Babys per Facebook: Wie Samenspende-Gruppen im Netz zur Gefahr werden
Er nennt sich "Rod Kissme" und behauptet, "sehr starkes Sperma" zu haben. Was klingt wie ein bizarrer Internet-Witz, ist Teil einer wachsenden Community: In Facebook-Gruppen wie "Sperm Donors UK" oder "Start a Family Here" suchen Frauen und Paare nach Spendern – oft, um sich den Traum vom eigenen Kind zu erfüllen. Doch der Preis dafür kann hoch sein.
Immer mehr Menschen wenden sich von offiziellen Fruchtbarkeitskliniken ab. Der Grund sind hohe Kosten, Wartezeiten und ein Mangel an Spendern – besonders bei bestimmten ethnischen Gruppen. Eine künstliche Befruchtung nach gesetzlichen Standards kann schnell Zehntausende Euro kosten.
Also greifen viele zu Alternativen – privat, unreguliert und riskant.
"Zeig mir deine Brüste" – Wenn Spender Grenzen überschreiten
Was in den Gruppen passiert, ist kaum zu kontrollieren. Immer wieder berichten Frauen von Übergriffen oder Manipulationen. Eine Frau aus einer gleichgeschlechtlichen Beziehung schildert gegenüber dem "Guardian", dass ihr Spender die Übergabe seiner Samenspende verweigerte – bis sie ihm ihre Brüste zeige.
Die Kommentare unter ihrem Beitrag sind zynisch. Viele schrieben, sie hätte "eben zur Samenbank gehen sollen, wenn sie keinen Dreier will".
Auch andere Frauen berichten von Druck und sexueller Nötigung. Manche Männer behaupten, "natürliche Insemination" – also Geschlechtsverkehr – sei erfolgreicher als künstliche Befruchtung. Das stimmt nicht, wird aber häufig genutzt, um Frauen zu überreden.
Samenspende: Zwischen Sehnsucht und Ausnutzung
Felicity, 39, war selbst Teil dieser Community. Nach einer gescheiterten Ehe wollte sie noch ein Kind bekommen – ohne wieder eine Klinik aufzusuchen. "Am Anfang war das eine kleine, ruhige Gruppe", erzählt sie. "Dann kamen Tausende junge Frauen dazu. Viele ohne Ahnung, was sie da eigentlich tun."
Heute sieht sie die Entwicklung kritisch: "Da sind sehr junge Frauen, manche mit psychischen Problemen. Sie sind verzweifelt, wollen ein Baby – und werden leicht ausgenutzt." Viele Männer in den Gruppen sind zwischen 35 und 50 Jahre alt, schreiben privat Frauen an, versprechen Hilfe und verschwinden wieder, sobald sie bekommen, was sie wollen.
Facebook untersucht nach Informationen des "Guardian" zufolge mittlerweile Inhalte solcher Gruppen. Doch die Risiken gehen weit über Übergriffe hinaus: sexuell übertragbare Krankheiten, genetische Defekte und rechtliche Streitigkeiten sind nur einige davon.
Ein besonders drastisches Beispiel ist der unregulierte Spender Robert Albon, der laut einer "Guardian"-Recherche über 180 Kinder weltweit gezeugt haben soll. Einige Mütter klagen inzwischen vor Gericht, weil Albon Kontakt zu den Kindern erzwingen will. Gerichte warnen vor solchen Fällen – sie enden oft im Chaos.
Die Folgen für die Kinder sind kaum absehbar. In einem Facebook-Post fragt eine Mutter: "Wie finde ich heraus, ob mein Kind Halbgeschwister hat?" Die Antworten sind ernüchternd: "Kannst du nicht."
Männer werden wie "Samenautomaten" behandelt
Auch die Spender selbst bleiben nicht von Spott und Anfeindungen verschont – Männer, die ihre Dienste öffentlich anbieten, werden oft beleidigt, vor allem wegen ihres Aussehens.
Außerdem würden Frauen und Paare sie wie reine Dienstleister behandeln. Felicity sagt dazu: "Die Empfänger:innen behandeln die Männer wie Samenautomaten – sie sollen einfach auftauchen, wenn sie gebraucht werden, reisen meist selbst auf eigene Kosten an, geben die Probe ab und verschwinden dann wieder, ohne je etwas zu hören."
Das Internet hat die Hürden zur Elternschaft gesenkt – aber auch die Gefahren vervielfacht. Zwischen echten Wünschen, falschen Versprechen und rechtlichen Grauzonen verschwimmt so die Grenze zwischen Hilfe und Missbrauch.
