"Mütter von Jungs werden mich verstehen: Mein Sohn hat mein Herz. Mein Herz und meine Seele. Ich bin zwar vernarrt in [meine Tochter] Stevie Lee – sie ist das tollste kleine Mädchen der Welt – aber ich wollte mein Leben lang eine Jungs-Mutter sein."
Mit diesen Worten beginnt ein mittlerweile gelöschtes Video der Tiktokerin und Mom-Influencerin Avery Woods. Danach hält sie stolz Fotos ihres Sohnes in die Kamera.
Was zunächst nach einer süßen Liebeserklärung an ihr Kind klingt, wird von anderen User:innen auf Tiktok schnell und scharf kritisiert.
Schnell ist von Bevorzugung die Rede und einem schlechten Gefühl, das dem Geschwisterkind vermittelt wird. "Diese Art der Beziehung neigt dazu, keine Grenzen zu haben oder zu erlauben, das sorgt für eine ungesunde Beziehung", schreibt eine Nutzerin in Reaktion auf das Video.
Generell sei die Bezeichnung "boy mom" schlicht unangebracht, wenn man noch ein weiteres Kind hat, das kein Junge ist, wie im Fall von Avery Wood, finden andere.
Woods ist nicht die einzige Mutter, die unter dem Hashtag #boymom die Liebe zu ihrem Sohn ausdrückt. Alleine auf Instagram finden sich 18 Millionen Posts, Tiktok-Videos verzeichnen mehr als 31 Milliarden Aufrufe, wie die "New York Times" schreibt.
Eine andere Mutter sagt in ihrem Video: "Wenn ich an die Hochzeit meiner Tochter denke, werde ich ganz aufgeregt. Wenn ich an die Hochzeit meines Sohnes denke, möchte ich weinen."
"Toxisch" nennen viele Kritiker:innen das Verhalten. Und irgendwie auch ganz schön merkwürdig. Sie machen sich in eigenen Videos darüber lustig und parodieren die "toxic boy moms". Beispielsweise wie sie ihren erwachsenen Söhnen nicht erlauben, mit ihren Frauen Thanksgiving zu feiern – sie müssten doch bei ihrer "Mami" sein.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Sylvia Mikucki-Enyart zeigt sich im Gespräch mit der New York Times besorgt. Auch sie nennt den "boy mom"-Trend toxisch. Ein solches Verhalten könne zu familiären Spannungen zwischen den Müttern und den romantischen Partner:innen ihrer Söhne führen.
Die starke, ausgedrückte Präferenz für ein Kind aufgrund seines Geschlechts könne zudem unbeabsichtigte Folgen haben. Geschlechtsspezifische Erwartungen könnten dadurch noch verstärkt werden.
Aus feministischer Perspektive ist der Trend durchaus kritisch zu sehen. So gibt es eine Reihe von Videos, in denen sich Mütter mit ihren Söhnen im Kleinkindalter beim Kochen zeigen. Darunter finden sich Captions wie: "Ich gehe sicher, dass mein Sohn kochen kann, damit er sich nicht von der Lasagne deiner Tochter beeindrucken lässt".
Die Videos gehen teils mit Beleidigungen dieser nicht existenten Frauen einher. "Bitte sagt mir nicht, dass ihr euch ernsthaft eingeschüchtert fühlt wegen Frauen, die bisher nicht mal im Leben eures Sohnes existieren", klagt eine Nutzerin in einem Reaktionsvideo.
Die Videos würden dazu beitragen, dass Haushaltsaufgaben wie Kochen weiter als Frauensache gesehen werden. Zwischen den Zeilen: "Wenn eine Frau nicht kochen kann, ist sie wertlos."