffentlichen Räumen und auf Events sogar kostenlose Sonnencreme ausgehändigt wird – natürlich ausschließlich mit Lichtschutzfaktor 50+. Alles andere wäre auch sinnlos.
Ich nehme solche Angebote immer dankend an, denn als weiße Europäerin reagiere ich ganz besonders empfindlich auf die Sonne hier in Australien. An heißen Tagen bekomme ich schnell Hitzepickel und Sonnenbrand – und das, obwohl ich mir fast schon obsessiv immer wieder Sonnencreme ins Gesicht schmiere. Ich hoffe, dass sich meine Haut früher oder später an die australische UV-Strahlung gewöhnt, aber momentan mache ich mir da nicht allzu große Hoffnungen.
Ähnlich wie an die Stärke der Sonne werde ich mich höchstwahrscheinlich auch nie an die Hitze hier in Australien gewöhnen.
In Deutschland waren heiße Sommertage für mich immer ein Highlight. Tage, an dem man unbedingt rausgehen und etwas unternehmen muss – denn wer weiß, wann es das nächst mal wieder so schön wird? Sobald die ersten Sonnenstrahlen hinter den Wolken hervorschauen, sind wir Deutschen wie Pflanzen, die Photosynthese betreiben: Man versammelt sich grüppchenweise in Parks, an Badeseen oder auf Caféterrassen, schaut zufrieden lächelnd in den Himmel und saugt die Sonnenstrahlen auf.
Hier in Australien wird der Hitze weniger freudig entgegengeblickt. Die heiße Luft legt sich wie eine Decke über die Stadt, in der die Straßen wie ausgestorben sind. Wer sich nach draußen wagt, wird mit schweren Gliedern und Schweißausbrüchen bestraft. An Tagen, an denen das Thermometer über 35 Grad zeigt, bleiben alle Fenster geschlossen, die Jalousien werden morgens gar nicht erst aufgemacht und die Klimaanlage voll aufgedreht, während man sich mit einem kalten Getränk aufs Sofa pflanzt und hofft, dass die Hitzewelle bald vorbei ist.
Mal abgesehen vom Umweltaspekt: An Tagen wie diesen, bin ich unfassbar dankbar für Klimaanlagen. Die gibt es hier nämlich in jeder Wohnung und sind absolute Lebensretter. Inzwischen kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich den Sommer in Deutschland damals ohne Klimaanlage überstanden habe. Den Ventilator aufdrehen und mir heiße Luft ins Gesicht blasen lassen? Nein, danke.
Wobei Australier:innen es mit dem Runterkühlen manchmal auch übertreiben. Ich war neulich in einer Bar, in der es durch die Klimaanlage so kalt war, dass eine Freundin von mir irgendwann meinte: "Ich gehe mal kurz raus, um mich aufzuwärmen." Einen Satz, der mich im ersten Moment total verwirrte und der niemandem in Deutschland jemals über die Lippen kommen würde. In deutschen Innenräumen ist es im Sommer drinnen genauso heiß wie draußen. Und selbst wenn es ein bisschen kälter ist, wäre es niemals so kalt, dass man sich draußen "aufwärmen" müsste.
Dieser Schlüsselmoment in der Bar hat mir vor Augen gehalten, wie anders Australier:innen mit der Hitze umgehen. Das müssen sie auch, denn durch die Intensität der Sonne fühlen sich die hohen Temperaturen hier ganz besonders lähmend an. Auf Strandtage wird deshalb natürlich trotzdem nicht verzichtet – bei der traumhaften Natur, die es hier in Down Under gibt, wäre das ja auch allzu schade.
Doch bevor man es sich im weißen Sand gemütlich macht, müssen eben ein paar Vorkehrungen getroffen werden: Feuergefahr eindämmen, Sonnencreme draufschmieren und immer genug Wasser dabei haben. Oder auch: Slip, Slop, Slap, Seek, Slide.