Jeder Beruf hat Profis, die in ihrem Metier eine herausragende Qualifikation haben. Bei Shaiden Rogue war das der Deep Throat. Die Deutsche war jahrelang ein gefragter Pornostar, ihre Videos haben bis zu 30 Millionen Views.
Kaum jemand war hierzulande so erfolgreich auf Pornhub und ähnlichen Portalen wie sie, dabei ist die gelernte Physiotherapeutin eigentlich nur über ihren Ex in die Branche hineingerutscht, sagt Shaiden. Es dauerte Jahre, eine bittere Trennung und jede Menge Alkohol, bis sie merkte: Das tut mir nicht gut.
Watson sprach mit ihr über Selbstzweifel, ihr ambivalentes Verhältnis zur Erotikwelt und was 15 Kilo mehr damit zu tun haben.
watson: Du bist quasi Pornostar in Rente. Was machst du den ganzen Tag?
Shaiden Rogue: Ich verbringe Zeit mit meiner besten Freundin und meinem Partner und gucke, was beruflich geht, ich bin viel auf TikTok. Ich lasse die nächsten Schritte einfach auf mich zukommen. Ich habe Glück, dass immer noch Geld aus meiner alten Tätigkeit reinkommt, mehrere Tausende im Monat. Von diesem passiven Einkommen kann ich zumindest dieses Jahr noch gut leben.
Werden alte Videos nicht gelöscht oder landen abgeschlagen im Suchlauf?
Klar, das lässt sich aber hinauszögern. Ich habe zum Beispiel vor kurzem eine Nachricht bekommen, dass mein OnlyFans-Konto eingefroren würde, da ich nichts mehr hochlade. Dann habe ich ein angezogenes Bild von mir gepostet und jetzt läuft es wieder. Ich habe auch uralte Videos, die ich noch ausschlachte und auf Pornhub stelle. Ich nehme mit, was geht und wenn das abebbt, dann ist das so.
Du warst ein Star der Branche. Warum das Ende?
Alle Pornos habe ich mit meinem damaligen Partner gemacht, der mich damals überhaupt auf die Idee brachte. Nach der Trennung dachte ich: Gut, ich muss mich jetzt neu ordnen und schauen, wie ich alleine weitermache. Dieses "Neu-Ordnen" endete in einem halben Jahr Alkoholexzess und 15 Kilo Gewichtszunahme. Danach fühlte ich mich nicht mehr wohl in meinem Körper, so hätte ich mich nicht filmen lassen wollen.
Und dann?
Ich wollte abnehmen und dann wieder drehen. Aber nachdem der Alkohol wegfiel, wurde mir klar: Ich will das überhaupt nicht mehr. In der Zwischenzeit hatte ich zudem meinen neuen Freund kennengelernt (Anm. der Red. Influencer Kevin "orangemorange"). Ich weiß noch, wie ich vor Kevin stand, damals waren wir erst kurz zusammen, und zu ihm sagte: "Ich glaube, ich will keine Pornos mehr machen, aber ich habe auch das Gefühl – ich kann gar nichts anderes."
Konnte er dich trösten?
Er hätte mich auch unterstützt, wenn ich in der Erotik geblieben wäre, aber natürlich hat er nicht gesagt: "Mach das unbedingt weiter, ich find's toll, wenn du dich mit Drehpartnern vergnügst!" Es hätte sich für mich auch komisch angefühlt, mit einem anderen Mann Sex zu haben. Der Grund für das Ende war aber, dass ich merkte, dass es mir psychisch nicht gut ging. Als das Thema mit den Pornos durch war, hörte ich von selbst auf mit dem Alkohol, heute gibt es maximal ein Glas Wein, nicht mehr die ganze Flasche. Ich war einfach nicht happy. Das wird mir erst im Nachhinein Stück für Stück klar.
Was hat dich denn konkret belastet?
Ich mochte den psychischen Druck nicht. Mir selbst war Geld nicht so wichtig, aber von meinem damaligen Partner wurde mir teilweise suggeriert, dass es wichtig wäre, diese und jene Marke noch zu knacken, noch 2000 Euro mehr im Monat zu verdienen, dass ich langsam wieder was Neues posten muss.
Dein Weg in die Branche fing an mit einem Mann und endete mit einem Mann. Das ist auffällig.
Ich gebe auf jeden Fall viel in Beziehungen. Das Bild, was ich selbst nach außen dargestellt habe, ist diesbezüglich ziemlich falsch, aber ich wusste, die wilde Schlampe verkauft sich besser, das hat die Leute unterhalten.
Wenn man eine Tätigkeit zum Beruf macht, besteht auch immer die Gefahr, dass man privat keine Lust mehr darauf hat. Auch bei Pornodarstellern?
