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Boysober: Wie weibliches Zölibat zum Trend gegen Dating-Stress wurde

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Der Verzicht auf ein Liebesleben setzt Energien frei, erkannte Maya (Symbolbild).Bild: pexels / Maksim Goncharenok
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"Ich hatte es satt": Single-Frauen erklären, warum sie heute #boysober leben

12.10.2024, 12:4212.10.2024, 15:01
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Im Oktober 2023 erklärte sich US-Comedian Hope Woodard für "boysober" – und trat einen Trend los. Boysober zu sein, "Jungs-Abstinent", bedeutet für Hetero-Frauen, nicht mehr die nächste Beziehung, den nächsten Sex, aka Bestätigung durch einen Mann zu suchen, sondern sich aus dem Liebesreigen auszuklinken.

Wobei es nicht so ist, dass Hope Frauen erst dazu gebracht hat, freiwillig zölibatär zu leben. Sie fand nur ein Hashtag-fähiges Wort für das, was zahlreiche Singles bereits betreiben: Abstinenz von einem suchtähnlichen Dating-Kreislauf, in dem erst ein Liebesrausch kickt und dann der Entzug einsetzt.

Das Phänomen ist nicht neu. Schon einige "hardcore straight edgers" oder Anhängerinnen des "4B movements" verzichten bewusst auf ein Liebesleben, um sich von lebenslangen Konditionierungen freizumachen.

Was passiert, wenn frau sich für diesen Weg entscheidet? Für watson baten wir Maya und Foxy, die "boysober" leben, um Inneneinsichten.

Maya (38) aus NRW

"Ich habe zehn Jahre lang mit Unterbrechungen gedatet. In dieser Zeit sind mir grottige Verhaltensweisen von Männern untergekommen. Nach meinen Erfahrungen fehlt vielen Typen der Respekt gegenüber Frauen. So zeigte sich zum Beispiel häufig, dass Männer auf Dating-Apps nicht Single waren.

Andere hatten nicht den Mut, ehrlich zu kommunizieren, dass es für sie nicht passt, und das hat mich genervt. Man trifft sich häufiger und dann schleicht es sich aus, ohne auch nur ein 'für mich reicht es nicht' zu bekommen.

Wer Single ist, hat auf Partnersuche zu sein – oder?!

Der gesellschaftliche Druck in einer Partnerschaft zu sein, hat mich dazu gebracht, dennoch weiter zu daten. Ich dachte, dass 'man das so macht', dass man als Single einen Partner suchen sollte, es schöner sei in Partnerschaft mit Mann und weil allein leben als Frau, nicht normal scheint.

Zum Beispiel hat meine Oma mich bei Besuchen gefragt, wann ich mal einen Freund mitbringe. Meine Tante fragte häufiger, wann ich Kinder möchte, mir würde nur der richtige Mann fehlen und der Wunsch werde dann schon kommen. Kinder haben sei 'so toll'.

"Ich führte mir vor Augen, wie viele Jahre ich Online-Dating mache und wie wenig tolle Beziehungen dabei herauskamen."
Maya aus NRW

Meine Erfahrung mit Freundinnen zeigen das Gegenteil. Viele von Ihnen sind nicht glücklich mit der Sorgearbeit rund um die Elternschaft, für die sie nicht geachtet werden. Meine Schwester hat mehrmals Stalking und psychische Gewalt durch Expartner erfahren.

All das hat mich immer mehr infrage stellen lassen, ob eine Beziehung mit einem Mann ein gutes Leben verspricht. Ich habe wenige liebevolle, ehrliche, reflektierte Partner an den Seiten der Frauen gesehen.

Trotzdem: Nach dem Ende meiner letzten Beziehung 2022 wollte ich wieder Online-Dating machen. Allerdings habe ich erneut erlebt, dass die Typen nicht zu Verabredung erschienen oder beim Schreiben direkt in Richtung sexuellen Kink wanderten.

Der vierte oder fünfte komische Kontakt hat mich zu dem Schluss kommen lassen, dass die Aussicht auf einen Mann, der meinen Anforderungen in Bezug auf Werte entspricht, gering ist. Und dass ich es auch satthabe. Dass es mir immer schwerer fällt, weiter optimistisch nach der Nadel im Heuhaufen aka Mann zu suchen. Der Aufwand und der Stress sind mir das nicht mehr wert.

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Ich führte mir vor Augen, wie viele Jahre ich Online-Dating mache und wie wenig tolle Beziehungen dabei herauskamen. Ich denke, dass ich auch meinen Anteil an dem Outcome habe: Vorurteile, gepaart mit dem Bewusstsein über patriarchale Strukturen.

Boysober zu leben, wirft Fragen auf: Was will ICH eigentlich?

Dennoch: Ich habe beschlossen, dass ich auf unbestimmte Zeit keine cis-Männer mehr Daten möchte. Dass ich damit 'boysober' lebe, habe ich erst später erkannt. Vorher fehlte mir das Wort dafür.

