
Wegen Trumps Politik: Queere US-Bürger:innen kämpfen für ihre Rechte.Bild: Getty / LeoPatrizi
Die Stimme
Als Teenager verließ Ella die USA – heute beobachtet sie aus Deutschland, wie ihre alte Heimat sich zunehmend verändert. Während Ella sich in Berlin ein neues Zuhause aufbaute und Anschluss in der queeren Community fand, wächst ihre Sorge um das, was sie zurückgelassen hat.
02.04.2025, 07:5902.04.2025, 07:59
Die alarmierenden Berichte über die Entwicklungen in den USA häufen sich. Ende März gaben drei renommierte Yale-Professoren bekannt, das Land zu verlassen – darunter der Philosoph Jason Stanley, ein führender Faschismus-Forscher. Gegenüber "Zeit Online" fand er klare Worte: "Was wir jetzt sehen – das ist Faschismus."
Angesichts dieser Entwicklungen überrascht kaum, dass Pro Asyl mit einer steigenden Zahl von Asylanträgen US-amerikanischer Staatsbürger:innen in Deutschland rechnet. "Wenn selbst in den USA Demokratie und Freiheit nicht mehr garantiert sind, wird klar: Der autoritäre Backlash hat die westliche Welt erreicht", erklärte Karl Kopp, Geschäftsführer von Pro Asyl, am 1. April gegenüber dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".
Ella (*Name von der Redaktion geändert) ist in den USA aufgewachsen und als queere, junge Frau mit den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen ihres Heimatlandes besonders konfrontiert. Inzwischen lebt sie seit über einem Jahrzehnt in Europa – die letzten Jahre davon in Deutschland. Im Gespräch mit watson erzählt sie, wie sich ihr Blick auf ihr Heimatland verändert hat und warum ihr Trumps Politik vor allem eins bereitet: große Sorgen.
US-Amerikanerin in Deutschland hat große Angst vor Trumps Politik
Ursprünglich stammt Ella aus einer konservativen Kleinstadt in den USA, in der sie das Gefühl hatte, nicht richtig dazuzugehören. Dass sie queer ist, wusste sie damals schon – behielt es aber für sich. Zum einen, weil sie sich in einem sehr konservativen Umfeld befand, zum anderen fehlten ihr Vorbilder, die offen queer lebten. Noch vor ihrer Volljährigkeit entschieden sich Ellas Eltern aus mehreren Gründen, die USA zu verlassen. Gemeinsam zogen sie in den östlichen Teil Europas, wo Ella ein Technologie-Studium absolvierte.
Von dort aus besuchte sie Deutschland öfter, auch weil sie selbst Familie hier hat, und verliebte sich schließlich in die deutsche Hauptstadt. Vor dreieinhalb Jahren entschied sie sich recht spontan für einen Umzug nach Berlin. Heute nennt sie die Stadt ihr Zuhause.
Es war nicht nur das berühmte Berliner Lebensgefühl, das Ella hier hielt. Deutschland bot ihr, was sie in ihrer alten Heimat vermisste: Progressivität, Offenheit und eine Gesellschaft, in der sie offen queer sein konnte. "Und natürlich sind hier die Gehälter höher", sagt sie. Hier baute sie sich ein Leben auf, das sie heute als das Beste bezeichnet, das sie je hatte.
Republikaner schränken queeres Leben massiv ein
Gleichzeitig blickt Ella mit wachsender Beklemmung in die USA. Dort krempelt Trump aktuell die amerikanische Politik um und schafft LGBTQIA+-Rechte wieder ab. Manche Schlagzeilen der letzten Wochen scheinen dabei so absurd, dass sie fast zum Schmunzeln einladen – etwa das Dekret gegen trans* und non-binäre Menschen, das versehentlich alle US-Bürger:innen offiziell als weiblich deklarierte.
"Die USA befinden sich in einer sehr dunklen Zeit und ich kann nur hoffen, dass es nicht lange anhält."
So lächerlich manche Aktionen der Republikaner auf den ersten Blick wirken, so ernst sind ihre Konsequenzen für die Menschen. Auch Deutschland könnte Trumps Politik schwer treffen: Seine Drohung, aus der Nato auszutreten, sorgt in Europa für große Besorgnis. Gleichzeitig belasten die von Trump eingeführten Importzölle, insbesondere auf deutsche Autos, nicht nur die Handelsbeziehungen, sondern könnten auch zu erheblichen Jobverlusten in Deutschland führen.
