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Corona-Schnelltests in Bordellen: Wie Sexworker wieder arbeiten wollen

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Sexworker fordern Gleichbehandlung mit körpernahen Dienstleistern. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / master1305
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Sexworker kritisieren Umgang mit Bordell-Öffnungen: "Wir sind noch nicht bei der Gleichberechtigung unserer Branche angekommen"

02.06.2021, 17:0203.06.2021, 09:27
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Deutschland öffnet Restaurants, Fitnessstudios und Geschäfte, doch Prostitution ist in den meisten Bundesländern aufgrund von Corona-Maßnahmen noch verboten. Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (BesD) ist jedoch optimistisch, dass auch Sexworker bald wieder Kunden empfangen können – und zwar mit einem Schnelltest-Konzept.

Zum Internationalen Hurentag am Mittwoch sprach watson mit Johanna Weber, selbst Sexworkerin in Berlin und politische Sprecherin des BesD, über diese Öffnungsperspektiven. Sie sagt: "Ich glaube, es hat geholfen, dass wir keine großen Corona-Ausbrüche in unserer Branche erlebt haben. Die Bordellbetreiber und Sexworker haben sich in der Krise an alle Regeln gehalten und das hat sich ausgezahlt."

Sexkauf mit Schnelltest

In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt können Sexarbeitende schon jetzt ihrer Tätigkeit wieder nachgehen, allerdings unter einem Testkonzept. Es sieht vor, dass Kunden entweder einen maximal 24 Stunden alten, behördlich anerkannten Testnachweis vorlegen müssen oder sich vor Ort unter Aufsicht testen lassen.

"Auch für Sexworker gilt: Dienstleistung gibt es nur für die drei Gs – genesen, geimpft oder getestet."

"Unser Testkonzept stützt sich auf die von Kosmetik- und Massagesalons und kann genauso angewendet werden", erläutert Johanna Weber. "Auch für Sexworker gilt: Dienstleistung gibt es nur für die drei Gs – genesen, geimpft oder getestet."

Dass die Prostitution dennoch als gesonderter Punkt in den Öffnungsschritten genannt wird, sei ärgerlich, so Weber: "Unsere körpernahe Dienstleistung wird anders bewertet als zum Beispiel Massagen. Das ist ein bundesweites Problem, das uns zeigt, dass wir noch nicht bei der Gleichberechtigung unserer Branche angekommen sind."

Dabei seien die Hygienekonzepte der Prostitution mit anderen Branchen vergleichbar: Auch Sexkauf ist momentan nur im Eins-zu-Eins-Kontakt erlaubt, die Daten der Freier würden aufgenommen und zur Nachverfolgung vier Wochen aufbewahrt, während des gesamten Termins – auch während des Sex – herrsche zudem für beide Beteiligten Maskenpflicht.

Die Freier sind noch vorsichtig

Diese Regeln kämen den Kunden entgegen, die zum Teil noch skeptisch wären, sagt Weber: "Hier in Berlin ist Prostitution ab dem 18. Juni wieder erlaubt, einen Massenandrang in den Bordellen erwarten wir aber nicht." Sie selbst erlebe die Kunden eher als "zurückhaltend", obwohl in ihrem Studio wieder Termine buchbar seien, eine Warteliste gäbe es noch nicht: "Viele wollen ihre Zweitimpfung abwarten und erst einmal schauen, wie sich die Lage entwickelt. Es wird also ein seichter Start werden."

Ab wann die Prostitution wieder erlaubt wird, ist in Deutschland Ländersache. Im Sommer 2020 gehörten Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen zu den letzten, die wieder arbeiten durften, und das auch erst nach einem Straßenprotest und juristischen Klagen: "Damals hatten alle schon geöffnet, während wir vergessen wurden", erinnert sich Johanna. "Dieses Mal wurden wir in den Öffnungsplänen der meisten Bundesländer direkt mit bedacht, was uns sehr freut."

Demonstration der Initiative Demonstration Sexy Aufstand Reeperbahn auf der Hamburger Reeperbahn, Ecke Davidstraße/Ecke Herbertstraße, für die Wiedereröffnung der Bordelle und sofortige Legalisierung  ...
2020 gingen die Prostituierten in Hamburg gegen das Berufsverbot auf die Straße. Bild: www.imago-images.de / HANNO BODE

Nur Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Niedersachsen und das Saarland haben noch keinerlei Perspektive für die Wiederöffnung der Branche verlauten lassen. Dort könne es durchaus wieder "Gerichtsklagen geben", so Weber.

Sexarbeiter in Impfkampagne einbinden

Ein weiterer Punkt, der die Sexarbeiter unter Corona beschäftigt, sei das mangelnde Impfangebot für marginalisierte Kollegen und Kolleginnen. "Das Problem ist, dass einige Sexworker schlecht Deutsch sprechen, gar keinen festen Wohnsitz haben oder auch keine Krankenversicherung – diese werden vom Impfangebot nicht erreicht", erläutert Johanna Weber.

Der Verband fordert daher gezielte Maßnahmen in allen Bundesländern, um auch diese Menschen zu schützen. "In einigen Bundesländern hat man gute Erfahrungen mit mobilen Impfteams gemacht, die zum Beispiel Flüchtlingsheime, Frauenhäuser und Obdachlosenunterkünfte versorgt haben", so Weber. In Berlin würden auch Impftage in Beratungsstellen für Sexworker angeboten, die gut angenommen würden. "Das halten wir für eine sinnvolle Maßnahme, die deutschlandweit umgesetzt werden kann."

"Das Problem ist, dass einige Sexworker schlecht Deutsch sprechen, gar keinen festen Wohnsitz haben oder auch keine Krankenversicherung – diese werden vom Impfangebot nicht erreicht."

Insgesamt würde sich die Branche mehr Mitspracherecht in Bezug auf ihren Berufsstand wünschen. So hofft der BesD im Herbst nach der Wahl, dass sich Politiker auf Bundesebene mit ihnen zum runden Tisch zusammensetzen, um drängende Themen der Sexarbeit zu besprechen, so Johanna Weber. "Unter anderem fordern wir deutschlandweite Umstiegsprojekte für Sexworker."

Derartige Angebote gäbe es zwar schon, allerdings viel zu wenige, bemängelt sie. "Sie müssen breiter aufgestellt werden, damit wir alle Sexarbeitenden unterstützen können, die diese Tätigkeit aufgeben wollen und dabei Unterstützung brauchen", fordert sie. "Wir sind für die Förderung selbstbestimmter Arbeit: Niemand sollte sich prostituieren, nur weil er keine andere Perspektive hat."

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