"Es geht Männern ans Ego, wenn sie bemerken, dass Frauen sie nicht mehr so brauchen."
Maya aus NRW

Für mich bedeutet, boysober zu sein: keine Online-Dates mit Männern, kein Sex mit Männern, kein Ausschau halten nach Männern, keine Flirts forcieren.

Es ist eine emanzipierte Entscheidung, wenn man erkennt, dass der Aufwand der Partnersuche oft nicht im Verhältnis zu dem steht, was Frau danach in einer Beziehung bekommt.

Es ist außerdem eine Chance herauszufinden, wer man eigentlich ist, wenn man keinen Partner sucht. All die Energie, die man beim Dating verbraucht, kann ins Studium, in Interessen und Freundschaften gegeben werden.

Das Thema zieht online wohl deshalb so viele Häme auf sich, weil es den Einfluss von Männern schmälert, wenn Frauen sich weigern zu heiraten, Sex mit Männern zu haben oder ihre Kinder zu bekommen.

Ich vermute, es geht Männern ans Ego, wenn sie bemerken, dass Frauen sie nicht mehr so brauchen oder wollen, wie das früher war. Das sind neue Verhältnisse, mit denen sie erst zurechtkommen müssen, das erzeugt Gegenwehr.

Boysober zu leben bedeutet für mich vor allem einen realistischen, reflektierten und selbstbewussten Blick zu haben und Self Care zu betreiben. Es bedeutet, dass man sich das Leben nicht weiter schwer macht.

Foxy (36) aus Hamburg

"Ich bin seit 14 Monaten Single und datete meistens über Apps. Alle Männer dort waren unterschiedlich – bis es zum Sex kam. Danach waren sie ziemlich identisch, nämlich kaum mehr engagiert, interessiert oder zuverlässig.

Beziehung: Die Dates über Apps war ein Frust

Es ist immer eine angespannte Atmosphäre gewesen, wenn 'es Zeit für Sex war'. Die Erwartungshaltung ist groß. Leistung und Performance stehen an oberster Stelle.

"Boysober bedeutet für mich in erster Linie keine Dating-Apps zu verwenden."
Foxy aus Hamburg

Tatsächlich dachte ich dennoch zu Anfang, ich bräuchte einen Mann, um glücklich zu sein. Der Schalter legte sich erst um, als der Algorithmus der App Hinge mich aufgegeben hat.

Ich hab so gut wie alle Männer nach links geswiped und dann wurde mir einer vorgeschlagen, der im 'östlichem Ringgebiet' wohnt. Ich dachte, das sei ein Vorort von Hamburg, und dann kam raus, dass er in Braunschweig lebt. Wir trafen uns.

Daraufhin wurden mir Männer vorgeschlagen, die seinen Vornamen und Beruf hatten und da dachte ich: 'Ich glaub' nicht an ein Schicksal made by Algorithm. Schluss!' Ich meldete mich ab und änderte meinen Fokus.

Tanzen macht Körper und Seele glücklicher als die Partnersuche

#boysober bedeutet für mich in erster Linie keine Dating-Apps zu verwenden. Ich strebe es aktuell nicht an, einen Partner zu finden. Ich profitiere davon, mich aus dem Dating auszuklinken, in dem ich meinen Fokus behalte.

"Ich finde den Begriff 'sober' zutreffend, da durch die Dating-Apps Dopamin entsteht."
Foxy aus Hamburg

Ich tanze regelmäßig und treffe mich mit Menschen, die es wertschätzen, mit mir Zeit zu verbringen. Sexuelle Lust stille ich selbst. Seitdem ich boysober lebe, hatte ich kein Bedürfnis mehr, eine Dating-App zu installieren.

Das Tanzen gibt mir viel mehr für Körper, Geist und Seele. Es ist ein höherer Mehrwert als die Schreiberei auf Apps, dann Sex und Nervkram hinterher. Tanzen gibt mir Energie, Dating nahm sie mir eher.

Freiheit vom Suchtfaktor Dating

Es war überraschend für mich, dass es bereits Begriffe wie 'boysober' oder '4B' gibt und ich auf Gleichgesinnte traf. Das bedeutet ja, dass es nicht nur mir so geht, dass es offenbar ein Phänomen ist!

Ich finde den Begriff 'sober' zutreffend, da durch das Design der Dating-Apps das Glücksgefühl Dopamin entsteht, was ich auch brauchte. Frau kann aber eine gesündere Dopamin-Beschäftigung finden, glaube ich. Herauszufinden, was das sein könnte, scheint mir besser investierte Zeit zu sein als eine endlose Partnersuche.

Ich würde zwar nicht allen Frauen empfehlen, boysober zu leben, aber ich habe keinen Kinderwunsch und bin daher in einer anderen Situation, als diejenigen mit. Für mich steht fest: Ich lebe boysober, solange ich will."

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