Der Blick in die Heimat ist für Ella schwer zu ertragen: "Ich habe vor Jahren die Hoffnung aufgegeben, dass sich die USA jemals wieder wie meine Heimat anfühlen könnte. Aber jetzt fühlt es sich an, als ob mir meine Heimat entrissen wurde." Ihre Gedanken und Emotionen dazu kann sie kaum ordnen, aber sie erzählt, dass es vor allem ein Gefühl von Trauer, Verlust und Wut sei.
Ihre Gründe dafür sind vielfältig. "Ich mache mir Sorgen um die Auswirkungen auf die Welt. Ich mache mir Sorgen um meine Familie. Ich mache mir Sorgen um Kanada, Grönland, die Ukraine und die anderen Länder, die die USA bedrohen", erzählt sie. "Ich und alle, die ich kenne, haben gerade große Angst."
Obwohl sie sich selbst als Optimistin sieht, fällt es ihr zunehmend schwer, das Positive zu erkennen. "Vor allem, wenn ich den nahezu völligen Mangel an Widerstand seitens der Demokraten betrachte und die Geschwindigkeit, mit der alle Aspekte der Regierung, der Justiz und der öffentlichen Einrichtungen übernommen oder abgebaut werden."
Inzwischen kenne sie niemanden mehr, der die Situation in den USA in einem positiven Licht sieht. "Die USA befinden sich in einer sehr dunklen Zeit und ich kann nur hoffen, dass es nicht lange anhält", erzählt sie.
Seit über sieben Jahren war Ella nicht mehr in ihrer Heimatstadt, und auch ihr letzter Besuch in den USA liegt lange zurück. "Es ist teuer, benötigt viele Urlaubstage und inzwischen fühlt sich das unsicher an. Ich glaube, es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass mein Heimatland der faschistischen Ideologie verfallen ist."
Die Nachrichten verfolgt sie dennoch aufmerksam, besonders die außenpolitischen Entwicklungen und die Auswirkungen auf die EU – sowie die Lage der queeren Community. "Ich neige dazu, mich manchmal davon überwältigen zu lassen. Daher muss ich mich regelmäßig fragen, ob ich emotional wirklich bereit bin, mehr US-Nachrichten zu lesen."
Wenn sie mit anderen US-Amerikaner:innen über die Situation in den USA spricht, herrsche ein Gefühl von geteilter Trauer, und jedes Mal werde das Gespräch entweder sehr schwer oder jemand fange einen Themenwechsel an.
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Der Rechtsruck in Deutschland bereitet Ella Sorgen
In Deutschland begegnen Ella einige Vorurteile. "Ich glaube, dass ich schnell als Deutsche durchgehe, zumindest bis die Menschen meinen Akzent bemerken", sagt sie. Dennoch sind ihr manche gegenüber erstmal skeptisch – Stereotype über Amerikaner:innen, von einem schlechten Bildungssystem bis hin zur Waffenliebe, halten sich hartnäckig.
Seit Trump wieder an der Macht ist, beschleicht Ella das Gefühl, dass ihr andere gegenüber etwas misstrauischer als zuvor begegnen. Doch meistens legt sich das schnell, wenn sie dann erzählt, dass sie queer ist und schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr in den USA lebt.
"Denkt daran, dass dies eine Zeit ist, in der wir füreinander da sein müssen und nicht zulassen dürfen, dass uns noch mehr Rechte genommen werden."
In ein paar Wochen wird Ella den deutschen Einbürgerungstest absolvieren. Die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, wäre für sie nicht nur ein bürokratischer Schritt – es würde ihr Sicherheit und emotionale Stabilität geben. Sie könnte dann wählen gehen und sich Deutschland stärker zugehörig fühlen. Doch selbst mit einem deutschen Pass bleibt eine Sorge bestehen: "Ich weiß, dass ich jemand bin, der in einem AfD-Deutschland keinen Platz hätte, selbst wenn ich deutsche Staatsbürgerin werden würde."
Am liebsten würde sie sehen, dass die AfD verboten wird. "Es gibt keinen Platz für eine Partei, die offen das deutsche Grundgesetz missachtet, die das Gesetz mit Nazi-Parolen und -Symbolen umgeht und die offen Massenabschiebungen und die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für Deutsche mit Migrationshintergrund fordert."
Trotz all der Sorgen und Unsicherheiten versucht Ella, den Mut nicht zu verlieren. Der Kampf für Rechte und Sicherheit ende nicht an Landesgrenzen. "Denkt daran, dass dies eine Zeit ist, in der wir füreinander da sein müssen und nicht zulassen dürfen, dass uns noch mehr Rechte genommen werden – sei es in den USA, in Deutschland oder irgendwo sonst", rät sie.