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Interview

Frauenrechte: Studentinnen gründen feministische Rechtsberatung

Lilian van Rey (l.) und Lilith Rein von der Feminist Law Clinic sind zwei der drei Grünerinnen
Lilian van Rey (l.) und Lilith Rein (r.) wollen das Beratungsangebot für Gewaltbetroffene verbessern.Bild: privat
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Feminist Law Clinic: "Wer seine Rechte nicht kennt, kann sie schwer nutzen"

Wenn Frauen und queere Menschen in die Feminist Law Clinic kommen, geht es um Unterhaltsrecht, das Selbstbestimmungsgesetz und häufig um sexualisierte Gewalt. Die Gründerinnen erzählen, warum es die Einrichtung so dringend braucht.
26.11.2025, 19:3326.11.2025, 20:24

Mit Gewalt gegen Frauen im Jurastudium ist es wie mit Schwangerschaftsabbrüchen im Medizinstudium: Das Thema kommt wenig bis gar nicht vor. Das hat fatale Folgen, denn somit ist es schwer, Anwält:innen zu finden, die sich darauf spezialisiert haben.

Mit der Feminist Law Clinic, die Lilith Rein (22) und Lilian van Rey (24) gemeinsam mit einer Kommilitonin an der Uni Köln gegründet haben, ist ein Beratungsangebot für Betroffene entstanden. Nach nicht einmal einem Jahr wurden bereits 133 Fälle bearbeitet. Anfragen hat die Feminist Law Clinic aber rund viermal so viele bekommen. Das zeigt: Der Bedarf ist groß.

watson hat mit den beiden Gründerinnen über ihre prägendsten Fälle und die Veränderungen gesprochen, die sie sich für das Jura-Studium und die Gesellschaft wünschen würden.

Was ist die Feminist Law Clinic?
Die Feminist Law Clinic ist eine Rechtsberatungsstelle, die sich auf die Beratung von Frauen, Inter-, non-binären und trans* Personen spezialisiert hat. Hier können sich Betroffene bei Studierenden kostenlose rechtliche Unterstützung holen und werden gegebenenfalls an spezialisierte Rechtsanwält:innen vermittelt. Die Feminist Law Clinic berät in Rechtsgebieten, die für Flinta besonders relevant sind.
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Die Feminist Law Clinic hat den Jugendkarlspreis gewonnen.bild: Christian van't Hoen - birdsonaplane.de

Watson: Ich erinnere mich an eine Vorlesung in meinem Jurastudium. Da hat der Dozent leicht witzelnd gefragt, ob Sex in der Ehe einklagbar ist. Kennt ihr solche Situationen?

Lilith Rein: Ja, leider viele. In unserem Jurastudium ist uns in Vorlesungen und Fallbeispielen extrem viel Sexismus begegnet. Das gilt auch dafür, wie unsere Gesetze geschrieben werden.

Was passiert, wenn darüber gewitzelt wird?

Lilith: Dieser Umgang damit, dass ein Dozent wie in dem von dir geschilderten Fall lacht, zeigt leider ein Umfeld, in dem Leute sich sicher fühlen, Sexismus zu reproduzieren, und gar keine Scham oder das Gefühl haben, etwas Falsches zu sagen.

Sexualstrafrecht gehört nicht einmal zum Lehrstoff. Wie wirkt sich das für Betroffene von sexualisierter Gewalt aus?

Lilian van Rey: Das ist auf vielen Ebenen sehr problematisch. Anwält:innen sollen die Betroffenen beraten, müssen sich das Wissen aber erst einmal selbst aneignen.

Ist sexualisierte Gewalt das häufigste Thema bei euch in der Beratung?

Lilian: Wir sind ja im Januar mit der Feminist Law Clinic gestartet. Das sind jetzt ungefähr zehn Monate, und am häufigsten ging es tatsächlich um sexualisierte Gewalt.

Wenn eine junge Frau zu euch in die Sprechstunde kommt und berichtet, sexuell belästigt worden zu sein. Was macht ihr dann?

Lilith: Im Sexualstrafrecht geben wir vor allem organisatorische Beratung. Das heißt, wir würden darüber aufklären, was die Möglichkeiten sind, aber auch darüber, was auf die Betroffenen zukommen könnte, zum Beispiel eine Konfrontation mit dem Täter. Wenn man sich dafür entscheidet, vor Gericht zu gehen, versuchen wir, auf geeignete Anwält:innen zu verweisen.

"Gerade in Fällen von sexualisierter Gewalt muss man einfach sagen: Recht ist nicht alles!"
Lilith Rein

Was noch?

