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"Doc Alina" auf Tiktok: Wie eine zukünftige Ärztin mit Medizin-Tipps begeistert

Seit Januar ist Alina Walbrun auf Tiktok aktiv – und wurde schnell zur "Medfluencerin".
Seit Januar ist Alina Walbrun auf Tiktok aktiv – und wurde schnell zur "Medfluencerin".bild: privat
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"Ich möchte Aufklärung betreiben": Wie "Doc Alina" auf Tiktok Menschen mit Medizin-Themen begeistert

02.09.2022, 11:2202.09.2022, 16:12
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Alina Walbrun ist 23 Jahre alt. Sie ist Medizinstudentin im neunten Semester und arbeitet als Assistentin in einer Praxis für Dermatologie. Seit einigen Monaten ist sie nicht nur an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sondern auch auf Tiktok zu finden.

In nur acht Monaten ist Alina zur "Medfluencerin" geworden, erreicht mit ihren Clips zum Teil Millionen Menschen. Sie erklärt auf Tiktok Wirkstoffe von Medikamenten, verrät Begrifflichkeiten und geheime Codes von Ärzt:innen oder gibt anderen Studierenden Tipps für die Uni.

Im Interview mit watson spricht "Doc Alina", wie Walbrun auf Tiktok heißt, über ihren Erfolg, die Themen, die junge Menschen am meisten interessieren, und den Job von Karl Lauterbach.

watson: Alina, du hast nach acht Monaten schon 120.000 Follower:innen. Haben junge Menschen so wenig Ahnung von Medizin, dass sie Nachhilfe auf Tiktok brauchen?

Alina Walbrun: Im Gegenteil. Ich glaube, dass junge Menschen heute viel mehr wissen als früher. Gerade durch die Aufklärungsarbeit in Werbekampagnen, Zeitschriften oder eben auf Social Media. Wobei das, was man auf Tiktok vermitteln kann, nicht unbedingt in die Tiefe geht.

Wie meinst du das?

Ich möchte Aufklärung betreiben über Medizin, das Studium, den Arztbesuch und dabei frischen Wind in Tiktok reinbringen. Ich glaube, dass ich eine Lücke gefunden habe, die noch nicht so oft bedient wurde. Wenn ich zum Beispiel den Unterschied zwischen Ibuprofen und Paracetamol erkläre, spricht das eine breite Masse an, weil viele diese Tabletten nehmen. Aber das ersetzt natürlich keinen Arztbesuch.

Du kannst uns aber vielleicht verraten: Wie sinnvoll ist es, sich nach einer wilden Nacht ein Tütchen Elotrans anzurühren?

Der Elotrans-Hype ist schon verrückt. Ich habe bei solchen Dingen den Reflex, verstehen zu wollen, warum ein Durchfallmedikament plötzlich in aller Munde ist. Wobei man es in diesem Fall gut erklären kann: Viele junge Menschen gehen gerne feiern und wollen am nächsten Morgen dennoch einigermaßen fit sein.

"Bei Elotrans ist das zumindest nicht tragisch, weil es im Endeffekt Elektrolyte sind. Das ist nichts, wo ich sagen würde: Finger weg."

Elotrans war in den vergangenen Wochen ein größeres Thema in den sozialen Netzwerken. Wie findest du die Themen, zu denen du Videos drehst?

Ich nehme gerne die Fragen, die ich mir einfach selbst stelle. Oder die ich von Freund:innen oder der Familie gestellt bekomme. Und natürlich kommen mittlerweile auch Fragen aus der Community. Kürzlich wollte beispielsweise jemand wissen, ob sich Ärzt:innen Medikamente selbst verschreiben dürfen – das habe ich dann in einem eigenen Clip aufgegriffen.

Alina Walbrun hat als "Doc Alina" auf Tiktok rund 120.000 Follower:innen.
Alina Walbrun hat als "Doc Alina" auf Tiktok rund 120.000 Follower:innen.Bild: privat

Gibt es Themen, von denen du die Finger lässt?

Ich habe einmal ein Video zu Geschlechtskrankheiten gemacht und mich anschließend gefragt, ob ich das regelmäßig machen will – und mich dann dagegen entschieden. Sexualität, Geschlechtsverkehr, Geschlechtskrankheiten, das sind natürlich wichtige Themen, aber ich wollte mich nicht in die Position bringen, am Ende nur für diese Themen zu stehen. Erst recht nicht als junge Frau in sozialen Netzwerken.

Hast du denn mit Kommentaren zu kämpfen, die unter die Gürtellinie gehen?

Ich habe echt eine anständige Community, aber natürlich muss man lernen, mit Kritik umzugehen, wenn man sich in die Öffentlichkeit begibt. Und natürlich habe auch ich mal konfrontative Kommentare, werde für Inhalte kritisiert oder, was dann ja gut ist, auf Fehler hingewiesen. Aber generell bin ich ein Freund davon, positiv durch die Welt zu gehen. Manches blende ich einfach aus, weil ich mich nicht runterziehen lassen möchte.

