Die Social-Media-App Tiktok ist gerade bei jungen Menschen sehr beliebt: Die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland nutzen die Plattform regelmäßig, bei den 20- bis 29-Jährigen ist es fast ein Drittel. Viral gehende Videos über aktuelle Ereignisse und politische Einordnungen, aber auch lustige Sketches oder Kochvideos sorgen für den Erfolg des Unternehmens.
Schon vor einigen Monaten gab es jedoch massive Kritik an Tiktok, da die App-Betreiber:innen offenbar Zensur in Deutschland betreiben und die Meinungsfreiheit somit einschränken. Recherchen von NDR, WDR und Tagesschau legen offen, dass der Konzern mindestens 20 Wörter über automatisierte Filter sperrt. Kommentare, die eines dieser Wörter beinhalten, erschienen im Rahmen der Untersuchung in mindestens vier Versuchen von unterschiedlichen Testaccounts nicht öffentlich unter den Videos. Insgesamt wurden 70 Begriffe getestet.
Zensiert werden zum Beispiel Kommentare mit den Wörtern "Nazi", "Gas" und "Sklaven", aber auch die Begriffe "LGBTQ", "Heterosexuelle" und "schwul" scheinen auf der Plattform blockiert zu sein.
Tiktok scheint die Kommentare zudem heimlich zu sperren – die Verfasser:innen bekommen keine Benachrichtigung, dass ihr Kommentar gelöscht wurde. Der Konzern betreibe dabei sogenanntes "Shadow-Banning": Für die Verfasser:innen sieht es in der App so aus, als wäre ihr geschriebener Kommentar noch öffentlich.
Im Februar 2022 führten NDR, WDR und Tagesschau bereits eine ähnliche Recherche durch. Mit der neuen Untersuchung sollte überprüft werden, ob Tiktok aus der Kritik gelernt hat und seine Praxis geändert hat – was scheinbar nicht wirklich der Fall ist.
Tiktok wurde mit den Ergebnissen der neuen Recherche bereits konfrontiert. Eine Sprecherin des Unternehmens äußerte sich: Man setze Technologien ein, die "proaktiv nach Kommentaren suchen, die gegen unsere Richtlinien verstoßen oder die ein Spam-Verhalten darstellen". Sie gestand jedoch: "In diesem Fall wurden Kommentare, die nicht gegen unsere Community-Richtlinien verstießen, fälschlicherweise als potenziell schädlich gekennzeichnet."
Aufgabe von Tiktok sei es nun, die automatisierten Systeme weiter zu trainieren, damit solche Fälle in Zukunft nicht mehr vorkommen. Das chinesische Unternehmen zeigt Verständnis, insbesondere gegenüber der LGBTQ+-Community, die gesellschaftlich immer noch Hassreden und Mobbing ausgesetzt sei und aufgrund blockierter Begriffe wie "LGBTQ" und "gay" häufig Opfer der Zensur ist. Tiktok wolle Kommentare jetzt nuancierter moderieren und eine einladende Community-Umgebung fördern.
Allerdings hat der Konzern schon öfter angekündigt, sich in dieser Hinsicht zu bessern. Wie sich erneut zeigt, scheinen das bisher eher leere Worte gewesen zu sein. Zudem nütze die Verwendung von Wortfiltern laut Tiktoker Maximilian Pichlmeier sowieso nicht, um Hassrede zu verhindern: "Hass sucht sich leider immer einen Weg auf solchen Plattformen."