Gleichzeitig schauen wir, dass wir die Betroffenen an psychosoziale Stellen weiterleiten. Gerade in Fällen von sexualisierter Gewalt muss man einfach sagen: Recht ist nicht alles! Es geht darum, dass die Betroffenen für sich einen guten Umgang damit finden.

Welcher Fall ist euch besonders im Gedächtnis geblieben?

Lilith: Wir hatten einen Fall, bei dem eine Betroffene von ihrem Ehemann mit einer Bierflasche verfolgt wurde. Da liegt aus meiner Sicht ganz klar Gewalt vor. Es ist dann sehr erschreckend zu sehen, wenn die Betroffenen selbst überhaupt nicht gedacht hätten, dass es sich um Gewalt handelt. Und auch nicht wissen, ob etwas strafrechtlich verfolgt werden kann.

Es sind teilweise echt schlimme Erlebnisse, mit denen Betroffene zu euch kommen. Wie sorgt ihr dafür, dass eure Berater:innen sie gut auffangen können?

Lilian: Wir haben ein umfangreiches Awareness-Konzept. Das war schon unser Ziel, als wir die Feminist Law Clinic gegründet haben. Es gibt immer mindestens eine Schulung für die Berater:innen, in der ihnen Bewältigungsstrategien an die Hand gegeben werden, wie sie selbst mit den Geschichten umgehen können. Sie lernen aber auch, was im Umgang mit den Betroffenen wichtig ist.

Eure Berater:innen sind keine ausgebildeten Volljurist:innen, teilweise haben sie nicht einmal rechtliches Vorwissen. Wie stellt ihr sicher, dass ihr eine Beratung geben könnt, die auch rechtlich fundiert ist?

Lilith: Alle müssen einen umfassenden Ausbildungskurs gemacht haben. Danach gibt es verschiedene Workshops und Schulungen und jedes Jahr müssen auch mindestens drei inhaltliche Schulungen wiederholt werden. Wir stellen außerdem sicher, dass pro Fall immer eine Person dabei ist, die einen juristischen Hintergrund hat. Die andere Person muss dann nicht zwingend Jura studieren, weil wir im Jurastudium die Themen, in denen wir beraten, leider sowieso nicht lernen.

Ergreift ihr noch weitere Maßnahmen?

Jeder Fall wird von einer Anwältin begleitet. Wir übernehmen die Fälle und die Gespräche, aber bevor wir eine Beratung geben, die nicht organisatorisch ist, besprechen wir immer alle Fragen mit der Anwältin.

Da sind wir wieder bei der lückenhaften Ausbildung. Muss das Sexualstrafrecht Teil des Prüfungsstoffs werden?

Lilith: Meiner Meinung nach ja. Ich finde, dass gerade Delikte, die in der Gesellschaft so tagtäglich und so stigmatisiert sind, erst gar nicht Teil des gesellschaftlichen Diskurses werden können, wenn Menschen nicht darüber Bescheid wissen. Das sehen wir in der Jura-Ausbildung, und das sehen wir in der Gesellschaft.

"Betroffene kennen ihre Rechte oft nicht. Und wer seine Rechte nicht kennt, kann sie schwer nutzen."
Lilian van Rey

Manche befürchten, dass das für die Studierenden zu belastend sein könnte.

Lilith: Mir ist bewusst, dass das in der Vorlesung für Betroffene natürlich schwierig sein kann. Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Wir behandeln im Strafrecht so brutale Fälle, teilweise mit Folter. Es wäre ein falscher Ansatz zu sagen, wir gehen in die brutalsten Fälle rein, aber unterrichten kein Sexualstrafrecht. Das ist unfair den Betroffenen gegenüber, die dann am Ende darunter leiden, dass Jurastudent:innen und Volljurist:innen nichts darüber wissen.

Lilian: Betroffene kennen ihre Rechte oft nicht. Und wer seine Rechte nicht kennt, kann sie schwer nutzen.

Angesichts der Sprüche von männlichen Dozierenden: Reicht es, wenn sich das Studium ändert?

Lilith: Auf keinen Fall. Die gesellschaftliche Debatte, die eben auch bei Juraprofessoren vorhanden ist, ändert man so leider nicht. Es ist aber ein Mittel, Betroffenen zu helfen, in dem wenigstens die Menschen darin ausgebildet werden. Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass wir in einem patriarchalen System leben, in dem Sexismus Alltag ist. Und das muss angegangen werden. In allen Bereichen des Lebens.

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