Corona hat dazu geführt, dass wir deutlich mehr über medizinische Themen sprechen. Nun versorgst du junge Menschen genau dazu mit Informationen. Glaubst du, dass das Thema Gesundheit in den Schulen intensiver behandelt werden sollte?

Ja. Man hat in der Unterstufe ein wenig Sexualkunde und lernt hoffentlich auch, welche Geschlechtskrankheiten es gibt und wie man sich davor schützt. Aber ich könnte mir schon gut vorstellen, in Biologie oder Chemie mehr Themen zu behandeln, die einem im Leben auch gesundheitlich helfen. Zum Beispiel, indem man die Wirkweise von Schmerzmitteln erklärt.

"Ich habe zum Beispiel bei mir schon gesehen, wie viele Menschen die Wirkweise von Nasensprays interessiert."

Besteht auf Tiktok nicht auch die Gefahr, dass aufgrund der Verkürzung Informationen verloren gehen?

Ich sehe es andersrum: Ohne die Videos hätten manche vielleicht gar keine Informationen. Ich habe nicht den Anspruch, alles bis ins letzte Detail zu erklären. Das kann auf Tiktok nicht funktionieren. Ich möchte Aufklärung betreiben. Und bei schwierigen Themen oder Problemen, die den Menschen vielleicht peinlich sind, hoffe ich, dass sie ein wenig die Scheu verlieren und verstehen, dass sie mit ihrem Problem nicht allein sind.

Genau deshalb sage ich auch immer wieder am Ende der Videos: Wenn ihr betroffen seid, geht in die Apotheke oder eine Arztpraxis, da wird euch geholfen.

Hast du Ziele, wohin die Reise mit deinem Account gehen soll?

Ich hatte mir bis Jahresende 100.000 Follower:innen vorgenommen. Das habe ich schon geschafft. Ich kann mir viel vorstellen, würde gerne zum Beispiel auch mit Krankenkassen zusammenarbeiten oder irgendwo als Speakerin auftreten. Mein Blick auf die Medizin wandelt sich ohnehin gerade.

Mir ist einfach bewusst geworden, dass es nicht nur die Optionen gibt, im Krankenhaus zu arbeiten oder eine Praxis zu haben – es gibt viele spannende, andere Dinge. Zum Beispiel Kliniken mit ganzheitlichen Konzepten oder das Consulting.

Walbrun studiert an der LMU in München im neunten Semester Medizin.
Walbrun studiert an der LMU in München im neunten Semester Medizin.bild: privat

Zumal das Thema Gesundheit für Firmen ja auch immer wichtiger wird, weil die jungen Generationen deutlich mehr an ihre mentale Gesundheit, die Belastung und damit das eigene Wohl denken.

Total. Ich bin an diesem Punkt auch ein Gegner des Begriffs Work-Life-Balance, weil der meiner Meinung nach am Ziel vorbeiführt. Es geht doch nicht darum, nervige Arbeit zu haben und dann schöne Freizeit.

"Unser Ziel muss doch sein, dass es möglichst vielen Menschen im Job so gut geht, dass sie nicht zusätzliche Freizeit brauchen, um sich von der Arbeit zu erholen."

Ich habe schon für Apple gearbeitet und kann nur sagen: An dem Punkt machen die vor, wie man heute Personal führen kann. Da kannst du zur Massage gehen oder zum Yoga und brauchst dadurch auch keine Zeit dafür in der Freizeit.

Glaubst du, dass Deutschland gut auf die gesundheitliche Zukunft vorbereitet ist? Oder machst du dir als Medizinstudentin Sorgen um die Zukunft?

Das Gesundheitssystem ist natürlich kompliziert. Aber ich glaube nicht, dass wir hinterherhinken. Ja, es gibt einige wenige Länder, die bei der gesundheitlichen Aufklärung oder einigen Standards schon weiter sind. Vielleicht sind wir manchmal ein wenig zu langsam – aber auf dem richtigen Weg.

Also gibt’s nichts, was du Gesundheitsminister Karl Lauterbach dringend als zukünftige Ärztin sagen wollen würdest?

Seinen Job möchte ich echt nicht machen, ganz ehrlich. Er bekommt an allen Ecken und Enden irgendwelche Diskussionen aufgedrückt, dabei tut er meiner Meinung nach fachlich das, was er tun muss.

Was ich ihm sagen würde, ist, dass wir dranbleiben müssen am Thema des medizinischen Personals. Mit der Erhöhung der Plätze fürs Medizinstudium hat man einen richtigen Schritt gemacht, nun muss man die Leute auch ins System integrieren. Und vor allem dürfen wir die anderen Berufe wie beispielsweise die Pflege nicht vergessen. Da muss schon noch mehr passieren, damit wir in unserer Gesellschaft für die Zukunft besser aufgestellt sind.

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