"Was? Yasmin und Felix auch?! Aber die waren doch ewig zusammen!" – so klingt Liebes-Gossip plötzlich, wenn sich die Menschen im Freundeskreis langsam dem 30. Geburtstag nähern. Denn allzu oft wird in dieser Phase nicht nur der erste eigene ETF gekauft, sondern auch die alte Beziehung abgestoßen.
Elli und Yannik, zack vorbei. Max und Deniz – Vergangenheit. Plötzlich scheint es im Umfeld nur noch Trennungen zu hageln. Bilden wir uns das ein? Oder machen tatsächlich besonders viele Paare mit Ende zwanzig noch einmal Schluss? Warum?
Wir sprachen darüber mit Stella Schultner. Sie studierte Psychologie, arbeitet als Love-Coach in München und ist Mitglied im Parship-Expertenteam.
Sie bestätigt, dass es "keine Einbildung" sei, dass viele Beziehungen zu diesem Zeitpunkt in die Brüche gehen, sondern eine Tatsache. "Es ist kein Zufall, dass viele Paare sich rund um den 30. Geburtstag trennen", ergänzt sie. "Vielmehr ist es ein Phänomen, das in der Psychologie als 'Turning Point' bekannt ist."
Der Begriff Turning Point bezeichnet in diesem Zusammenhang einen "Lebensabschnitt, in dem viele Menschen beginnen, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen und neu zu bewerten." Die Zwanziger seien eine intensive Phase, in der Raum ist für Experimente. Aber, führt Schultner aus:
Viele Menschen beginnen, sich genau jetzt mit Grundsatzfragen auseinanderzusetzen. Möchte ich irgendwann eine eigene Familie gründen? Wie wichtig ist mir meine Arbeit? Manche Personen erkennen, dass sie nochmal ins Ausland wollen oder sich – nach ersten Berufserfahrungen – selbstständig machen. Es ist also eine Zeit, in der zahlreiche Weichen des Lebens neu gestellt werden.
Das hat Auswirkungen auf eine bereits bestehende Partnerschaft. Stella Schultner: "Diese Veränderungen führen dazu, dass Paare ihre Beziehung auf den Prüfstand stellen: Passen unsere Lebensentwürfe noch zusammen? Teilen wir dieselben Werte und Ziele für die Zukunft?"
Super, wenn sich die beteiligten Personen perspektivisch einig sind. Doch oft genug stellen Paare eben genau jetzt fest, dass ihre Visionen von der Zukunft nicht – oder nicht mehr – übereinstimmen. "Unterschiedliche Vorstellungen über zentrale Lebensfragen, wie Kinderwunsch, Wohnort oder Karriere, können in dieser Phase zu Spannungen führen", weiß Schultner aus der Praxis.
Natürlich können Paare verhandeln, um gemeinsame Lösungen zu finden, doch wenn kein Kompromiss, "keine gemeinsame Basis gefunden wird", dann "kommt es häufiger zu einer Trennung, um Raum für individuelle Entwicklungen zu schaffen", sagt die Therapeutin.
Verstärkt wird diese Jetzt-oder-nie-Mentalität dadurch, "dass der 30. Geburtstag oft als symbolischer Meilenstein empfunden wird", erklärt sie weiter. Er markiere das Ende einer Dekade und den Beginn eines neuen Lebensabschnitts.
In einer solchen Umbruchphase wagt man plötzlich große Schritte, mistet quasi im eigenen Leben aus. "Dieses Bewusstsein kann dazu führen, dass Menschen Entscheidungen treffen, die sie zuvor vielleicht aufgeschoben haben", sagt Schultner. "Dazu kann auch die Entscheidung zählen, eine Beziehung zu beenden, wenn sie nicht mehr erfüllend ist."
Es klingt brutal, dass eigentlich liebevolle Beziehungen dabei auch mal beendet werden. Doch eigentlich ist das nicht Schlimmes, findet die Paartherapeutin:
Im Gegenteil: Es ist besser, einander Raum zur Weiterentwicklung zu geben, als sich bei der Erfüllung großer Lebensträume im Weg zu stehen. Auch dass sich Bedürfnisse über die Jahre verändern, sei ganz normal.
Niemand muss sich schuldig fühlen, weil er nicht mehr dieselben Wünsche hat, wie mit Anfang zwanzig. Ein Lebensmodell zu erzwingen, nur um zusammenzubleiben, macht langfristig nur unglücklich – und zwar beide.
Die zahlreichen Trennungen, die rund um den dreißigsten Geburtstag zu verzeichnen sind, "können auch als Ausdruck von persönlichem Wachstum und dem Wunsch nach Authentizität verstanden werden", erklärt die Expertin. Sie sind eine Chance.
Denn Menschen, die den Mut fänden, sich von Beziehungen zu lösen, die nicht mehr zu ihnen passten, öffnen sich damit auch "für neue Erfahrungen und Möglichkeiten, die besser mit ihren aktuellen Lebenszielen und Werten in Einklang stehen", tröstet Schultner.
Vielleicht hilft dieses Wissen dabei, den Liebeskummer in den Dreißigern nicht als elenden Trennungs-, sondern nötigen Wachstumsschmerz zu betrachten.