Ich habe schon von Paaren gehört, die zusammen Content produzieren und die irgendwann so in ihrem Film waren, dass sie – selbst wenn sie privat mal die Lust überkam – direkt dachten, okay, lass uns die Chance gleich nutzen und die Kamera draufhalten. Das ist eine üble Sache. Wenn Sex im Hinterkopf auch immer gleich Material zum Geldmachen ist, kann das nicht gut für eine Beziehung sein. Ich bin dagegen immun gewesen, weil ich meine Filme ausgeleuchtet und top gestylt drehen wollte, das wäre gar nicht mal eben gegangen.
Bereust du deine Arbeit als Pornostar?
Es ist gibt nicht das eine Video, das ich bereue. Aber ich frage mich manchmal, ob ich ohne meinen Ex-Freund überhaupt in die Branche reingerutscht wäre... Das sind aber Gedankenspiele, die nirgendwohin führen. Denn die Pornobranche hat auch dafür gesorgt, dass ich viel Geld verdient habe und heute davon leben kann, das bereue ich nicht. Ich wüsste nicht, wo ich heute stünde, hätte ich das nicht gemacht. Vielleicht wäre ich glücklich in einem anderen Metier geworden – oder nur eine sehr genervte Physiotherapeutin.
Diese Ambivalenz passt dazu, dass du mal gesagt hast: Die Pornobranche sollte man nicht verteufeln, aber auch nicht kritiklos dastehen lassen. Was kritisierst du?
Dass viele Frauen blauäugig einsteigen. Jede, die mit dem Gedanken spielt, kann sich gerne bei mir melden, um sich Rat zu holen. Denn wenn man sich zum Beispiel Plattformen wie MyDirtyHobby ansieht, tauchen jede Woche gut zwanzig Newcomer auf und nicht jede wird ein Star. So ein Profil ist fix erstellt, das dauert wenige Minuten und viele Mädchen stellen sich das sehr einfach vor, dort an Geld zu kommen. Aber worüber viele nicht nachdenken: Ja, die Nachfrage ist groß. Aber das Angebot ist es auch.
Das bedeutet?
Der große Teil dieser Frauen bleibt enttäuscht zurück. Oft werden sehr jung aussehende Mädchen auch gezielt auf Insta und Tiktok von "Talent-Scouts" angesprochen, ob sie nicht zu Sexportalen wechseln wollen. Spätestens dann sollte man sich fragen: Warum kommt der gerade auf mich?
Nach welchem Schema werden die Frauen angeschrieben?
Wenn du ganz jung aussiehst, minderjährig, bist du ein gefundenes Fressen und dann ist die Chance höher, dass du Erfolg hast. Aber das bedeutet natürlich, dass Männer jenseits der 40 sich daran aufgeilen, dass du aussiehst, wie die Tochter der Nachbarin. Kann man so stehen lassen, sollte man aber vielleicht mal darüber nachdenken: Stört mich das? Ist das okay, wenn ich solche Fantasien bediene?
Interessant, dass du das erwähnst, weil dein "Arbeitsalter" auch 18 Jahre ist, oder?
Wenn du mit 21 Jahren noch als 18 durchgehst, nutzt du das, denn das bedeutet mehr Klicks. Das habe ich genauso gemacht, wie viele andere. Bei mir ist es inzwischen ein Running Gag, wenn ich sage, ich sei "immer noch 18".
Wenn du beschließt: "Ich möchte jetzt wieder als Physiotherapeutin arbeiten und alle Pornos löschen." Geht das überhaupt?
Ich kann natürlich meine ganzen Accounts und Videos löschen und dann sind die erstmal weg. Aber es kann immer sein, dass Leute Videos geklaut und anderswo hochgeladen haben. Es ist, wie Eltern immer predigen: Das Internet vergisst nie. Für mich ist das okay und ich würde mich fühlen wie ein Lügner, diesen Teil meines Lebens zu verleugnen. Aber eine Berufseinsteigerin, die vielleicht zwei Videos gemacht hat und dann wieder aufhört, wird diese Nacktaufnahmen vielleicht nie wieder los, nicht privat und nicht im Berufsleben.
Wie viele Views hatte dein erfolgreichstes Video?
30 Millionen oder so. Ich glaub insgesamt bei Pornhub sind es über 350 Millionen Views.
30 Millionen! Das sind 400 Allianz-Arenen voller Leute, die zuschauen, wie du einen Blow-Job gibst.
Ja, es ist krass. Das kann man sich gar nicht bildlich vorstellen.
Das funktioniert nur, weil Views hinterm Bildschirm abstrakt sind, oder? Live in einem Stadion hätte sich das sicher befremdlich angefühlt.
Ich glaube nicht, dass ich das damals strange gefunden hätte. Die Wahrheit ist: Es ist irgendwie peinlicher, so etwas vor zehn Menschen zu tun, als vor hunderttausenden – das wären ja nur lauter kleine Köpfe, die man nicht erkennt. Vielleicht wäre das mal eine Idee, würde bestimmt laufen, ich geb' das mal weiter (lacht). Aber als Darstellerin käme ich dann nicht mehr infrage, ich mach' jetzt lieber die Moderation.