"Hitzewelle lässt Deutschland schwitzen", verkündet mir eine Push-Benachrichtigung auf meinem Handy. Bevor ich den Artikel öffnen kann, ploppt auch schon die nächste Meldung auf: "So lassen sich die hohen Temperaturen aushalten". Ich schaue aus dem Fenster. Draußen regnet es und im Hintergrund brummt leise der Heizlüfter.
Während man in Deutschland versucht, mittels Schreibtischventilatoren und Wassereis den Sommer zu überstehen, ist es hier in Australien tiefster Winter. Schließlich befinde ich mich auf der Südhalbkugel. Das heißt, alle Jahreszeiten sind verdreht: Wenn in Europa Sommer ist, ist in Australien Winter und wenn in Australien Sommer ist, ist in Europa Winter.
Doch ist die kalte Jahreszeit auf dem roten Kontinent genauso grau und deprimierend wie in Deutschland? Eine Frostbeule redet Klartext.
Wenn man an Australien denkt, schießen einem direkt Bilder von trockenen Steppenlandschaften und sonnigen Stränden in den Kopf. Doch was viele Leute nicht wissen: Neben Surfen ist auch Skifahren ein weitverbreitetes Hobby unter Australier:innen.
Nennt mich ungebildet, aber als ich das erste Mal erfahren habe, dass es in Down Under Schnee gibt, dachte ich zunächst, das sei ein Scherz. Doch es stimmt. Für Minusgrade muss man zwar erst in höhere Gebirgslagen fahren, aber wer die Strecke auf sich nimmt, wird mit eisigen Temperaturen und einem Winterwunderland im Juli belohnt.
Wer also glaubt, dass es in Australien immer sommerliche Temperaturen hat, sollte sich warm anziehen – zumindest in Victoria, dem südlichen Bundesstaat, in dem ich lebe. Denn anders als im Norden des Landes, ist es hier nicht immer gleichbleibend warm, sondern es gibt einen klaren Wechsel zwischen Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
Und dieser Wechsel findet nicht nur über das Jahr hinweg statt, sondern oftmals innerhalb von nur 24 Stunden. Nicht umsonst wird Melbourne oft nachgesagt, die Stadt zu sein, in der es vier Jahreszeiten an einem Tag gäbe.
Und es stimmt: Allein letzte Woche bin ich mehrfach zu strahlend blauem Himmel aufgewacht, nur um dann vier Stunden später von einem fetten Regenschauer überrascht zu werden und dann weitere vier Stunden später die Handschuhe auspacken zu müssen. Wenn man in Melbourne lebt, sollte man also stets auf alle Eventualitäten vorbereitet sein und den Zwiebel-Look rocken können.
Dass es in Australien kalt werden kann, ist nicht nur für viele Tourist:innen eine Neuigkeit, sondern anscheinend auch für die meisten Architekt:innen hier vor Ort. Denn während Länder wie Deutschland, Schweden oder Norwegen ihre Wetterverhältnisse akzeptieren und ihre Infrastruktur dementsprechend daran anpassen, verleugnet Australien jegliche Temperaturen unter 10 Grad.
Ganz nach dem Motto "she'll be alright" werden die Gebäude hier deshalb gefühlt aus Pappe gebaut und so gut wie gar nicht gedämmt. Ich war bereits in Häusern, in denen ich wortwörtlich den wehenden Wind durch das geschlossene Fenster spüren konnte. Und richtige Heizungen gibt es auch nicht. Stattdessen setzen Australier:innen auf Klimaanlagen, die den ganzen Tag 27 Grad heiße Luft in den Raum pusten, von der gefühlt 70 Prozent direkt wieder durch die hauchdünnen Wände entweicht.
Das hat zur Folge, dass es drinnen deutlich kälter werden kann, als draußen und ich mir trotz durchschnittlich 15 Grad Außentemperatur einen sogenannten "Oodie" zulegt habe – eine tragbare Decke mit Ärmeln und Kapuze. Es mag albern aussehen, ist aber absolut notwendig, wenn man den Winter in Australien ohne Frostbeulen oder einer Energierechnung im vierstelligen Bereich überstehen möchte.
Nichtsdestotrotz kann ich Australier:innen nicht so ganz ernst nehmen, wenn sie sich über den ach so kalten Winter in Melbourne beschweren – und das tun sie sehr gerne. Es vergeht kein Tag, an dem mich nicht der (meist in Shorts gekleidete) Paketbote oder die Frau an der Supermarktkasse darüber aufklären "wie eisig es doch sei". Ich gebe zu, dass es in den Innenräumen insbesondere nachts sehr unangenehm werden kann. Doch an den kalten, grauen Winter in Deutschland kommen die Wetterverhältnisse hier nicht mal ansatzweise ran.
Auch von der kollektiven Winterdepression – die alle Leute in Berlin zwischen November und Februar in ihren Wohnungen gefangen hält – ist nichts zu spüren. Denn obwohl es immer mal wieder düstere Regentage gibt, gibt es genauso viele (wenn nicht sogar deutlich mehr) Sonnentage, die einen genug Energie tanken lassen, um das nächste Tief zu überstehen.
Auf die Frage danach, wie der Winter in Melbourne ist, kann ich also sagen: Wenn Australier:innen endlich aufhören würden, Pappzelte aufzustellen und diese als Häuser zu verkaufen, wäre die kalte Jahreszeit in Down Under nur halb so schlimm.
(fw)