Hass auf den Ex – hilft uns Groll den Liebeskummer schneller loszuwerden?
Es ist erstaunlich, dass jemand, den wir einst liebten, innerhalb kürzester Zeit zum Hassobjekt werden kann. Der noch vor Wochen tollste Mensch der Welt? Heute "ekelhaft", "bemitleidenswert", "einfach nur peinlich".
Die Hasstiraden, die sich mitunter über Ex-Partner:innen ergießen, sind oft unverhältnismäßig brutal, Zeichen massiv verletzter Gefühle und Egos, großer Enttäuschung. Nicht immer bleibt es bei Worten. Von unverhohlener Schadenfreude bis hin zu zerstochenen Reifen oder Gewalt, sind ehemals Liebende zu den schlimmsten Dingen fähig. Kein Wunder, dass die Polizei bei Kriminalfällen oft direkt Verflossene verdächtigt.
Dieser Hass kann unangenehm und unsouverän wirken. Aber hat er am Ende auch eine positive Funktion bei Trennungen? Schützt uns Groll auf den oder die Ex vor Rückfällen?
watson hat darüber mit Stella Schultner gesprochen. Sie hat Psychologie studiert, arbeitet als Love-Coach in München und ist Mitglied im Parship-Expertenteam.
Wut nach der Trennung: Hilft das gegen Liebeskummer?
Sie bestätigt, dass wir etwas gnädiger mit unserem Groll sein sollten. "Wut ist nicht automatisch etwas Schlechtes. Ganz im Gegenteil!", erklärt Schultner. "Wut kann in der ersten Phase nach einer Trennung ein enorm hilfreicher Katalysator sein, um sich innerlich zu lösen."
Wie die Erfahrung uns lehrt, ist es nämlich nicht immer leicht, sich nostalgische DM's zu verkneifen oder standhaft zu bleiben, wenn der Pulli bei der Abschiedsumarmung so vertraut riecht, dass man direkt knutschen will.
Wer aber schon mit den Augen rollt, sobald der berüchtigte Name auf dem Display erscheint, ist vor sentimentalen Rückfällen eher gefeit. Schultner führt aus:
Natürlich endet nicht jede Beziehung im Hass. Manche Ex-Partner:innen können wohlwollend auseinander gehen. War die Partnerschaft fair und freundlich, ist ein respektvoller Umgang nach der Trennung größer.
Wut nach der Beziehung: Grund liegt schon in der Partnerschaft
Toxische Dynamiken oder Vertrauensbrüche machen einen friedlichen Abschied hingegen schwerer. Es ist aber nicht nur den Umständen, sondern auch dem Charakter geschuldet, ob Ex-Partner:innen nach der Trennung gelassen bleiben oder explodieren wie ein Silvesterknaller.
"Viele Menschen, die vorher zu viel Verständnis aufgebracht, sich klein gemacht oder über die eigenen Grenzen hinweg geliebt haben, spüren erst nach der Trennung die aufgestaute Frustration", weiß Schultner aus der Praxis. Zurückgehaltene Zweifel, Enttäuschungen oder Ängste entladen sich dann.
Im Prinzip ein gesunder Mechanismus, wie die Psychologin schildert. "Psychologisch betrachtet ist Wut eine Grenz-Emotion. Sie zeigt uns, dass etwas zu viel war, dass wir verletzt oder übergangen wurden. Und diese Klarheit ist für viele Menschen nach der Trennung enorm wichtig."
Für den akuten Trennungsmoment kann es also geradezu erfrischend sein, wenn man mal über den oder die Ex ablästert, Souvenirs wegwirft oder trotzig genau die Dinge tut, die ihm oder ihr früher niemals recht waren – Fisch in der Wohnung braten zum Beispiel.
Wann Wut auf den Ex toxisch wird und aufgearbeitet werden muss
"Aber", und das ist wichtig, betont die Therapeutin: "Wut darf eine Phase sein, kein Dauerzustand."
Denn wenn Wut über Monate oder sogar Jahre erhalten bliebe, "wird sie nicht mehr zur Hilfe, sondern zur Last". Wer sich emotional von einer Person aus der Vergangenheit befreien will, tut gut daran, auch die zornigen und rachsüchtigen Gefühle loszulassen. Sie belastet nämlich auch den Menschen, der hasst, nicht nur den gehassten.
"Dauerhafte Wut bindet Energie", sagt Stella Schultner. "Sie kann körperlich und seelisch krank machen, Schlaf rauben und das Herz für neue Liebe verschließen."
Das wäre besonders schade, denn dann steht der Groll auf die Vergangenheit der Zukunft im Weg. Einer Parship-Umfrage zufolge fällt dieser emotionale Abschluss Frauen leichter, erklärt Schulte:
Zusammengefasst bedeutet das: Wut, Zorn und Hass auf den oder die Ex ist legitim, solange die Wunde noch frisch ist. Diese Gefühle können den Abschied sogar leichter machen. Stella Schultner: "Langfristig jedoch zeigt sich: Wer die eigenen Gefühle durchlebt, hat eine bessere Chance, wirklich abzuschließen."
