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Katastrophenalarm in NRW und Rheinland-Pfalz: Betroffene erzählen vom Hochwasser

Madhu und Joe helfen bei der Rettung von Hab und Gut in ihrem Wohnwagen auf dem ueberfluteten Campingplatz Reussbruecke, aufgenommen am Mittwoch, 14. Juli 2021 in Ottenbach. (KEYSTONE/Ennio Leanza).
Betroffene versuchen, auf einem Campingplatz in Reussbruecke ihr Hab und Gut vor dem Hochwasser zu retten.Bild: KEYSTONE / ENNIO LEANZA
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"Ich hatte große Angst und habe die Nacht hellwach verbracht": Betroffene erzählen, wie sie das Hochwasser erleben

15.07.2021, 13:4529.07.2021, 06:37
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Ausnahmezustand in Teilen Deutschlands: Der anhaltende Starkregen der vergangenen Tage lässt in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Flüsse über die Ufer treten, Flutwellen reißen alles mit. Keller sind überflutet, Telefonleitungen durchtrennt und Straßen unbefahrbar. Sogar Häuser sind wegen der Wassermassen eingestürzt, ganze Dörfer eingeschlossen oder zerstört.

Watson hat mit Experten der Feuerwehr und mit Betroffenen gesprochen, wie sie die dramatische Situation erleben.

Heiko Wiggenhagen postete folgendes Video aus Altena im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen. Der 39-Jährige musste mit ansehen, wie das Auto seiner Cousine durch die Straßen davon gespült wurde.

"Dieses Video ist nur ein Beispiel von dem, was hier in NRW gerade los ist. Ich glaube, das gab es noch nie, dass so viele große Flüsse gleichzeitig überfluten", berichtet Wiggenhagen im Gespräch mit watson. In Altena habe es zwar hin und wieder Hochwasser gegeben, "aber nie so schlimm wie gestern."

"Die Leute sitzen alle fest", sagt er weiter. "Einige wurden evakuiert und per Feuerwehr oder Katastrophenschutz in Sicherheit gebracht. Es gab einige Tote in der Gegend, manche sind noch vermisst." Auch die materiellen Schäden seien "enorm", nicht nur an Autos, sondern auch "den historischen Altstädten, die es hier gibt."

"Die Leute sitzen alle fest."
Heiko Wiggenhagen (39) aus Altena

Lage bleibt angespannt

"Die Situation ist aktuell in vielen Regionen zugespitzt und äußerst kritisch. Als Landesfeuerwehrverband in Rheinland-Pfalz sehen wir hier vor allem die aktuelle Situation im Kreis Vulkaneifel und Ahrweiler. Aber auch viele andere Landkreise in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind massiv betroffen", sagt der Sprecher der Feuerwehr Rheinland-Pfalz, Benedikt Wolter, gegenüber watson. "Für alle betroffenen Menschen und auch für die Einsatzkräfte ist die aktuelle Situation extrem belastend und fordernd."

Er glaubt nicht, dass sich die Situation demnächst beruhigt: "Die Lage kann sicherlich noch eine Zeit lang so dramatisch bleiben. Aktuell hat der Regen in vielen Regionen nachgelassen, dennoch gilt es, die Situation weiter zu beobachten. Nach solch ergiebigen Regenschauern muss zudem auf die Wasserstände der örtlichen Bäche und Flüsse geachtet werden, da sie dann meist mit einigen Tagen Verzug über die Ufer treten."

"Für alle betroffenen Menschen und auch für die Einsatzkräfte ist die aktuelle Situation extrem belastend und fordernd."
Benedikt Wolter, Sprecher der Landesfeuerwehr Rheinland-Pfalz

Die Feuerwehr war auch im Haus von Joshua W. im Einsatz. Er lebt in Engelskirchen im Oberberger Kreis in NRW und musste von seiner Wohnung aus mit ansehen, wie sich der Starkregen vor seiner Haustür zu einer Katastrophe entwickelte. Denn: Direkt neben seinem Garten fließt der Nebenfluss Leppe und dieser stieg nach und nach an.

Wenn im Garten plötzlich ein reißender Strom fließt

"Da ich im Homeoffice arbeite, konnte ich sehen wie sich die Situation stündlich verschlimmerte", berichtet der 20-Jährige gegenüber watson. Der Regen habe "einfach nicht weniger" werden wollen. "Irgendwann schaute ich erneut in den Garten und konnte einen Suezkanal-artigen Strom beobachten", sagt er. "Unser Keller begann mit Wasser vollzulaufen und der Garten wurde immer mehr verwüstet."

Zum Glück seien sehr schnell Rettungskräfte angerückt, berichtet Joshua weiter: "Bevor ich eigentlich so wirklich wusste was geschah, war auch schon die Feuerwehr da und verbarrikadierte die Kellertreppe mit Tischen und Sandsäcken, um Schlimmeres zu vermeiden."

