Im Leben der meisten Menschen gibt es gewisse Zyklen, an die sich wie unausgesprochen gehalten wird. Das betrifft die Ausbildung, die in den Zwanzigern für viele abgeschlossen ist. Den Wohnort, der spätestens in den Dreißigern feststeht. Aber auch Entscheidungen in Sachen Liebesplanung, aka Ehe, gemeinsame Wohnung, Kinder, fallen in diese Altersspanne.
Doch scheint sich das kurioserweise nicht über die Jahrzehnte zu verteilen, sondern auf ein paar wenige Jahre zu konzentrieren, in denen es Verlobungen und Babypartys im Freundeskreis hagelt. Und das, obwohl vorher alles ruhig schien. Ist es etwa ansteckend, wenn das direkte Umfeld mit den großen Liebesthemen loslegt? Was bedeutet das für die eigene Beziehung?
Wir fragten bei Nina Grimm nach. Sie ist Familienpsychologin und Bestsellerautorin, lebt und arbeitet von Freiburg aus und ist sich sicher, dass es tatsächlich einen Zusammenhang gibt.
Ihrer Meinung nach färben die Liebes- und Lebenspläne unseres Umfelds durchaus auf uns ab. "Definitiv!", sagt sie sogar. Das läge nicht nur daran, dass die meisten Freund:innen unserem eigenen Alter entsprächen, sondern hänge auch damit zusammen, dass unser Freundeskreis enorm prägt, wie wir leben (wollen).
"Unsere 'Peers', also die Menschen, mit denen wir am meisten Zeit verbringen, beeinflussen unsere Art zu denken und unser Verhalten ganz maßgeblich", erklärt die Psychologin zum Thema. Sogar "in einem ähnlichen Ausmaß wie unser Elternhaus und die uns umgebende Kultur."
Das bedeutet also: wenn unsere Freund:innen sich verloben, Immobilien begutachten oder Kinder planen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch wir uns damit beschäftigen. Nina Grimm erläutert:
Wenn alle sich gemeinsam darüber freuten, dass Freundin Mia jetzt schwanger ist, Feste geplant und Kaufverträge beglückwünscht werden, dann "stößt das Fragen bei uns an", mahnt die Familienpsychologin.
So wie: "Will ich das auch?" oder "Bin ich dafür schon bereit?". "Schwupps ist das Thema auf dem Tisch", fasst es Nina Grimm kurz zusammen.
Das Vergleichen mit dem Freundeskreis kann zuweilen schmerzhafte, aber auch befreiende Erkenntnisse an den Tag bringen. Lieben wir uns einfach nicht so wie Carl und Lea, wenn wir nicht heiraten wollen? Kann ich mir meine:n Partner:in als Elternteil gar nicht vorstellen? Wollen wir beide sowieso niemals Kinder?
Es sind die ganz großen Themen, die da auf den Tisch kommen und in vielen Freundeskreisen noch mal richtig für Bewegung sorgen. Doch völlig frei von der Erwartungshaltung anderer sind dabei die wenigsten.
Das läge daran, "dass wir als noch recht einfach tickende Menschen in einem sozialen Gefüge immer bemüht sind, nicht zu sehr aus der Sippe herauszustechen – da sonst Ausschluss droht", erklärt die Autorin ("Hätte, müsste, sollte").
"Die Sorge, nicht mehr dazuzugehören", würde aktiviert, warnt Nina Grimm, "und kann Entscheidungen maßgeblich beeinflussen." Das bedeutet: finden alle Ehe toll, kriegst du vielleicht auch bald Lust zu heiraten. Aber auch: ist dein Freundeskreis eher Anti-Kinder, läufst du Gefahr, deinen Babywunsch ebenfalls kleinzureden.
Es ist also keine blanke Einbildung, dass es im Umfeld oft innerhalb weniger Jahre Hochzeitseinladungen oder Babys regnet. Es lohnt sich aber angesichts dieses Wissens bei Torschlusspanik einmal kurz in sich zu gehen und zu überlegen: ist der aufkommende Wunsch nach Verlobung wirklich mein Lebenswunsch? Oder nur der meiner Freund:innen...