"Ich bin erschrocken, welch eine Gewalt das Wasser mit sich bringt."
Joshua W. (20) aus Engelskirchen

Wirklich sicher fühlte Joshua sich dennoch nicht, denn das Wasser lief weiter unkontrolliert durch die Straßen und schien kein Stück zu sinken. "Ich hatte große Angst und habe die Nacht hellwach verbracht", gibt er gegenüber watson zu. "Ich habe noch nie so etwas erlebt und bin erschrocken, welch eine Gewalt das Wasser mit sich bringt."

Die Menschen vor Ort sind komplett abgeschnitten

Sarah Weber vom Institut der Feuerwehr in Nordrhein-Westfalen kann das nur bestätigen. Sie erzählt, dass die eingestürzten Häuser nicht einmal alt gewesen sein müssen. "Der Macht von solchen Wassermassen könnte kein Haus standhalten", erzählt sie gegenüber watson. Auch von ihrem Institut wurde bereits Unterstützung gefordert, da die örtliche Feuerwehr die Situation nicht mehr alleine bewältigen könne. Natürlich gebe es immer mal wieder Hochwasser bei Städten an Flüssen, wie in Altena. Aber "so ein Hochwasser wie jetzt, war es noch nie gewesen", sagt Weber.

"Meine Mama hat heute Morgen versucht, jemanden in der Innenstadt zu erreichen und die Leitungen waren tot."
Paula T. (20) aus Aachen

Paula T. aus Aachen arbeitet in Eschweiler, wo auch ihre Eltern leben, im Krankenhaus. Sie erzählt gegenüber watson: "In der Innenstadt läuft die Inde und die ist komplett überschwemmt. Die Fußgängerzone und auch der Krankenhausvorplatz sind unter Wasser." Zudem sei der Strom ausgefallen: "Meine Mama hat heute Morgen versucht, jemanden in der Innenstadt zu erreichen und die Leitungen waren tot."

Die 20-Jährige erzählt von den Vorkehrungen, die derzeit auf Hochtouren laufen. Überall würden Sandsäcke ausgelegt, aber ob diese gegen die Wassermengen ankommen, ist fraglich:

"Die Eltern meines besten Kumpels haben ein Geschäft in der Innenstadt, da haben sie auch schon gestern Mittag Sandsäcke ausgelegt, als die Inde aber noch nicht übergetreten war. Zu dem Zeitpunkt meinte die Feuerwehr, es sei alles sicher. Seitdem ist die Inde nochmal um 70 cm gestiegen und jetzt ist wirklich die ganze Innenstadt überflutet, das legt natürlich den gesamten Verkehr lahm."

Paula ist selber gerade von ihrer Familie abgeschnitten: "Ich wollte heute zu meinen Eltern fahren, aber die Züge fallen alle aus, ich würde gar nicht nach Eschweiler kommen, es sei denn, ich nehme das Fahrrad. Aber dann ist natürlich die Frage, wie gut befahrbar die Wege sind", so die angehende Krankenschwester.

Zur Arbeit ins Krankenhaus zur Versorgung von Verletzten würde sie es unter derzeitigen Bedingungen gar nicht schaffen. "Momentan habe ich zum Glück Urlaub, aber von hier aus würde ich gerade definitiv nicht zur Arbeit kommen. In Stolberg und Vicht sieht es ähnlich aus, ich habe Aufnahmen gesehen, die zeigen, dass es dort auch überschwemmt ist", erzählt sie.

Etwas friedlicher wirke es laut Joshua in Engelskirchen. Unter den Nachbarn herrsche eine große Solidarität, man helfe sich gegenseitig aus, erzählt er. Dennoch glaubt er, dass viele Menschen in den anliegenden Orten noch dringend Unterstützung brauchen, "da sie teilweise alles verloren haben."

Selbst wenn dass Wasser wieder sinkt und das Schlimmste überstanden ist, werden es für viele Anwohner ein paar harte Wochen. Auch Joshua wird diese Nacht wohl nie vergessen: "Ich wünsche mir für die Region, dass wir gemeinsam alle überbleibenden Schäden beseitigen und dieses schreckliche Ereignis hinter uns lassen können."

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Jede:r kennt es: Man hat einen langen Tag vor sich, muss zwischendurch den Weg auf Google Maps nachschauen, telefonieren, Mails schreiben und noch die neuesten Storys auf Instagram und Tiktok auschecken. Einfach gesagt: Man braucht sein Handy, unbedingt. Aber wie sollte es anders sein: Der Akku macht schlapp und die Powerbank liegt natürlich zu Hause. Mist!

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